
(Rom) Die Veröffentlichung des Buches „In der Wahrheit Christi bleiben“ wurde 2014 von hitzigen Polemiken begleitetet. Damals wirkten fünf Kardinäle und mehrere Theologen an dem Sammelband mit. Der maßgebliche Initiator der Publikation und Wortführer der Verteidiger der katholischen Ehe- und Morallehre auf der Synode war der US-amerikanische Kardinal Raymond Burke. Er wurde anschließend von Papst Franziskus seines Amtes als Dikasterienleiters enthoben und aus der Römischen Kurie entfernt. Ein deutliches Signal dafür, was geduldet wird und was nicht, wenn auch nicht unbedingt mit der erwünschten Wirkung. Nun folgt ein weiteres Buch mit demselben Anliegen. Dieses Mal sind es sogar elf Kardinäle, die in den Ring steigen. Wird ihrem Buch dasselbe Schicksal zuteil wie dem Vorgängerband, der in Rom so ungern gesehen wurde, daß er die Synodalen nie erreichte?
Kaspers „Komplott“
2014 wurden sogar die Verlage, die das Buch in verschiedenen Sprachen verlegten, beschuldigt, an einem „Komplott gegen den Papst“ mitzuwirken. Kardinal Walter Kasper sprach es in einem Interview am 18. September 2014 offen aus: „Das Ziel der Polemik bin nicht ich, sondern ist der Papst“. Mag sein, daß es sich dabei um eine Verteidigungsstrategie handelte: Man involviert einen Höheren, um sich selbst dessen Schutz zu sichern und durch dessen Autorität Kritiker zum Schweigen zu bringen.Die Komplott-These sorgte für erhebliche Empörung unter anderen hohen Würdenträgern der Kirche darüber, zu welchen Mitteln der Diskreditierung der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart fähig ist.
Nicht so ganz unrecht hatte der deutsche Kardinal hingegen mit dem Verweis auf Papst Franziskus. Ohne die Mitwirkung des argentinischen Papstes, wäre es gar nicht dazu gekommen, daß die Kasperianer eine solche weltweite Plattform bekommen haben. Kardinal De Paolis, einer der fünf am damaligen Buch beteiligten Kardinäle, replizierte, ohne Kasper zu nennen. In der Tageszeitung La Repubblica sagte er: „Es gibt sogar welche, die von einem Komplott sprechen. Es gibt kein Komplott; nur den Willen eine Position zum Ausdruck zu bringen.“
2014 wurden Nicht-Kasperianer zum Schweigen gebracht – 2015?
Jemand wollte jedenfalls die abweichenden Stimmen zum Schweigen bringen, weil sie einen offenbar bereits vorgezeichneten Weg störten, obwohl der Papst eine „freie“ Diskussion gefordert hatte. Galt diese „Offenheit“ nur für eine Richtung, während die Einforderung der „freien“ Diskussion für die andere Seite eine Mahnung sein sollte? Oder aber handelt unterhalb des Papstes rund um Kardinal Kasper jemand autonom und nützt lediglich die großzügigen Tore, die der amtierende Papst geöffnet hat? Immerhin sind alle wichtigen Schaltstellen der Bischofssynode von Kirchenvertretern besetzt, die sich durch Äußerungen und Handlungen als Kasperianer zu erkennen gegeben haben.
Wie La Nuova Bussola Quotidiana gestern berichtete, könnte sich das Drehbuch wiederholen. Es stimmt, daß eine Gruppe von Kardinälen an einem neuen Text gearbeitet hat, der mit Blick auf die Bischofssynode der Kasper-Fraktion entgegengesetzt werden soll. Das neue Buch dürfte den Titel „Ehe und Familie“ tragen mit dem Untertitel: „Pastorale Perspektiven von elf Kardinälen“. Die Gruppe der Kardinäle, die sich aktiv widersetzt ist gegenüber dem Vorjahr deutlich größer geworden. Mehr noch besagt die beachtliche Zahl von elf Kardinälen, daß jene Kirchenmänner, die den meisten Einblick haben, eine reale Bedrohung der katholischen Ehe- und Morallehre sehen, es sich also nicht um ein „Hirngespinst“ überbesorgter oder gar überspannter Katholiken irgendwo auf dem weiten Erdenrund handelt.
