(Rom/Damaskus/Bagdad) Das Zeugnis bis zum Martyrium der verfolgten Christen in islamischen Staaten (und nicht nur dort) bringt Gläubige wie Ungläubige, Kirche wie säkularisierte Welt in Verlegenheit und das gleich aus mehreren Gründen.
Die Christenverfolgung bringt den säkularisierten Westen in Verlegenheit, weil er dessen Dauerparolen zur Dämonisierung der Kirche widerspricht. Seit der Aufklärung und der Französischen Revolution wird die Kirche als einer der beiden Hauptakteure einer perversen Allianz dargestellt, die jahrhundertelang dem Menschen die Freiheit verweigert habe. Die Kirche wird als Macht gesehen, die durch die Allianz zwischen Thron und Altar ihre materiellen und spirituellen Interessen (die christliche Moral in Gesetze gegossen) den Menschen aufgezwungen habe. Eine Kirche, die eine Allianz zur Unterdrückung der Menschheit einging, indem sie sich mit der absolutistischen politischen Macht arrangierte oder sogar identifizierte. Sie habe die Gedankenfreiheit behindert und es verhindert, daß die Menschen in ethischen Fragen selbstbestimmt entscheiden konnten. Mit der Französischen Revolution aber wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, der noch nicht abgeschlossen ist, der jede Form von Macht und Autorität über Individuen überwinden will, auch jede moralische Autorität.
Christenverfolgung erschüttert 200 Jahre alte antiklerikale Klischees
Die Realität der Christenverfolgung stellt dieses philosophische und historiographische Klischee nicht nur in Frage, sondern zertrümmert es völlig. Die Christen werden seit mehr als 200 Jahren als menschenverachtende „Verfolger“ dargestellt, gegen die jede Auflehnung legitim, ja sogar zwingend geboten und eine „moralisch“ gute, weil menschenfreundliche Tat sei. Doch nun stehen jedem „westlichen“ Menschen unauslöschlich die Bilder von verfolgten Christen vor Augen, die mit einem Schlag die antichristliche Propaganda als Zerrbild entlarven.
Die Christen heute sind keine Verfolger, sondern Verfolgte. Sie sind nicht mächtig, sondern schwach. Sie nicht Unterdrücker, sondern Unterdrückte. Sie zwingen niemandem ihre Moralordnung auf, geschweige denn einer ganzen Gesellschaft, sondern sind Opfer des Zwanges anderer. Die Christen sind nicht jene, vor denen man sich verteidigen muß. Sie sind jene, die der Verteidigung bedürfen. Sie bedingen nicht die politische Macht, sondern leiden unter der Anarchie, die in den gescheiterten Staaten des Nahen Ostens und Afrikas herrscht, oder sind direkte Opfer einer politischen Macht, die ihnen prinzipiell feindlich gesinnt ist.
Kirche im Westen: Kein Versuch, weltliche Macht von Verteidigung der verfolgten Christen zu überzeugen
Die Kirche ist in allen Staaten der westlichen Welt vertreten. Sie unternimmt aber dort nicht einmal den Versuch, die weltliche Macht von der Notwendigkeit kräftiger Initiativen zur Verteidigung der verfolgten Christen, ihrer Brüder und Schwestern zu überzeugen. Damit ist der letzte Beweis erbracht, daß sie jeglicher politischen Macht entblößt ist und auch über keine Möglichkeiten verfügt, in irgendeiner Weise entscheidenden Einfluß auf die politischen Machthaber auszuüben. Auch das widerspricht den ständig wiederholten Parolen einer antiklerikalen Propaganda, die das Märchen von mächtigen und einflußreichen Kirchen des Westens behauptet, die maßgeblichen Einfluß auf das politische Leben der Staaten hätte. Diese Propaganda ist nicht erst seit heute falsch. Sie war es auch gestern. Sie war, um genau zu sein, schon immer unehrlich, überzeichnet und interessengeleitet. Sie war letztlich immer ein mehr oder weniger gut kaschiertes Antichristentum. Dennoch fand sie immer wieder Gehör, nicht zuletzt, weil immer neue Ideologien sich ihrer bedienten. Erst die Christenverfolgung durch den Islamischen Staat (IS) ist dabei, die Zerrbilder in den Köpfen mit einem Schlag wegzufegen.
