
(Rom) In seiner Weihnachtsbotschaft 2014 an die Römische Kurie stieß Papst Franziskus durch eine Auflistung von 15 „Krankheiten“, seine engsten Mitarbeiter vor den Kopf. Nun wird ein ranghoher Kurienmitarbeiter mit den Worten zitiert: „Wenn damals einer den Mut gehabt hätte, von seinem Stuhl aufzustehen und die Sala Clementina zu verlassen, dann – so denke ich – wären wir alle gegangen, von links bis rechts, Alte und Junge“. Ein vernichtendes Urteil über die Vorgangsweise des amtierenden Papstes. Das ist nur ein Urteil von vielen, die der Schweizer Vatikanist Giuseppe Rusconi sammelte. Deren Veröffentlichung war nun wie ein Stich ins Wespennest.
„Am Montag, als die Kardinäle und Bischöfe zur Eröffnung der Frühjahrsvollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz mit Papst Franziskus in den Vatikan strömten, geschah etwas Ungewöhnliches“, so der Vatikanist Sandro Magister. Ungewöhnlich war, daß die wartenden Journalisten sich nicht auf den Vorsitzenden oder neuerdings vor allem auf den Generalsekretär der Bischofskonferenz stürzten, sondern auf Kardinalvikar Agostino Vallini, der im Auftrag des Papstes die Diözese Rom leitet. Kardinal Vallini „war sichtlich überrascht“ über das für ihn ungewohnte Gedränge rund um seine Person.
Der Grund für das große Medieninteresse war ein erstaunliches Interview des Kardinals, das in der Sonntags-Ausgabe der Tageszeitung Avvenire erschienen war, „ganz im Gegensatz zu seiner üblichen Zurückhaltung“, so Magister.
„Keine Feinde. Papst Franziskus ist nicht isoliert. Die ganze Kirche mag ihn“
Im Interview kam der Kardinalvikar gleich auf den Punkt. Der Titel lautete: „Keine Feinde. Medienberichte falsch. Papst Franziskus ist nicht isoliert. Die ganze Kirche mag ihn.“
„Was war geschehen, um den übervorsichtigen Vallini zu veranlassen, so energisch den Papst zu verteidigen, dessen Vikar er ist?“, fragte Sandro Magister.
Bereits am Beginn des Interviews sagt der Kardinal: „Ich schließe nicht aus, daß einige Aussagen von manchem Kardinal oder anderem Kirchenvertreter sich für eine falsche Gesamtinterpretation des kirchlichen Lebens eignet. Daher wäre es besser, zurückhaltender zu sein. Doch daraus auf einen Kampf zwischen dem Papst und der Kurie zu schließen, ist überzogen. Ich bin Mitglied verschiedener Einrichtungen der Kurie und nehme regelmäßig an vertraulichen Begegnungen und Sitzungen teil, habe aber nie Urteile oder Meinungen gehört, wie sie manche Zeitung zuschreiben möchte.“
„Ciceros“ Stich ins Wespennest
„In der Tat nicht ‚irgendeine Zeitung‘, sondern eine bestimmte, die einige Tage zuvor durch einen Stich ins Wespennest in- und außerhalb der Kurie einen wilden Wespenschwarm aufgescheut hatte: die deutsche Monatszeitschrift ‚Cicero‘ mit Papst Franziskus auf der Titelseite und der Überschrift: ‚Der Kampf um Rom‘“, so Magister.
Autor des Berichts ist der „untadelige“ (Magister) Schweizer Journalist Giuseppe Rusconi, der über eine reiche römische Erfahrung als Vatikanist verfügt. Rusconi veröffentlichte eine Reihe von Wertungen über den regierenden Papst aus dem Mund von Kardinälen und führenden Kurienvertretern unter der minutiös eingehaltenen Auflage, im Gegenzug für die Offenheit der Urteile keine Namen preiszugeben.
Während „Cicero“ Rusconis Dossier in „freier Übersetzung“ als Titelgeschichte veröffentlichte, publizierte der aus dem Kanton Tessin stammende Vatikanist das italienische Original auf seinem Blog, was die Verbreitung in Rom schlagartig erhöhte.
„Il Sismografo“, Presseschau des Staatssekretariats

Dann allerdings geschah etwas Ungewöhnliches. Rusconis italienische Fassung sollte wenige Stunden später internationale Verbreitung erfahren und das ausgerechnet durch die Internetseite Il Sismografo, einer Presseschau mit Artikeln über Kirche und Papst in unterschiedlichen Sprachen. Das Besondere daran: Die Internetseite untersteht dem Staatssekretariat des Vatikans.
