(Rom) 316 Jahre lang existierte offiziell in England keine katholische Hierarchie. Am 29. September 1850 erfolgte durch den seligen Papst Pius IX. ihre Wiedererrichtung.
König Heinrich VIII. von England (1509–1547) hatte 1534 mit der Suprematsakte England die Trennung von der katholischen Kirche aufgezwungen. Mit Dekret ernannte sich Heinrich selbst zum „höchsten Oberhaupt der Kirche von England auf Erden“. Unter ihm und seiner Tochter Elisabeth I. (1558–1603), die er mit Anne Boleyn hatte, wurde die katholische Hierarchie Englands ausgelöscht.
Wegen Boleyn war es zum Bruch mit Rom gekommen war, weil sich die katholische Kirche weigerte, die Nichtigkeit seiner gültigen ersten, aber ohne männlichen Nachwuchs gebliebenen Ehe zu erklären und den Weg für seine Zweitehe mit Anna Boleyn freizumachen. Unter Heinrich VIII. und seiner Tochter und Nachfolgerin Elisabeth I. wurde die katholische Hierarchie Englands beseitigt. Alle historischen Bischofssitze wurden von der neu ausgerufenen anglikanischen Kirche besetzt.
Der lange Weg zurück
Die katholische Kirche wurde als königsfeindlich und daher hochverräterisch eingestuft, verboten und damit in den Untergrund gezwungen. Der Weg von der Untergrundkirche zur illegalen, aber geduldeten Kirche, und bis zur Wiederzulassung und Anerkennung war weit und dauerte mehrere Jahrhunderte.
1622 ernannte Papst Gregor XV. zwar einen Apostolischen Vikar für ganz England. Dabei handelte es sich aber nur um einen ersten, zarten Versuch, die katholische Hierarchie in einem einst so traditionsreichen katholischen Land wie England und Wales wiederaufzurichten. Es blieb ein Provisorium, da sich die englische Regierung einer Rückkehr widersetzte. Ein Apostolisches Vikariat ist eine Vorstufe zu einer Diözese und wird in der Regel von einem Titularbischof geleitet. Diese Form wird in Missionsgebieten eingesetzt. Die Errichtung einer Diözese erfolgt erst, wenn sich die Einrichtung bewährt hat. Die Kirchenspaltung, mit der die katholische Hierarchie in Nordeuropa ausradiert wurde, machte aus diesem Raum, einschließlich Norddeutschland, ein katholisches Missionsgebiet.
Erst 1778 wurde mit dem ersten Catholic Relief Act der Eid von Staatsbeamten soweit reduziert, daß er nur mehr eine Absage an die Thronansprüche der katholischen Stuarts und an die Zivilgerichtsbarkeit des Papstes forderte. Damit konnten Katholiken nach 250 Jahren in England wieder Land vererben, eigenen Besitz haben und – neben der Ausübung anderer Berufe – auch wieder in die Armee eintreten.
Seit 1790 diente dem Apostolischen Vikar von London die Warwick Street Church als Behelfs-Bischofskirche, was nur möglich war, weil diese Kirche dem Herzogtum Bayern unterstand.
Unter anderem das führte dazu, daß 1791 den Katholiken mit dem zweiten Catholic Relief Act wieder erlaubt, öffentlich die Heilige Messe zu zelebrieren, überhaupt, daß Priester wieder als solche tätig sein konnten oder man katholischen Ordensgemeinschaften angehören durfte, daß Religionsunterricht erteilt und zumindest unauffällige Kirchengebäude errichtet werden durften.
Irische Unruhen und Bestrebungen zur Errichtung eines Einheitsstaates
Es waren vor allem Aufstände der katholischen Iren, die in London, das die einzelnen Kronen von England, Wales, Schottland und Irland zu einem großbritischen Einheitsstaat zusammenführen wollte, zu einer Lockerung der anti-katholischen Gesetze führte.
Am 13. April 1829 erhielt das vom britischen Parlament beschlossene Gesetz zur Aufhebung zahlreicher einschneidender Beschränkungen gegen Katholiken die königliche Bewilligung. Damit setzte in Großbritannien die Katholikenemanzipation ein.
