Der „Wahrheitsmund“ – Vatikansprecher Lombardi über Papst Franziskus


Papst im National Geographic
Papst im National Geographic

(Rom) Am 29. Juli ver­öf­fent­lich­te der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster den Arti­kel „Pater Lom­bar­di, der Wahr­heits­mund“ (Pad­re Lom­bar­di, la boc­ca del­la veri­tà ). Dar­in zitier­te er eini­ge Aus­sa­gen von Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ über den Regie­rungs­stil von Papst Fran­zis­kus, die in der August-Aus­ga­be von Natio­nal Geo­gra­phic ver­öf­fent­licht wor­den waren. Der Vati­kan­spre­cher lie­fert dabei eine Dar­stel­lung, die „sich nicht nur deut­lich von den vor­herr­schen­den Lobes­hym­nen“ über Papst Fran­zis­kus unter­schei­det, „son­dern auch viel glaub­wür­di­ger ist“, so Magister.

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Der Arti­kel bescher­te Magi­sters Blog Rekord­zu­grif­fe. „Unfrei­wil­lig“ hat­te auch der Avve­ni­re, die Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz dazu bei­getra­gen. Die vom „Mann des Pap­stes“, Bischof Nun­zio Galan­ti­no, Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­kon­fe­renz, her­aus­ge­ge­be­ne Zei­tung mein­te, in den Ring stei­gen zu müs­sen, „um den Jesui­ten und den Papst gegen wel­che Angrif­fe auch immer zu verteidigen“.

Dar­auf folg­ten, für vor­ei­li­ge Ver­tei­di­ger „lei­der“, die schrift­li­chen Klar­stel­lun­gen des direkt Betrof­fe­nen, die das von Magi­ster „beschrie­be­ne Bild bereichern“.

„Wie fühlst Du Dich mit meinem ehemaligen Chef?“ – „Verwirrt“

Zunächst aber die Pater Lom­bar­di in der Aus­ga­be von Natio­nal Geo­gra­phic zuge­schrie­be­nen Aus­sa­gen. Der Autor des Bei­tra­ges, der ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list Robert Dra­per gibt dabei Aus­zü­ge eines Gesprächs zwi­schen Pater Lom­bar­di und sei­nem argen­ti­ni­schen Kol­le­gen Feder­i­co Wals wie­der, der Pres­se­spre­cher von Jor­ge Mario Berg­o­glio als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires war.

„Wie fühlst Du Dich mit mei­nem ehe­ma­li­gen Chef?“, fragt Wals. Lom­bar­dis Ant­wort: „Ver­wirrt“. Der Vati­kan­spre­cher zeigt sich ent­täuscht über die Arbeits­wei­se von Papst Fran­zis­kus. Es gebe kei­ne wirk­li­che Zusam­men­ar­beit und noch weni­ger Ver­trau­en und Offen­heit. Die Mit­ar­bei­ter von Fran­zis­kus, so Lom­bar­di, auch die eng­sten, wis­sen nur einen Teil des­sen, was der Papst entscheidet.

Pater Lom­bar­di nennt als Bei­spiel Wals gegen­über eine Begeg­nung im Gäste­haus San­ta Mar­ta zwi­schen dem Papst und vier­zig jüdi­schen Ver­tre­tern, von der das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt und auch Lom­bar­di erst im Anschluß erfah­ren haben. „Nie­mand ist in Kennt­nis über alles, was der Papst gera­de tut“, sagt Lom­bar­di wört­lich. „Nicht ein­mal sein per­sön­li­cher Sekre­tär weiß es. Ich muß immer eine gan­ze Rei­he von Tele­fo­na­ten füh­ren: Eine Per­son weiß einen Teil sei­ner Agen­da, eine ande­re einen ande­ren Teil.“

Papst National Geographic
Papst im Natio­nal Geographic

Der engste Kreis des Papstes

Zum eng­sten Kreis des Pap­stes gehö­ren eini­ge Argentinier:

  • Và­ctor Manu­el Fernán­dez, Rek­tor der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en und Ghost­wri­ter des Pap­stes, Haus- und Hof­in­tel­lek­tu­el­ler von Fran­zis­kus, obwohl er alles ande­re als bril­lan­te Emp­feh­lun­gen vor­wei­sen kann;
  • Mar­ce­lo Sán­chez Sor­on­do, Kanz­ler der Päpst­li­chen Aka­de­mien der Wis­sen­schaf­ten und der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und „Archi­tekt“ der Annä­he­rung an die UNO-Welt­kli­ma-Agen­da und die Regierungslinke;
  • Fabián Pedac­chio Lea­niz, sein per­sön­li­cher Sekretär;
  • Guil­ler­mo Javier Kar­cher, päpst­li­cher Zere­mo­ni­är und Mit­ar­bei­ter der Pro­to­koll­stel­le, jenem Büro des Staat­s­e­kre­ta­ri­ats, in dem alle Doku­men­te durchkommen;

