
(Peking) Bekanntlich zieht es einige streßgeplagte Europäer, die sich vom Christentum abgewandt haben, zum Buddhismus. Es muß an der fernöstlichen Exotik liegen. Zur Attraktivität des religiösen Fremden haben im Westen auch die Mönche des Shaolin-Tempels beigetragen, ein buddhistischer Mönchsorden mit Sitz in der Volksrepublik China. Der Shaolin-Tempel in der Provinz Henan, gilt als Ursprung und Zentrum des Chan-Buddhismus, dem Vorläufer des Zen-Buddhismus. Mit dem Shaolin-Orden ist ein Kampfkunststil verbunden, der vor allem im Westen als Teil der buddhistischen Praxis angeboten wird. In den Westen gelangten erste Shaolin-Mönche als Flüchtlinge während der maoistischen Kulturrevolution. Seit den 1980er Jahren wurden im Einverständnis mit der kommunistischen Regierung ganz offiziell Shaolin-Tempel in westlichen Staaten gegründet.
Im deutschen Sprachraum ist dafür die Shaolin Europe Association (SEA) mit Sitz in Berlin zuständig. Shaolin-Tempel gibt es in Berlin, Otterberg und in Wien. Neben der Kampfkunst (Shaolin Kung fu) wird der Chan-Buddhismus und die sogenannte Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) beworben. Letztere wurde vom kommunistischen Regime „wiederbelebt“, nachdem die Volksrepublik China wegen der brutalen konterrevolutionären Säuberungen unter Ärztemangel litt. Die TCM wurde vom Regime gegenüber dem eigenen Volk als „bessere Medizin“ behauptet. Der Export in den Westen hatte mehr mit Fortschrittsskepsis und der Esoterikbewegung zu tun. Die Türen zur westlichen Prominenz standen jederzeit offen.
30. Abt, Politiker, Abgeordneter und Geschäftsmann
Höchste Autorität der Shaolin-Bewegung ist der Abt des Muttertempels in Henan. Seit 1999 bekleidet Shi Yongxin als 30. Abt dieses Amt. Er ist, vom Regime ernannt, auch Abgeordneter zum Nationalen Volkskongreß, dem Parlament der Volksrepublik China.
Ein ehemaliger Mönch des Mutterklosters beschuldigt den Abt, das ihm anvertraute religiöse und kulturelle Erbe des Ordens verkauft zu haben. Wegen seines kostspieligen Lebenswandels wird er allgemein „geschäftsführender Abt“ genannt. Shi Yongxin habe den Tempel zu seinem persönlichen „Goldesel“ gemacht. Die Regierung wurde aufgefordert, „ernsthafte“ Untersuchungen einzuleiten. Eine Kritik an Schein-Untersuchungen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben habe und die mehr der Vertuschung als der Aufklärung dienten.
Die Anschuldigungen sind heftig: uneheliche Kinder, geplünderte Mönchskassen, um sich Geliebte halten zu können, nur geringer religiöser Glauben, noch weniger Spiritualität.
Der Abt weist alle Vorwürfe zurück und fordert die Verhaftung des Mannes, der sie erhoben hat. Wegen seines luxuriösen Lebensstils steht der Abt allerdings schon seit Jahren in der Kritik.
Regimehörige Buddhistische Vereinigung Chinas wird nervös

Die Behörden gaben inzwischen bekannt, neue Untersuchungen eingeleitet zu haben, weil der unbekannte Kritiker konkrete Dokumente übermittelt habe, die sowohl die Vaterschaft eines unehelichen Kindes als auch den Vorwurf des Diebstahls belegen, weswegen der heutige Abt seinerzeit als Schüler aus einem Zen-Tempel entlassen worden war.
Auch die regimehörige Buddhistische Vereinigung Chinas, deren stellvertretender Vorsitzender Shi Yongxin war, äußerte ihre „Sorge wegen der Anschuldigungen, die dem Ansehen unserer Religion schaden“.
Abt Shi Yongxin verwandelte den 1.500 Jahre alten Tempel in ein Wirtschaftsunternehmen. In der Klosteranlage können gegen Geld Spielfilme und Fernsehserien gedreht werden. Die Kampfkunstakademie steht gegen Bezahlung jedem offen. Die Mönche reisen als Schausteller für Varietéaufführungen um die ganze Welt. Der jüngste Plan des Abtes ist die Eröffnung einer neuen Kampfsportschule in Australien samt Fünf-Sterne-Hotel und 12-Loch-Golfplatz.
Kostspieliger Lebenswandel, „Geschenke“ und die Regierungskontrolle
Kritiker sind überzeugt, daß hinter der Umwandlung des Tempels in einen Vergnügungspark Abt Shi Yongxin steckt. Der Zug fahre zwar schon länger in die falsche Richtung, sei aber unter Shi ganz vom Kurs abgekommen. In die Schlagzeilen geriet Shi Yongxin , als bekannt wurde, daß er 20.000 Euro von Geschäftsleuten nahm, die ihn um seinen Segen gebeten hatten. Eine Geländelimousine (SUV) der Luxusklasse, im Wert von 100.000 Euro, erhielt er von der örtlichen Regierung wegen seines „Beitrag zur Förderung der lokalen Wirtschaft“ (siehe Bild oben).
Asianews zitiert einen anonym bleibenden buddhistischen Mönch: „Das Problem der Korruption und der schlechter Finanzgebarung ist keineswegs nur auf den Shaolin-Tempel beschränkt. Das ist ein weitverbreitetes Problem in China. Zudem wollen die Religionsbehörden der Regierung nicht, daß die Gebets- und Kultstätten zu rein sind.“.
In den sozialen Netzwerken Chinas wird den anonymen Anschuldigungen Glauben geschenkt und der Rücktritt Shi gefordert. Der Shaolin-Tempel solle wieder ein Ort der Stille und der Zurückgezogenheit werden, in dem der Buddhismus gelehrt wird und nicht ein Wirtschaftsunternehmen sein, um Geld zu verdienen, heißt es in zahlreichen Kommentaren.
Text: Andreas Becker
Bild: Asianews
Wie kann es denn anders sein, in einer Religion die keine ist und in der man keine eigentliche Sün-
de kennt, ist es kein Wunder, wenn sich der eine oder andere Religionsführer bereichert und den
weltlichen Freuden anhangt. Diese gewieften Oberhäupter werden aber gerne in Politik und Kir-
che herum gereicht.