Elf Kardinäle verteidigen mit neuen Buch „Ehe und Familie“ gegen Kasper
Unter den elf Kardinälen finden sich aber – anders als gerüchteweise behauptet – weder Kardinal Burke noch Kardinal Brandmüller, sondern Erzbischof Carlo Kardinal Caffarra von Bologna, Großerzbischof Baselios Kardinal Cleemis der syro-malankarischen katholischen Kirche und Vorsitzender der Indischen Bischofskonferenz; Paul Josef Kardinal Cordes, emeritierter Vorsitzender des Päpstlichen Rates Cor Unum; Erzbischof Dominik Kardinal Duka von Prag, Primas von Böhmen und Vorsitzender der Tschechischen Bischofskonferenz; Erzbischof Willem Jacobus Kardinal Eijk von Utrecht; Joachim Kardinal Meisner, emeritierter Erzbischof von Köln; Erzbischof John Kardinal Olorunfemi Onaiyekan von Abuja, ehemaliger Vorsitzender des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar; Antonio Maria Kardinal Rouco Varela, emeritierter Erzbischof von Madrid und ehemaliger Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz; Camillo Kardinal Ruini, emeritierter Kardinalvikar von Rom und ehemaliger Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz; Robert Kardinal Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung; Erzbischof Jorge Liberato Kardinal Urosa Savino von Caracas und Primas von Venezuela.
„In Zeiten zunehmender Willkür muß die Kirche umso klarer sprechen“
Herausgeber des Buches ist der deutsche Kirchenrechtler Winfried Aymans von der Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Im vergangenen Juni schrieb Aymans im Osservatore Romano, „in Zeiten, in denen das Zivilrecht immer mehr dazu neigt, den Ehevertrag der Willkür preiszugeben, die in jeder Hinsicht zunimmt, muß die Verkündigung der Kirche um so klarer sein.“
Werden auch in diesem Fall wieder alle beschuldigt werden, die Diskussion zu behindern oder – noch schlimmer – sich dem Papst zu widersetzen oder gar gegen diesen zu komplottieren? Jemand wird es sicher versuchen. Doch die Zahl der Kardinäle, die bereits 2014 in den Ring gestiegen sind und jene, die nun gefolgt sind, scheinen nicht gewillt, ihr Feld zu räumen. Allein ihre große Zahl sollte Grund zum Nachdenken sein. Wenn so viele Kardinäle die Notwendigkeit sehen, öffentlich die Lehre der Kirche zu verteidigen, dann kann das nur eines bedeuten: jemand anderer versucht eben diese Lehre anzugreifen. Diese Angriffe versuchen die Kardinäle von Burke über Brandmüller, Caffarra bis Onaiyekan und Sarah abzuwehren.
Pastoral: Kasper auf seinem eigenen Feld schlagen
Die elf Kardinäle wollen, soweit es bekannt ist, Kardinal Kasper auf dem von ihm gewählten Kampffeld schlagen, dem der Pastoral. Der deutsche Kardinal behauptete und behauptet weiterhin die Lehre nicht anrühren, sondern „nur“ die Pastoral verändern zu wollen. Inzwischen wurde diese These vielfach widerlegt, da ein grundlegender Eingriff in die Pastoral durch die allgemeine Praxis automatisch die Lehre verändert. Die elf Kardinäle befassen sich mit Fragen, wie jenen geholfen werden kann, die von ihrem Ehepartner verlassen worden sind und dennoch ihrem Ehebund treubleiben. Eine Kernfrage der neuen Publikation soll auch sein, wie die Ehevorbereitung verbessert werden kann, die sich als offensichtlich unzulänglich erwiesen hat. Dabei geht es auch um die Frage, wie die Ehevorbreitung auf die Situation nur geringfügig oder kaum religiös unterwiesener junger Menschen reagieren kann, die zudem stark von einer verweltlichten Kultur geprägt sind.
Die Veröffentlichung des Buches ist für die zweite Septemberhälfte vorgesehen. In Italien wird es, wie es aussieht, erneut vom 2014 scharf angegriffenen Verlag Cantagalli herausgegeben. Es sind wiederum Übersetzungen in verschiedene Sprachen geplant. Bleibt zu hoffen, daß der Versuch, das Buch der elf Kardinäle allen Synodenteilnehmern zukommen zu lassen, dieses Mal erfolgreicher ist. Das Buch der fünf Kardinäle kam im vergangenen Jahr nie bei den Synodalen an. Schuld müsse die Post sein, ließ Kardinal Baldisseri, der Generalsekretär der Bischofssynode wissen. Andere vermuteten vielmehr, daß die Synodenregie die Auslieferung verhinderte, im Klartext Baldisseri selbst.
Nova patria Christi Africa
Bleibt nach wie vor die Frage im Raum, wer der große Regisseur im Hintergrund ist. Nicht wenige tippen auf Papst Franziskus selbst, der sich offiziell noch nicht zur Frage der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen geäußert hat. Eine lange Reihe von indirekten Aussagen, Gesten und Handlungen zeigt ihn jedoch als Förderer von Kardinal Kasper und dessen These.
Zur Bischofssynode wird noch ein weiteres Buch erscheinen, das ebenfalls elf Kardinäle und Bischöfe zu Autoren hat. Alle stammen aus Afrika und wollen mit der Publikation die Stimme Afrikas hörbar machen. Ein Kontinent, der entschlossen ist, für die katholische Ehe- und Morallehre zu kämpfen und sich als „nova patria Christi Africa“ bezeichnet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Nuova Bussola Quotidiana