Dazu kom­men eini­ge Italiener:

  • Anto­nio Spa­da­ro, Jesu­it und Schrift­lei­ter der Jesui­ten­zeit­schrift „La Civil­tà  Cattolica“;
  • Dario Edo­ar­do Viganò, Direk­tor des Vati­ka­ni­schen Fern­seh­zen­trums CTV und erster Prä­fekt des neu­ge­grün­de­ten Kommunikationssekretariats;
  • Bat­ti­sta Ric­ca, Direk­tor des Gäste­hau­ses San­ta Mar­ta, der Resi­denz von Papst Fran­zis­kus, von Fran­zis­kus zum Haus­prä­la­ten und per­sön­li­chen Dele­ga­ten der Vatik­an­bank IOR ernannt, trotz sei­ner skan­da­lö­sen Ver­gan­gen­heit wäh­rend sei­ner Zeit an den Apo­sto­li­schen Nun­tia­tu­ren in der Schweiz und in Uruguay.

Einfluß des Staatssekretariats „drastisch reduziert“

Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di sagt zudem, daß der Papst auch mit der Römi­schen Kurie im eigent­li­chen Sinn nur unre­gel­mä­ßig und unko­or­di­niert zusam­men­ar­bei­tet. Er stüt­ze sich nur von Mal zu Mal auf den einen oder ande­ren Beam­ten oder das eine oder ande­re Büro.

Lom­bar­di wört­lich: „Fran­zis­kus hat die Macht des Staats­se­kre­ta­ri­ats dra­stisch ver­rin­gert, beson­ders was die Vati­kan­finan­zen angeht. Damit aber besteht das Pro­blem, daß die Struk­tur der Kurie nicht mehr klar ist. Der [Reform-]Prozeß ist im Gan­ge, und was am Ende her­aus­kommt, das weiß nie­mand. Das Staats­se­kre­ta­ri­at bil­det nicht mehr wie vor­her das Zen­trum und der Papst hat vie­le Kon­tak­te, die nur von ihm, ohne Ver­mitt­lung gehal­ten werden.“

Doch auch die­se Unord­nung habe, so Lom­bar­di, einen Vorteil:
„In gewis­ser Hin­sicht ist das posi­tiv, weil es in der Ver­gan­gen­heit die Kri­tik gab, daß jemand zuviel Ein­fluß auf den Papst hat­te. Man kann nicht behaup­ten, daß das heu­te der Fall wäre.“

Der Unterschied zwischen Benedikt XVI. und Franziskus

Der Vati­kan­spre­cher ent­my­tho­lo­gi­siert auch die geo­po­li­ti­sche Stra­te­gie von Papst Fran­zis­kus. Er ver­gleicht zwi­schen dem, was Bene­dikt XVI. nach einer Begeg­nung mit einem Welt­staats­mann sag­te, um die Inhal­te des Gesprächs für eine Pres­se­er­klä­rung zusam­men­zu­fas­sen und dem, was ihm heu­te Papst Fran­zis­kus sagt:

„Es war unglaub­lich. Bene­dikt war so klar. Er sag­te: ‚Wir haben über die­se Din­ge gespro­chen, in die­sen Punk­ten stim­me ich über­ein, zu die­sen ande­ren Punk­ten habe ich Ein­sprü­che, das Ziel unse­rer näch­sten Begeg­nung wird das sein‘. Zwei Minu­ten und mir war der Inhalt des Gesprächs völ­lig klar. Von Fran­zis­kus bekom­me ich zu hören: ‚Das ist ein klu­ger Mann; der hat die­se inter­es­san­ten Erfah­run­gen gemacht‘. Die Diplo­ma­tie ist für Fran­zis­kus kei­ne Stra­te­gie, son­dern viel­mehr: ‚Ich habe die­se Per­son getrof­fen, jetzt haben wir einen per­sön­li­chen Bezug, ver­su­chen wir nun Gutes für die Men­schen und die Kir­che zu tun‘.“

Spontaneität oder Kalkül?

Vatikansprecher Lombardi und Papst Franziskus
Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di und Papst Franziskus

Pater Lom­bar­di betont, daß die Vor­gangs­wei­se des Pap­stes „völ­lig spon­tan“ sei, auch dann, wenn er ekla­tan­te Gesten setzt, wie die Umar­mung vor der Kla­ge­mau­er in Jeru­sa­lem mit dem jüdi­schen Rab­bi und dem mos­le­mi­schen Imam, bei­des argen­ti­ni­sche Freun­de des katho­li­schen Kirchenoberhauptes.