Manche weigern sich natürlich hinzusehen, nicht weil sie die Bilder der grausam gemarterten Christen erschrecken. Sie erschrecken vielmehr vor der Konsequenz, die sich daraus ergeben könnte und die ihnen schlagartig bewußt wird. Die zwangsläufige Konsequenz ist nämlich ein neues Bild des Christentums und der Christen. Dagegen sträuben sich nicht wenige, auch in der Politik, aber auch in der Kirche im Westen.
Christenverfolgung bringt auch verbürgerlichte Christen in Verlegenheit
Die Christenverfolgung bringt nämlich auch uns verbürgerlichte Christen in Verlegenheit. Sie ruft uns eine Wahrheit in Erinnerung, die wir gerne vergessen würden: Man kann nicht Christsein, ohne auf Widerspruch zu stoßen. Der Widerspruch durch die Welt, das Anecken gegen den vorherrschenden Zeitgeist gehört konstitutiv zum Christsein dazu. Das stillschweigende Ausbügeln aller Unebenheiten, die stromlinienförmige Anpassung an das jeweils vorherrschende Denken, hat nichts mit dem christlichen Anderssein zu tun, sondern ist nur ein weiteres von vielen konformistischen Lebensmodellen. Christen müssen nicht zu allen Zeiten verfolgt werden, aber sie müssen die Verfolgung immer potentiell in Rechnung stellen.
Der Christ, der denkt, seinen Glauben in Form eines permanenten ergebnisoffenen „Dialogs“ mit der Welt führen zu können, eines höflichen und respektvollen Gedankenaustausches zwischen Gläubigen und Ungläubigen, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Als Option bleiben ihm dann nur zwei Wege: der Glaubensverlust durch Aufgehen im Mainstream oder das aufrechte Bekenntnis zur Wahrheit, die kein Gedankenkonstrukt, sondern – ganz anders – eine Person ist.
Wer Christ ist, wird verfolgt werden, sonst stimmt etwas nicht
Wenn im Christ nur etwas von seinem Herrn und Meister durchschimmert, wird er auch unvermeidlich wie Er behandelt werden. Er wird kritisiert, verleumdet und schließlich ungerechterweise verurteilt werden. Wenn dem nicht so ist, sollte sich der Christ Sorgen machen, denn das könnte bedeuten, daß er, vielleicht ohne es zu merken, sich auf Kompromisse mit der Welt eingelassen hat, sich so zurechtgerückt hat, daß er für die Welt akzeptabel und integrierbar geworden ist. Wenn alle ihm applaudieren, wenn alle ihn akzeptieren, wenn alle ihn respektieren, dann stimmt mit diesem Christen etwas nicht.
Im April 2007 wurde der Türke Necati Aydin zuerst gefoltert und dann wegen seines Glaubens getötet. Er hatte sich vom Moslem zum protestantischen Christen bekehrt. Seine Witwe Semsa sagte am Grab: „Wir Frauen der ermordeten Christen von Malatya haben den Mördern unserer Männer vergeben, weil das, was geschehen ist, nichts anderes als die Erfüllung dessen ist, was im Evangelium geschrieben steht: „Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben“ (Mk 10,28–31). Als wir uns zu Christus bekehrten, wußten wir, daß wir dem entgegengingen.“
Christentum gibt es nicht „light“, sondern nur im Gesamtpaket
Die Nachfolge Christi meint eben nicht die Möglichkeit, sich nur einige „christliche Produkte“ auszuwählen und andere nicht, wie man das üblicherweise mit den Waren im Supermarkt tut. Das Christentum kann man nur als Gesamtpaket „kaufen“, das sowohl das Hundertfache des bisherigen Lebens als auch die Verfolgung miteinschließt und dann das ewige Leben.