1840 war die Zahl der Apostolischen Vikare in England von inzwischen bereits vier auf acht erhöht worden, doch die zahlreichen Probleme der Kirche waren damit nicht gelöst worden. Zu den drängendsten gehörte die seelsorgliche Betreuung der stark zunehmenden katholischen irischen Bevölkerung in den englischen Industriezentren.
Nach der Wahl von Papst Pius IX. drängten die Apostolischen Vikare 1846 und 1847 auf eine Lösung der drängenden Fragen. Die 1848 Rom erfassende Revolution und das päpstliche Exil auf der Insel Gaeta verzögerten eine Entscheidung. Die bescheidenen katholischen Einrichtungen waren unterdessen noch mehr gefordert, als nach der großen Hungersnot von 1847 noch mehr verarmte und hungernde Iren nach England drängten.
Das Breve Universalis Ecclesiae von 1850
Nachdem in Rom der Kirchenstaat wiederhergestellt und der Papst zurückgekehrt war, erließ Pius IX. am 29. September 1850 das Breve Universalis Ecclesiae. Damit erfolgte die Wiederaufrichtung einer katholischen Hierarchie in England und Wales. Metropolitansitz wurde Westminister mit zwölf Suffraganbischöfen.
Kurz nach dem Gesetz zur Katholikenemanzipation hatte König Georg IV. ein Gesetz erlassen, mit dem er die historischen Bischofssitze zum Privileg der anglikanischen Kirche und deren Bischöfe automatisch zu Mitgliedern des Oberhauses machte. Aus diesem Grund erfolgte durch Pius IX. keine Wiedererrichtung der untergegangenen katholischen Bistümer, sondern die Errichtung neuer Bistümer. Damit sollte das Provozieren eines neuen Konflikts mit den Anglikanern und dem britischen Staat vermieden werden.
Wo heute sowohl der Sitz eines katholischen als auch eines anglikanischen Bischofs besteht, sind die anglikanischen Diözesen jüngeren Datums und wurden erst nach den katholischen errichtet. Keine der heutigen katholischen Diözesen Englands und Wales reicht daher vor 1850 zurück und kann daher nicht an die älteren katholischen Bistümer vor 1534 anknüpfen.
Kardinal Nicholas Wiseman, erster Erzbischof von Westminster
Msgr. Nicholas Patrick Wiseman, geboren 1892 in Sevilla, gestorben 1865 in London, wurde zum ersten Metropolitanerzbischof von Westminster ernannt und am 30. September 1850 vom Papst in den Kardinalsstand erhoben.
Am 7. Oktober, kurz bevor er nach England aufbrach, verfaßte der Kardinal und Erzbischof ein Schreiben an die Katholiken Englands. Darin brachte er in optimistischem Ton seine Freude zum Ausdruck, „daß das katholische England von seiner revolutionären Laufbahn wieder in das kirchliche Firmament zurückgeführt wurde“.
Mit der Errichtung des Metropolitansitzes in Westminster war, trotz der Vermeidung historischer Bischofssitze, ein Signal gesetzt worden, das Irritationen auf anglikanischer Seite auslöste. Westminster Abbey war zwar kein anglikanisches Bistum, galt jedoch – da Krönungskirche der englischen Könige – als nationales Heiligtum. Die katholische Kathedrale wurde in der Nähe von Westminster Abbey neu errichtet. Die Initiative dazu ergriff Kardinal Wiseman. Die Bauarbeiten konnten allerdings nicht vor 1895 beginnen und die Einweihung erst 1903 erfolgen.
Anglikanisches Mißtrauen
Wiseman verstand es, die nicht-katholischen Gemüter mit seinem Appeal to the reason and good feeling of e English people einigermaßen zu beruhigen, den er am 20. November, kurz nach seinem Eintreffen in England, veröffentlichte. Daß dennoch Mißtrauen vorherrschte, belegt die am 1. August 1851 zum Gesetz erhobene Ecclesiastical Titles Bill, die jeden mit 100 Pfund Strafgeld belegte, dem ein nicht verfügbarer (also anglikanisch beanspruchter) Bischofstitel verliehen wurde. Die Strafe wurde jedoch nie verhängt, da von katholischer Seite kein Versuch unternommen wurde, die alten Bistümer zurückzufordern. Das Gesetz wurde nach 20 Jahren stillschweigend wieder abgeschafft.