Der Behaup­tung, Fran­zis­kus habe eine rein instink­ti­ve Per­sön­lich­keit, die zur Impro­vi­sa­ti­on neigt, wur­de aller­dings mehr­fach wider­spro­chen, im kon­kre­ten Fall von Rab­bi Abra­ham Skorka, der im Anschluß an den Jeru­sa­lem-Besuch sag­te, er habe mit Fran­zis­kus bereits vor Beginn des Hei­lig-Land-Besu­ches die Idee zur Umar­mung entwickelt.

Per­so­nen, die den Papst schon lan­ge ken­nen, beschrei­ben Jor­ge Mario Berg­o­glio als „Schach­spie­ler“, einen genau­en Kal­ku­lie­rer, des­sen Tag per­fekt durch­or­ga­ni­siert und jeder Schritt akku­rat über­legt und ein­stu­diert ist.

Der Papst selbst hat­te der Civil­tà  Cat­to­li­ca im bedeu­tend­sten sei­ner nicht unum­strit­te­nen Inter­views, gesagt: „Ich miß­traue immer der ersten Ent­schei­dung, dem, was mir als erstes in den Sinn kommt, wenn ich eine Ent­schei­dung tref­fen muß. Nor­ma­ler­wei­se ist es das Fal­sche. Ich muß abwar­ten, inner­lich abwä­gen, mir die nöti­ge Zeit nehmen.“

Bergoglio war „eine extrem ernste Person, die nie lachte, nie“

Auch sei­ne so extro­ver­tier­te Aus­drucks­wei­se in der Begeg­nung mit den Mas­sen läßt sich schwer­lich nur der beson­de­ren Ein­ge­bung des Hei­li­gen Gei­stes zuschrei­ben, die sei­ner Wahl zum Papst gefolgt sei, wie er selbst meh­re­re Male beton­te. Wer ihn schon län­ger kann­te und sein Freund ist, wie Erz­bi­schof Ago­sti­no Mar­chet­to, beschreibt ihn in einem Inter­view in der Cri­ti­ca mar­xi­sta vom Juni 2015 als „eine extrem ern­ste Per­son, die nie lach­te, nie“. Eine so radi­ka­le Ver­än­de­rung in sei­nen äuße­ren Ver­hal­tens­wei­sen kön­ne nur durch eine ratio­na­le Abwä­gung neu­er Not­wen­dig­kei­ten erklärt werden.

Das­sel­be gel­te bezüg­lich der Bevor­zu­gung des frei­en Rede­stils statt der schrift­li­chen Vorlagen.

Im Osser­va­to­re Roma­no vom 15. Juli nahm Msgr. Viganò dazu Stel­lung und kam zum Schluß, daß die­se Bevor­zu­gung nicht los­ge­löst sei von einer bewuß­ten und kal­ku­lier­ten Entscheidung.

Die Risiken der freien Rede – Lombardi hat doch recht

Der Papst nimmt dabei sogar bewußt, Gefah­ren und Nach­tei­le der frei­en Rede in Kauf.

Ein sol­cher „Nach­teil“ ereig­ne­te sich bei sei­ner Rede an die Ver­tre­ter der Zivil­ge­sell­schaft in Asun­ci­on (Para­gu­ay), als der Papst die para­gu­ay­ische Regie­rung und nament­lich den Staats­prä­si­den­ten vor aller Öffent­lich­keit beschul­dig­te, einen Mann ent­führt zu haben und for­der­te des­sen Frei­las­sung. In Wirk­lich­keit war der Mann, ein staats­treu­er Poli­zist, von einer kom­mu­ni­sti­schen Ter­ror­grup­pe ent­führt wor­den. Papst Fran­zis­kus hat­te zwi­schen Tür und Angel von der Ent­füh­rung gehört, aber den Namen und den Zusam­men­hang nicht rich­tig ver­stan­den, war aber trotz feh­len­der Infor­ma­tio­nen bereit, die Regie­rung und das Staats­ober­haup­tes öffent­lich anzu­grei­fen. Ein „Detail“, das von den mei­sten Medi­en, auch Msgr. Viganò in sei­ner Ana­ly­se unter­schla­gen wurde.

„Damit hät­te Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di letzt­lich doch wie­der recht, wenn er von einem ‚spon­ta­nen‘ Impuls spricht, der die Ober­hand gewin­ne. In Asun­ci­on scheint Papst Fran­zis­kus tat­säch­lich getan zu haben, „was mir als Erstes in den Sinn kommt“.

Die Reak­ti­on von Pater Feder­i­co Lom­bar­di auf Magi­sters Ver­öf­fent­li­chung sehen Sie hier.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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