
(New York) Ein lesbisches Paar verklagte eine Gesellschaft, die Samenbanken betreibt, weil der Mann, dessen Sperma sie gekauft haben, „nicht der war, der er behauptete“. Der neue Markt des Menschenhandels unterliegt keiner Kontrolle.
Studienabschluß in Neurowissenschaften, Intelligenzquotient 160, „reif“, wunderschön und eine „beeindruckend“ blütenreine Gesundheit. So pries die amerikanische Samenbank Atlanta sperm bank den „Spender“ 9623 Angela Collins und Margaret Elizabeth Hanson an. Und das lesbische Paar fuhr sofort auf den Superman ab. Alle Vorzüge, aber Hauptsache nicht auf Tuchfühlung.
Der Kauf und die „Entdeckung“
Die beiden Lesben, begeistert von der Vorstellung, was für ein Superkind sie mit diesen genetischen Zutaten künstlich zeugen lassen würden, griffen zu und kauften das Sperma des „Spenders“ 9623. Das war vor sieben Jahren. In einer Klinik für künstliche Befruchtung wurde in vitro ein Kind „gezeugt“ und von einer der beiden ausgetragen.
Im vergangenen Juni stießen sie beim Aufräumen zufällig auf eine E‑Mail der Samenbank, in der aus Versehen der vollständige Namen des anonymen „Spenders“ 9623 aufschien. Neugierig geworden, versuchten sie etwas über den Vater des Kindes in Erfahrung zu bringen, dessen Sperma sie gekauft hatten. Was sie herausfanden, hat ihr Leben grundlegend verändert. „Spender“ 9623 besitzt keinen akademischen Studienabschluß, ist dafür aber schizophren, vorbestraft wegen eines Raubes und alles andere als schön. Das Bild das ihnen vom Samenbank-Unternehmen gezeigt wurde, war manipuliert.
30facher Vater
Das ist der Grund, weshalb die beiden Lesben, die in Kanada leben, am vergangenen 31. März Anzeige gegen die Xytex Corp. erstattet haben. Der Mann, so heißt es in der Anzeige, sei zudem bereits Vater von mehr als 30 weiteren Kindern. Der lukrative Kindermarkt der künstlichen Befruchtung ist kaum gesetzlich geregelt. Die 30 Kinder liegen jedenfalls im Rahmen dessen, was in den USA erlaubt ist. Das Sperma desselben Samenspenders darf in bis zu 60 Fällen eingesetzt werden. Mit anderen Worten, bis zu 60 Frauen dürfen mit dem Sperma ein und desselben Spenders befruchtet werden.
Wie Associated Press (AP) berichtete, wollte keine beteiligte Seite bisher öffentlich eine Stellungnahme abgeben.
In den USA müssen Samenspender immerhin gesetzlich verpflichtete Untersuchungen durchführen, um Infektionskrankheiten ausschließen zu können. Wie aus den Xytex-Mitteilungen an Angela Collins und Margaret Elizabeth Hanson hervorgeht, macht das Unternehmen Kunden ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Angaben des Spenders vom Unternehmen „nicht überprüft werden“. Xytex gehört zu den ganz Großen im Geschäft mit der künstlichen Befruchtung. Doch wie gesagt, alles was das Geschäft anbelangt, ist der Markt kaum gesetzlichen Auflagen und Kontrollen unterworfen.
Das lesbische Paar pocht über seinen Anwalt auf unzureichende Transparenz und Klarheit in diesem Punkt: „Sie haben uns nicht gesagt: ‘Das ist das, was er behauptet zu sein‘“.
Nicht zu wenig, sondern zuviel Information
Die beiden Frauen dachten wahrscheinlich, daß ein großes Unternehmen wie Xytex den Wahrheitsgehalt der Aussagen überprüfen würde. Mehr noch. Wie sie heute sagen, dachten sie, daß Xytex von den „Spendern“ mindestens eine Krankheitsgeschichte über drei Generationen fordert. Aber so genau scheinen sie damals nicht nachgefragt zu haben, als sie ihren „Kinderwunsch“ erfüllen wollten. Meist auf ‚Teufel komm raus‘.
Wie aber Rene Almelin (Yale University) und Andrea Mechanick Braverman (Thomas Jefferson University), zwei von AP zitierte amerikanische Wissenschaftler, die sich mit dem Bereich „reproduktive Medizin“ befassen, sagen, „gibt es keinen Bluttest für Geisteskrankheiten“ wie Schizophrenie. Abgesehen davon, fragen die beiden Wissenschaftler, selbst wenn es ihn gäbe, was würde er nützen? „Die den Klienten gelieferten Informationen sind in jedem Fall weit mehr, als jeder normale durchschnittliche Mensch über den eigenen Partner verfügt, bevor er mit diesem ein Kind zeugt. Wieviel Menschen kennen denn die Krankengeschichte der Familie ihrer Braut oder ihres Bräutigams bis in die dritte Generation zurück?“
Die Regeln des Marktes
Das Kind des Lesbenpaars und des „Spenders“ 9623 ist inzwischen sieben Jahre alt. Die Frauen lassen es „konstant überwachen“ um sicherzugehen, daß es nicht schizophren wird. Das kostet etwas. Die beiden Frauen wollen dafür entschädigt werden und fordern zudem „bessere Regeln“.
Doch wenn man etwas kauft und einen Vertrag unterschreibt, sei es, daß es sich um irgendeinen Gegenstand handelt, oder eben um ein bißchen Sperma oder eben ein Kind, besteht immer die Gefahr, reingelegt zu werden. Auch kein Gentest hätte den „Spender“ 9623 „enttarnt“ und offengelegt, daß er über keinen Hochschulabschluß verfügt und sein Intelligenzquotient nicht den gewünschten Wert 160 erreicht. Die Frauen ließen sich vom Markt blenden, weil der Markt ihnen versprach, was sie haben wollten. Der Markt, das gilt für jeden Alltagseinkauf, birgt die Gefahr, daß man betrogen wird.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi
Schizophrener Samenspender.
Ja, liebe Lesben, nun ist das passiert, vor dem alle warnen. Der Samenspender hat nicht dem entsprochen, was sie sich so vorgestellt und geschmäcklerisch arrangiert hatten. Aber nein, sie wussten es ja besser. Vielleicht denken sie wenigstens jetzt darüber nach, wer von den Beteiligten vielleicht sonst noch schizophren und zugleich extrem egoistisch und selbstgefällig ist.