„Kein hoher Amtsträger der Kurie bezweifelt auch nur im geringsten, daß die von Rusconi unter Anführungszeichen berichteten Urteile nicht echt sein könnten“, so Magister. Auch nicht folgende Aussage, mit der Rusconi seinen Bericht beginnt: „Franziskus bleibt mit seinem Herzen und Denken Erzbischof von Buenos Aires. Das wäre alles in Ordnung … wenn er nicht seit zwei Jahren Bischof von Rom und damit Papst der Weltkirche wäre.“
Für die italienischen Bischöfe und Kardinäle stand jedoch drohend die jährliche Vollversammlung der Bischofskonferenz bevor, die der Papst selbst eröffnen wollte, denn seinen persönlichen Stil und seine Schelten hatten sie bereits bei anderer Gelegenheit kennengelernt. „Es war daher eine verständliche Sicherheitsvorkehrung, vor der Vollversammlung das eigene Haus in Ordnung zu bringen durch eine präventive und ausdrückliche Distanzierung von jeglicher Kritik am derzeitigen Papst und einer expliziten Treuebekundung“, so Magister.
Vallini-Interview: Mission erfüllt – oder nicht ganz
Jemand scheint jedoch der Meinung gewesen zu sein, daß Vallinis Interview noch nicht ausreichend sein könnte. Wenige Stunden vor Beginn der Vollversammlung der Bischofskonferenz „tat der Servizio Informazione Religioso (SIR), der Pressedienst der Italienischen Bischofskonferenz das Möglichste“, so Magister, auch den argentinischen Erzbischof, Theologen und Ghostwriter des Papstes, Msgr. Victor Manuel Fernández zu rehabilitieren. Fernández liegt zwar Papst Franziskus ganz besonders „am Herzen“ (Magister), ist ansonsten aber allgemein in Mißkredit geraten und das sowohl an der Römischen Kurie als auch außerhalb. Grund dafür ist nicht erst sein Corriere della Sera-Interview vom 10. Mai (siehe Die versenkte Öko-Enzyklika – Papst Franziskus und seine „Baustellen“).
Auch der Osservatore Romano bemüht sich in seiner heutigen Online-Ausgabe (die Druckversion erscheint morgen), den Papst-Vertrauten in ein gutes Licht zu rücken.
Post Scriptum: Auch Magisters kritischer Artikel über Erzbischof Fernández wurde prompt von Il Sismografo übernommen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Cicero/Rossoporpora/Il Sismografo
Ich werde sofort diese Ausgabe von Cicero besorgen.
Daß kritische Artikel erscheinen, ist nichts besonderes;
Daß diese Artikel Anklang finden und breit gelesen werden, ist in Zeiten von modernen Informationsmedien und von Netzwerken auch nicht überraschend;
Daß jedoch dieser kritische Artikel sofort auf „Il sismografo“, dem Blog des Staatssekretariats des Vatikans, erscheint und dann sofort zu Reparierungserklärungen des Kardinalvikars führt, ist etwas ganz besonderes.
Und daß plötzlich Erzbischof Victor Manuel Fernandez mit seinen früheren Büchern (Ich denke hier an „Saname con tu boca. El arte de besar“: ein Buch über die „Filematologie“, die „Kußkunde“ (Originaltitel: „Heile mich mit deinem Mund. Die Kunst des Küssens“);
(Offensichtlich gibt es in jenen Regionen kein Herpes und keine Lues)) breit besprochen wird auf „Il sismografo“ ist auch sehr merkwürdig.
Tibi Christe splendor Patris
Schwer verständlich ist der Text leider. Cicero gehört im Übrigen nicht zu meinen bevorzugten Quellen. Man kennt den Standort nicht.
Schreit der Hahn heut aufm Mist, ändert sich’s Wetter oder s’bleibt wie es ist!
Diese brodelnde Gerüchteküche! Was wissen wir denn jetzt an Faktischem mehr als vorher?
Richtig: nichts!
Das ist Kathol-Regenbogenpresse.
Wer hätte auch vermutet, dass es im vatikanischen Apparat anders zugeht als sonst utner Menschen: meinungsverschiedenheiten, der eine redet dies, der andere meint jenes, manche handeln nach der Devise „Was sollen denn die Leute denken!“, manche aber nach dem „Mir reicht’s – ich geh jetzt an die Öffentlichkeit!“
Und so schrieben sie ewig weiter, huete dies und morgnd das Gegenteil.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann gerüchteln sie noch heute…
Das Konterfei ist sehr gelungen. Künstlerisch und menschlich.
Als bekränzter Imperator Caesar Augustus trägt er Purpur und hat das päpstliche Weiß abgelegt?