Historisch und theoretisch ist ein Christentum, das nur aus dem Handreichen besteht, ohne sich zu widersetzen weder möglich, noch hat es jemals ein solches Christentum gegeben. Indem der Christ gibt, widersetzt er sich zugleich der Welt. Position und Opposition sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Aus diesem Grund wird der Christ von der Welt verfolgt. Opposition meint, wie die Heiligen lehren, mit vollem Bewußtsein, mit Klugheit und Zuneigung und aus ganzer Freiheit zu versuchen, den zu verändern und zur Umkehr zu führen, dem man gegenübersteht. Aus diesem Grund wird die Freiheit von der Macht verachtet, ja gehaßt. Genau das geschieht im Westen auf eine tragische und menschlich verderblichere Weise als dies unter Lenin und Stalin in Rußland geschehen ist.
Die Botschaft der verfolgten Christen an die Welt heute
Die Botschaft der verfolgten Christen an die Welt heute besagt, daß das Leben für einen Anderen ist, der Sinn des Lebens ein Anderer ist, eine Person, ein Er, Jesus Christus. Wenn man den Glauben aufgibt, auf den Glauben verzichtet, verzichtet man auch auf den Sinn des Lebens.
Aus diesem Grund ist es notwendig, Opfer für die Wahrheit zu bringen, wenn nötig auch bis zum Martyrium. Im Mittelpunkt des Lebens steht nicht meine persönliche Suche nach Anerkennung, Befriedigung, Freuden, Macht, Karriere, sozialem Status, einem schnellen Sportwagen und einem dicken Bankkonto. Im Mittelpunkt steht meine Bereitschaft, auf den Ruf Gottes zu antworten, steht mein Bezogensein auf einen Anderen, meine Abhängigkeit von einem Anderen, da mein Leben nicht eine Bestätigung meiner selbst ist, sondern Bestätigung eines Anderen.
Der Mensch sucht das Glück, aber ihm ist nicht klar, daß er es nicht einfach so findet, wie man irgendeinen Gegenstand findet, den man sucht. Er kann es nur in der Beziehung zu dem finden, der am Ursprung seines Lebens steht. Viktor Frankl meinte einmal, dem Glück könne man nicht einfach so nachjagen und wenn man das ausreichend tue, werde man es auch finden. Glück geschehe einfach als Nebeneffekt zu einer persönliche Hingabe für eine Sache, die größer ist als man selbst oder als Ergebnis der Hingabe an eine Person, die man nicht selbst ist. Ein Christ weiß, wer die von Frankl genannte Person ist, der die Hingabe gilt und ebenso die Sache, die größer ist, als man selbst. Das Zeugnis der verfolgten Christen widerlegt den individualistischen Egoismus der vorherrschenden laizistischen Kultur. Es wiederlegt auch die Reduzierung des Christentums auf ein Gefühl des persönlichen Wohlfühlens.
Martyrium der Christen sollte in den Mittelpunkt des kirchlichen Lebens gestellt werden
Wenn all das Teil der Verfolgung und des Martyriums der Christen ist, dann aber sollte es in den Mittelpunkt im Leben der Kirche gestellt werden. Dann sollte es nicht in irgendeinen Winkel verbannt werden, wie es derzeit geschieht, und bestenfalls zu kurzen Gedenkmomenten hervorgeholt werden, um dann schnell wieder aus den Augen entsorgt zu werden, aus Angst, man könnte etwas am bequemen Wellness-Christentum ändern müssen.
Papst Franziskus spricht von den Rändern, und meint dabei zudem anderes. Das Zeugnis der verfolgten Christen sollte jedoch von den Rändern in die Mitte der christlichen Pädagogik gerückt werden.
Dafür sprechen vor allem zwei Gründe. Der erste Grund betrifft die Natur des Zeugnisses. Sie ist nicht bloßes Zeugnis, sondern Heilswirken. Die christlichen Märtyrer sind Christus am Kreuz heute. Ihr Opfer ist ein bewußtes Opfer, nicht ein Betriebsunfall. Damit haben sie Anteil an der Erlösung der Welt und der Menschheit. Bevor wir uns also fragen, was können wir für sie tun, wie können wir ihnen helfen, sollten wir uns bewußt werden, was sie für uns tun, was sie für die Menschheit tun, ganz unabhängig davon, daß auch das den einen in der Welt ein Torheit und den anderen ein Ärgernis ist.