Die Wiedererrichtung der katholischen Hierarchie erlaubte es endlich wieder ein legales Pfarrnetz zu errichten, Kirchen zu bauen und Schulen für die arme katholische Bevölkerung zu errichten, die den Arbeiternachschub für die englische Industrie lieferte.
Mehr als die Hälfte der Katholiken lebte damals in Lancashire (Diözesen Liverpool und Salford), dessen Einwohnerschaft nach 1847 rapide gewachsen war.
Die andere Hälfte konzentrierte sich auf London (Diözesen Westminster und Southwark) und die Industriegebiete von Midland (vor allem Diözese Birmingham).
Im übrigen England war die Zahl der Katholiken so gering und so zerstreut, daß die Errichtung von Diözesen schwierig war.
Die Hoffnung, England zurückzugewinnen
Wiseman führte mit großem Eifer in den Jahren 1852, 1855 und 1859 drei Synoden durch. Die Pfarreien wurden definitiv errichtet, womit das Problem ihrer Besetzung mit Priestern angegangen und geeignete Einrichtungen zur Priesterausbildung geschaffen werden mußten. Einige Priester kamen zwar aus Irland, doch allgemein herrschte aufgrund der historischen Gegebenheiten ein großer Priestermangel.
Bei der Synode von 1852 hielt der 1845 zum katholischen Glauben konvertierte, 1847 in Rom zum Priester geweihte und später zum Kardinal erhobene John Henry Newman CO eine seiner berühmtesten Predigten „The Second Spring“. Darin äußerte auch er, obwohl von deutlich zurückhaltenderem Temperament als Kardinal Wiseman, die Hoffnung, England könnte sich wieder zum katholischen Glauben bekehren. Die beiden führenden Gestalten der Rückkehr der katholischen Kirche nach England teilten die Ansicht, vor allem Ordenspriester in den Pfarreien einzusetzen, die als Missionsstationen gesehen wurden.
Kardinal Wiseman gründete dazu den Orden diözesanen Rechts der Oblaten des heiligen Karl, benannt nach dem heiligen Karl Borromäus, der sich an den älteren Orden der Ambrosianer anlehnte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Diese historische Verfolgung der Katholiken in England hat Auswirkungen bis heute. Sie äussert sich unter anderem am Schicksal Irlands. Im 17.Jahrhundert, während der englischen Revolution des Oliver Cromwell wurden Tausende aufständischer Katholiken in Irland niedergemetzelt. Im 19.Jahrhundert verhungerten Millionen katholischer Iren durch eine von England mit Gleichgültigkeit behandelte Hungersnot. Nachdem der Süden Irlands nach einem blutigen Bürgerkrieg 1921 endlich seine Unabhängigkeit erzielen konnte blieb der damals mehrheitlich protestantische Norden britisch und die katholische Minderheit Nordirlands Bürger zweiter Klasse. Als in den sechziger Jahren sich ein friedlicher gewaltfreier Protest katholischer Nordiren gegen diese Zustände endlich erhob wurde er von einer protestantischen Prügelgarde, der protestantischen „Royal Ulster Constabulary“, der „Polizei“ Nordirlands niedergeschlagen, die papstfeindliche Lieder in ihrem Repertoire hatte, was Jahrzehnte des Terrorismus der unterdrückten Katholiken zur Folge hatte. Katholiken wurden ohne Gerichtsurteil jahrelang in Internierungslager gesteckt, man liess katholische Hungerstreikende einfach verhungern. Seit dem Friedensprozess Ende des 20.Jahrhunderts hat sich die Lage zum Glück etwas beruhigt. Dennoch bleibt 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung Irland das letzte geteilte Land in Westeuropa eine Folge der historischen Religionspolitik des „Mutterlandes der Demokratie“ (England)!
Der Hinweis auf Irland ist berechtigt. Was man heute kaum noch weiß, die Briten (insb. unter dem Cromwell) setzten ihre „Reformation“ in ganz Irland gnadenlos durch. Die katholische Kirche Irlands lebte jahrhundertelang im Untergrund. Das einfache irische Volk nahm unter allerhöchsten Entbehrungen und Martyrern die Reformation über Jahrhunderte nicht an. Der alte irische Adel – wie die O’Donnels und die O’Niells – wurde enteignet und politisch ausgegrenzt. Noch heute ist nahezu jede historische Kirche in den Städten und Dörfern Irlands (auch des Südens) protestantisch – obwohl die Bevölkerung nahezu geschlossen im Untergrund katholisch blieb.
