
(Rom) Papst Franziskus und Kardinal Kasper stimmen nicht überein, wenn es um die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion geht, das versichert jedenfalls Kardinal Kasper. Geht die erstaunliche Distanzierung auf einen Ratschlag des Papstes zurück? Wie glaubwürdig oder unglaubwürdig ist die neue Kasper-Interpretation der Rolle des Papstes in Sachen Bischofssynode?
Beobachter lasen mit Interesse das Interview, das Raymond Arroyo von EWTN mit Kardinal Walter Kasper über die Bischofssynode führte, seine Forderung nach Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion und die Unterstützung, die er bei Papst Franziskus genieße. Ein Auszug der interessantesten Stellen.
Das EWTN-Interview – Kaspers Neuinterpretation
Arroyo: Sie verstehen aber, wenn ein Kirchenmann wie Sie, ein Theologe, eine international geschätzte Gestalt, ein Kardinal, ein Offizial der Kurie sagt: „Das ist mein Vorschlag und der Papst stimmt mit mir überein“, dann provoziert das manche …
Kardinal Kasper: Gut, das habe ich nicht gesagt.
Arroyo: Gut, das haben Sie gesagt und das Zitat lautet: „Natürlich ist es das, was er will, und der Papst hat meinen Vorschlag approbiert.“ Das ist das Zitat aus jener Zeit.
Kardinal Kasper: Nein, er hat meinen Vorschlag nicht approbiert. Der Papst wollte, daß ich die Frage aufwerfe, und dann hat er auf allgemeine Weise vor allen Kardinälen seine Genugtuung über meine Rede zum Ausdruck gebracht. Aber nicht den Schluß, nein … ich würde nicht sagen, daß er meinen Vorschlag approbiert hat, Nein, Nein, Nein.
Buch der Kardinäle zur Verteidigung von Ehe und Familie eine „Todsünde“?

„Das sind Worte, die irgendwie alle überrascht haben, weil sie im Widerspruch zu dem stehen, was man in den vergangenen Monaten zu verstehen gegeben hat. Augenzeugen der Treffen zu diesem Thema mit Papst Franziskus, wie jenem, das der Kreierung der jüngsten Kardinäle voranging, haben etwas ganz anderes in Erinnerung, vielmehr, das genaue Gegenteil“, so der Vatikanist Marco Tosatti zur jüngsten Kasper-Aussage.
Tosatti gibt noch mehr wieder. Bischöfe, die hinter verschlossenen Türen an der Versammlung der Italienischen Bischofskonferenz mit dem Papst teilnahmen, erinnern sich, daß Franziskus sinngemäß sagte: „Einige Kardinäle haben ein Buch herausgegeben mit der einzigen Absicht, gegen Kasper zu kämpfen, das schon ist eine Todsünde.“ Die Veröffentlichung eines Buches zur Verteidigung des Ehesakraments und der Familie soll eine Todsünde sein? Vox papae.
Keiner der Bischöfe wagte Papst Franziskus zu widersprechen. Nicht wenige verließen jedoch die Begegnung am Ende kopfschüttelnd. Ein Lehrbeispiel jedenfalls dafür, wie Gehorsam nicht verstanden werden sollte.
Einer der fünf Kardinäle, die 2014 die Verteidigungsschrift „In der Wahrheit bleiben“ verfaßten, Raymond Kardinal Burke, wurde von Papst Franziskus demonstrativ degradiert und aus der Römischen Kurie entfernt. Er, der bei der Bischofssynode im Oktober 2014 zum Sprecher der Verteidiger des Ehesakraments und der katholischen Morallehre wurde, darf nicht mehr an der Bischofssynode im Oktober 2015 teilnehmen. Kardinal Burke war der Initiator und die treibende Kraft hinter dem Buch, das Papst Franziskus dermaßen ärgert, daß er ihn in einem cholerischen Ausbruch gleich nach Ende der Synode als Dikasterienleiter absetzte und noch Monate später, ebenso cholerisch, die beteiligten Kardinäle Burke, Müller, De Paolis, Brandmüller und Caffarra der „Todsünde“ bezichtigte. Daß der argentinische Papst ein etwas verschwommenes Verständnis von Sünde und Todsünde hat, war bereits bekannt.
„Es wäre viel über diesen Satz zu diskutieren, falls er wirklich so geäußert worden sein sollte, weil das Buch, das viel von sich reden hat machen, ein Text zur Verteidigung des Lehramtes über die Familie ist und Kasper darin nicht einmal erwähnt wird. Es fällt schwer, dem ‚Dementi‘ Kaspers eine Erklärung zu geben“, so Tosatti.
Als der Sammelband „In der Wahrheit bleiben“ kurz vor Beginn der Bischofssynode 2014 erschien, unterstellte Kardinal Kasper den Autoren: „Sie wollen einen Krieg“.
Papst Franziskus verärgert, daß nicht alle deutschen Bischöfe hinter Kasper stehen – Ein Ratschlag

Vor anderthalb Monaten besuchte Kasper den Papst, um ihm Lage und Stimmung der deutschen Bischöfe zur Synode zu berichten. Dabei mußte er zugeben, daß nicht alle Bischöfe mit ihm und der Deutschen Bischofskonferenz übereinstimmen. Papst Franziskus sei darüber etwas verärgert gewesen und habe Vorsicht empfohlen. „Es kann sein, daß das ein Ergebnis dieses Rates ist: nicht den Papst in direkten Zusammenhang mit einem Vorschlag bringen, der auf der Synode im kommenden Oktober mit Sicherheit auf eine starke und entschlossene Opposition stoßen wird. Und es keineswegs sicher ist, daß er durchgeht“, so Tosatti.
Die Bestrafung von Kardinal Burke, dem Kopf des Widerstandes, sollte abschreckende Wirkung haben. Doch die Verteidiger von Ehe und Familie ließen sich nicht einschüchtern. Im vergangenen Januar betonte Kardinal Gerhard Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, daß auch der Papst nicht über dem Wort Gottes und dem katholischen Glauben steht. Eine Aussage, die er seither abgewandelt mehrfach wiederholte. In die Richtung von Kardinal Reinhard Marx und der Deutschen Bischofskonferenz, aber unausgesprochen auch in Richtung Papst Franziskus sagte Kardinal Müller im März: „Das ist absolut antikatholisch“. Im April wurde Kardinal Walter Brandmüller noch deutlicher: „Wer das Dogma ändern will, ist ein Häretiker – auch wenn er Purpur trägt“.
Die damit einhergehende plötzliche päpstliche Zurückhaltung registrierte als Erster der Vatikanist Sandro Magister. Die Frage bleibt: Handelt es sich bereits um ein Rückzugsgefecht oder nur um einen Strategiewechsel?
Das EWTN-Interview von Kasper mit dem Rückzieher, was die Unterstützung durch Papst Franziskus anbelangt, ist das Gegenteil dessen, was der deutsche Kardinal seit anderthalb Jahren bei jeder Gelegenheit jeden gerne und selbstsicher spüren ließ. Laut der Analyse des Vatikanisten Marco Tosatti stünde eines jedenfalls fest, daß in Wirklichkeit weiterhin Papst Franziskus der eigentliche Regisseur der „Öffnung“ in Sachen Ehebruch, Zweitehe und Homosexualität ist. Ein Umstand, der von Kasper indirekt auch im EWTN-Interview bestätigt wird: „Der Papst wollte, daß ich die Frage aufwerfe“ und äußerte sich dann demonstrativ vor allen Kardinälen zufrieden mit der Rede des deutschen Kardinals.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Timone/Tempi