Der zweite Grund ist ihr Zeugnis, ein starker Ruf zur Bekehrung. Sie ermahnen uns, das Zeugnis für die Wahrheit an die erste Stelle zu rücken, bereit zu sein, unser Leben für Christus zu geben, so wie sie das ihre geben. Sie ermahnen uns, für die Gerechtigkeit einzutreten, weil unsere Brüder und Schwestern wegen der Ungerechtigkeit leiden.
Wir werden durch die Märtyrer gerufen, für die Gerechtigkeit einzutreten, das heißt, vor allem für den Respekt für die Heiligkeit des Lebens und die Menschenwürde. Diesbezüglich gibt es auch im Westen mehr als genug zu tun. Die Märtyrer rufen uns, unser Leben zu ändern, die Prioritäten in unserem Leben zu überprüfen und Gott und die Brüder vor alles und alle zu stellen, auch vor uns selbst.
Was kann und sollte konkret getan werden?
Was kann das konkret für unser persönlich, aber auch für unsere Pfarreien und Gemeinschaften bedeuten? Wie können wir das Zeugnis der Märtyrer und der verfolgten Christen in den Mittelpunkt der Katechese, der Pädagogik, der Gemeinschaft, der Seelsorge stellen? Alles beginnt mit einer Begegnung, auf die andere Begegnungen folgen: 1.) den Märtyrern begegnen, direkt oder indirekt durch Zeugen der Zeugen; 2.) ihr Heilswirken im christlichen Sinn des Wortes betrachten; 3.) das Gedächtnis der Lebenden und der Toten pflegen, denn die Heilsgemeinschaft geht über das irdische Leben hinaus und umschließt Himmel und Erde; 4.) sie zu einem Teil unserer Familie werden lassen, in ihnen wirklich unsere Brüder und Schwestern in Christus erkennen. Wenn sie uns nämlich vertraut geworden sind, wird es uns auch leichter fallen, auf den Ruf Gottes zu antworten, nicht nur im Zusammenhang mit den verfolgten Christen, nicht nur im Zusammenhang mit einem Einsatz in Liebe und für die Gerechtigkeit, sondern in allen Situationen des täglichen Lebens.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi/MiL
Der übergroße Teil der Christen schaut sichtlich verschämt weg angesichts des brutalen Vorgehens gegen Christen in islamisch dominierten Staaten oder auch anderswo: China, Indien, Nordkorea, selbst bei uns. Der Kampf gegen die hl. Messe und die Lehren der Kirche ist ja auch so was.
Wann hört man mal Fürbitten für die verfolgten und bedrängten Brüder und Schwestern- und wann mal eine Predigt darüber?!
Denn im Weltbild der „guten“ Christen unserer Hemisphäre kann und darf es solches nicht geben. Man spricht auch kaum darüber. Auch die Priester machen einen großen Bogen. Sie möchten darüber auch nicht angesprochen werden.
Bei den erwähnten Christen ist die Kreuzigung des Herrn ja so weit weg und wird so nicht wirklich bedacht. Man hat sich nämlich gemütlich in der schönen heilen Welt des Geldes und Wohlstandes eingerichtet. Weiterhin gehts um die Legitimierung von Unzucht und Ehebruch und anderen Blödsinn.
Tatsache ist, daß ein moslemisch-alawitischer Präsident von Syrien mehr für den Schutz der Christen macht und getan hat als die gesamte europäische Christenheit zusammen.
Es ist leider wahr, der Westen ist nicht bereit den verfolgten Christen im nahen Osten beizustehen,
weder finanziell noch materiell. Das Bomben werfen der sogenannten westlichen Allianz dient nicht
der Parteinahme für die Christen und Verfolgten, sondern ausschließlich wirtschaftlicher Interessen.
Es ist ein Trauerspiel, dass hier die Kirche, besonders der Papst nicht genügend die Stimme erhebt
und den Staatsmännern ins Gewissen redet. Auch wirtschaftlich könnte die Kirche insgesamt mehr
tun, besonders die deutsche Kirche. Statt Millionenbeträge in die Umgestaltung, bzw. Verschande-
lung von Kirchen zu stecken, könnten hier wahre Wohltaten vollbracht werden. Das wäre das Min-
deste das außer der politischen Unterstützung vom Westen, besonders von den Christen erbracht
werden müsste.