Irland war über Jahrhunderte ein Vorbild der Glaubenstreue – und ist es eben heute nicht mehr. Irland ist ein Desaster des Glaubensabfalls. Und das ist vor dem Hintergrund der missionarischen Geschichte der Iren furchtbar traurig. Der Niedergang des Glaubens setzte mit dem Vaticanum II ein und fand im materiellen Hedonismus der EU seinen Höhepunkt. Missbrauchenskandale taten das Übrige.
Und damit – werter Meiers – liegen Sie nicht wirklich richtig mit Ihrer Interpretation. Denn bei allem Respekt vor dem Willen der Iren Nordirlands – das nordirische Phänomen ist eben kaum „katholisch“ motiviert. Diese Interpretation ist eine (letztendlich katholikenfeindliche) Verdrehung der Zeitgeistmedien und der Briten. Ganz wesentliche Antriebe des irischen, republikanischen Nationalismus in Nordirland – also für die Provos, die IRA, Sinn Fein etc. − waren und sind der religionsfeindliche Atheismus und der militant säkulare Sozialismus. Das führte auch zu heftigen Grabenkämpfen unter irischen Nationalisten und Republikanern – wer den nun links und religionsfeindlich genug sei. Es ging der IRA niemals wirklich um die „katholische Sache“ – ganz im Gegenteil, das muss man mit aller Deutlichkeit sagen.
Nichtsdestotrotz ein informativer Artikel über England.
@Bellarminus,
Ich denke es ist wichtig zwei Dinge auseinanderzuhalten. Man kann natürlich bemängeln, dass die nordirischen republikanischen Nationalisten nicht immer sehr fromme Katholiken waren. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie Opfer einer jahrhundertealten protestantischen und englischen Unterdrückung waren. Zur Verdeutlichung kann man eine Person als Beispiel nennen. Die 1947 in einer kinderreichen katholischen Familie geborene Josephine Bernadette Devlin. Devlin wurde bereits als Studentin katholische Bürgerrechtsaktivistin. Sie wurde 1969 als jüngstes Mitglied in das Parlament in Westminster gewählt. Am 30.Januar 1972 wurde sie Augenzeugin als in der Stadt „London„Derry britische Fallschirmjäger 26 unbewaffnete Demonstranten am „bloody Sunday“ erschossen. Als ihr anschliessend im englischen Unterhaus entgegen den parlamentarischen Regeln das Wort zu den Ereignissen entzogen wurde und der Innenminister und Bilderberger Sir Reginald Maudlin wahrheitswidrig behauptete die Fallschirmjäger hätten in Notwehr gehandelt, ohrfeigte sie ihn vor der Versammlung. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, Devlin entspräche überhaupt nicht dem klassischen Bild einer katholischen Heiligen, sie war kirchenkritisch, sozialistisch und hatte ein uneheliches Kind, Tatsache war aber auch, dass sie in einer katholischen Familie geboren wurde, und den Mut hatte gegen Ungerechtigkeit aufzustehen und zu Gefängnisstrafen verurteilt zu werden. In meinen Augen ist sie also sympathischer als ein Innenminister Maudlin oder der papsthassende nordirische Reverend Paisley.
ein hochinteressanter Artikel der bei mir eine kirchegeschichtliche Bildungslücke verkleinert gern öfter solche Artikel Danke
Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass Irland durch Jahrhunderte hindurch ein wirkliches Vorbild
einer festen Glaubenstreue war, so wie etwa auch Frankreich. Aber auch hier muss man fest-
stellen, dass nach dem II.Vatikanum, wie auch in der ganzen westlichen Welt, der katholische
Glaube, profanisiert und ausgehöhlt wurde. Die irländische Hierarchie euphorisch der neuen
Theologie liberal verschrieben, führte das Kirchenvolk in Jahrzehnten zu einem gottlosen Zeit-
geist, wie die letzte Volksbefragung belegt.