Wer keine Priesterberufungen haben will, warnt davor „nur auf Neupriesterzahlen zu starren“


Karl Kardinal Lehmann
Karl Kar­di­nal Lehmann

(Mainz) Wer im Glas­haus sitzt, soll­te nicht mit Stei­nen wer­fen. Des­halb steht der Main­zer Bischof, Kar­di­nal Karl Leh­mann, ja auch drau­ßen und wirft sei­ne Stei­ne auf das Glashaus.

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Was macht jemand mit wenig Prie­ster­be­ru­fun­gen und der zudem im Ver­dacht steht, den Prie­ster­man­gel zumin­dest bil­li­gend in Kauf zu neh­men? Er warnt davor, „nur auf Neu­prie­ster­zah­len zu starren“.

So tat es Kar­di­nal Leh­mann beim all­jähr­li­chen Medi­en­emp­fang der Diö­ze­se Mainz, der gemein­sam mit der Diö­ze­se Lim­burg aus­ge­rich­tet wur­de. Das The­ma lau­te­te in die­sem Jahr „Kirch­li­che Beru­fe und Beru­fun­gen“. Schon im Titel wur­den Beruf und Beru­fung durch­ein­an­der­ge­mischt und das durch den stän­di­gen Plu­ral noch ver­stärkt. Des­halb muß das Prie­ster­se­mi­nar St. Boni­fa­ti­us Mainz nicht nur im Logo, son­dern auch in der Neu­aus­rich­tung für ein Haus der kirch­li­chen Beru­fe in das zwei­te Glied zurücktreten.

Bistum Mainz: mehr als doppelt so viel LaienseelsorgerInnen wie Priester

Damit wur­de gleich signa­li­siert, daß Prie­ster­be­ru­fun­gen besten­falls ein The­ma unter vie­len sein wür­de, denn „kirch­li­che Beru­fe“ gebe es ja vie­le und hin­ter jedem ste­he eine „Beru­fung“. Damit wur­de in Mainz zwar über den Prie­ster­man­gel gespro­chen, jedoch mit dem offen­kun­di­gen Ziel, jeder ernst­haf­ten Ursa­chen­for­schung aus dem Weg zu gehen.

2008 neugestaltete Kapelle des Mainzer Priesterseminars
2008 neu­ge­stal­te­te Kapel­le des Main­zer Prie­ster­se­mi­nars: „Ori­en­tier­te Versammlung“

Kar­di­nal Leh­mann hat­te zusam­men mit dem Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tor der Diö­ze­se Lim­burg, Weih­bi­schof Man­fred Gro­the, in das Main­zer Prie­ster­se­mi­nar gebe­ten. Dort warn­te Leh­mann davor, „zu sehr auf den Prie­ster­be­ruf zu star­ren. Das kön­ne blind machen für ande­re Din­ge“. Er muß es ja wissen.

Von den Poli­ti­kern ist man es ja gewohnt: Immer schön lächeln und am Wahl­abend sich selbst als größ­ter Ver­lie­rer noch zum „gefühl­ten“ Gewin­ner erklä­ren. Alles schön „posi­tiv“ ver­packen. Kar­di­nal Leh­mann steht den Poli­ti­kern um nichts nach. Prie­ster­man­gel? Mag sein, doch man soll sich ja nicht damit auf­hal­ten, denn wich­tig sei, daß es in der Diö­ze­se Mainz gegen­wär­tig gan­ze 1.000 (ein­tau­send) haupt­amt­li­che Seel­sor­ge­rIn­nen gibt. Das sind „so vie­le wie noch nie“. In einer Talk­show wür­de an die­ser Stel­le die Regie­an­wei­sung „Applaus“ kommen.

Mehr bei­läu­fig wur­de erwähnt, daß „etwa 450 von ihnen“ Prie­ster sind. Auf jeden Prie­ster kom­men damit im Bis­tum Mainz bereits 1,22 Lai­en­seel­sor­ger (und Innen). Ten­denz stei­gend und vom Bischof gefördert.

Warnung vor einem „Diktat der Zahlen“

Es gebe schon ein „gesun­ke­nes Inter­es­se jun­ger Men­schen“, doch nicht nur für den Prie­ster­be­ruf, son­dern ins­ge­samt für „Berufs­per­spek­ti­ven in der Kir­che“. Selbst in die­sem Punkt wird die Beru­fungs­kri­se in einem all­ge­mei­ne­ren Aspekt auf­ge­löst und marginalisiert.

Der Regens des Main­zer Prie­ster­se­mi­nars, Udo Bentz, sekun­dier­te sei­nem Bischof, warn­te vor einem „Dik­tat der Zah­len“ und argu­men­tier­te ziel­si­cher am eigent­li­chen Pro­blem vor­bei. Dabei ist Bentz Vor­sit­zen­der der Deut­schen Regen­ten­kon­fe­renz, in der die Regen­ten aller diö­ze­sa­nen Prie­ster­se­mi­na­re zusam­men­ge­schlos­sen sind.

„Lasst uns von den Inhal­ten her den­ken, nicht von den Zah­len her“, mein­te Bentz vor den 130 Gästen. Eine Absicht, das Pro­blem an den Wur­zeln zu lösen, sieht anders aus. Die Main­zer Beauf­trag­te für die Pasto­ral­re­fe­ren­tIn­nen Caro­la Dani­el beton­te zusam­men mit Regens Bentz, daß ihr Ein­satz in Zukunft viel­mehr dem „Zusam­men­brin­gen der Stu­die­ren­den der ver­schie­de­nen seel­sorg­li­chen Beru­fe“ gel­ten wer­de. Des­halb wur­de es als inno­va­ti­ver Schritt prä­sen­tiert, daß sich das Prie­ster­se­mi­nar pri­mär nicht mehr also sol­ches, son­dern als „Haus der kirch­li­chen Beru­fe“ ver­ste­he, das die­se „Begeg­nun­gen zwi­schen Stu­die­ren­den die­ser Beru­fe ermöglicht“.

Neueintritte in die diözesanen Priesterseminar Deutschlands
Neu­ein­trit­te in die diö­ze­sa­nen Prie­ster­se­mi­nar Deutschlands

Kein Franziskus-Effekt: 2014 Tiefststand bei Neueintritten in diözesane Seminare

Die Zahl der bun­des­wei­ten Neu­ein­trit­te in die diö­ze­sa­nen Prie­ster­se­mi­na­re brach 2014 gegen­über dem Jahr 2003 um 75 Pro­zent ein. Gab es 2003 noch 193 Neu­ein­trit­te, waren es 2014 nur 110. Im letz­ten Jahr des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II. san­ken die Neu­ein­trit­te auf 165, um mit dem Amts­an­tritt von Bene­dikt XVI. 2005, 2006 und 2007 deut­lich anzu­zie­hen auf 188, 190 und 199 Neu­ein­trit­te. Der sexu­el­le Miß­brauchs­skan­dal und die damit ver­bun­de­ne Hetz­kam­pa­gne gegen die Kir­che führ­te 2010 zu einem Ein­bruch auf 120 Neu­zu­trit­te. 2011 waren es wie­der 150.

Bei den Prie­ster­be­ru­fun­gen ist kein Papst-Fran­zis­kus-Effekt bemerk­bar. Jeden­falls nicht in Deutsch­land. Ganz im Gegen­teil brach­te das Jahr 2014 mit ledig­lich 110 Neu­ein­trit­ten den bis­her abso­lu­ten Tiefststand.

Text: Andre­as Becker
Bild: Wikicommons/​Diözese Mainz (Screen­shots)

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