(New York) In den USA ist eine bezahlte Anzeige zu einem landesweiten Thema geworden. Am vergangenen 16. April erschien auf einer ganzen Seite der Tageszeitung San Francisco Chronicle eine Anzeige mit einem Aufruf an Papst Franziskus, Erzbischof Salvatore Cordileone von San Francisco seines Amtes zu entheben und aus der Stadt zu jagen. Eine ungewöhnliche Initiative, die Katholiken im deutschen Sprachraum jedoch ziemlich vertraut vorkommt.
Der Vorwurf der finanzkräftigen Unterzeichner des Appells? Der Erzbischof widerspreche dem päpstlichen Postulat „Wer bin ich, um zu urteilen?“. Anlaß sind Richtlinien des Erzbischofs vom vergangenen 4. Februar an die katholischen Schulen seines Erzbistums, mit denen er die katholische Ehe- und Morallehre in Erinnerung rief und die Schulen aufforderte, deren Vermittlung an die Schüler sicherzustellen (siehe Bericht Aufstand gegen Erzbischof: „Wer bist du, um zu urteilen?“).
Vowurf: Erzbischof verstoße gegen Postulat „Wer bin ich, um zu urteilen?“
Die Homo-Lobby in- und außerhalb der Katholischen Kirche fühlt sich vom Erzbischof herausgefordert, der es wagte, auch an die katholische Lehre in Sachen Homosexualität zu erinnern. Konkret forderte der Erzbischof dazu auf, daß sich das Schulpersonal, einschließlich der Lehrerschaft, in Wort und Tat an die katholische Lehre zu halten hätte.
„Zu intolerant“ sei der Erzbischof und müsse deshalb seines Amtes enthoben werden, meinen rund hundert Unterzeichner des Appells, die sich selbst als Katholiken bezeichnen, oder, um genau zu sein, als „engagierte, vom Zweiten Vaticanum inspirierte Katholiken“.
Unter den Unterzeichnern finden sich Brian Cahill, ehemaliger Direktor der Catholic Charities von San Francisco und „zahlreiche reiche Gönner“, so der Vatikanist Sandro Magister. Zu nennen wären auch Charles Geschke, der Vorsitzende von Adobe Systems und ehemaliger Vorsitzender des Verwaltungsrats der University of San Francisco. Den Amerikanern sagt zudem Tom Brady sen. etwas, der Vater von Tom Brady jun., einem Quarterback der New England Patriots, die in der National Football League spielen.
Progressive Katholiken im Bündnis mit großen Medien
Der San Francisco Chronicle, die größte Tageszeitung Nordkaliforniens, die den Appell als bezahlte Anzeige veröffentlichte, stellte die Unterzeichner als „prominente Katholiken“ vor. Sie gehört der Hearst-Gruppe, zu der auch die Internetplattform San Francisco Gate zählt.
Um der Veröffentlichung noch größere Bedeutung zu geben, startete das San Francisco Gate eine Umfrage mit vier vorformulierten Antwortmöglichkeiten – zwei für und zwei gegen Erzbischof Cordileone – auf die Frage: „Soll Papst Franziskus Erzbischof Cordileone aus der Erzdiözese San Francisco entfernen?“
Doch der Schuß ging nach hinten los. Die Umfrage ergab, daß die weitaus größte Mehrheit der Bürger sich nicht mit den Unterzeichnern des Aufrufs identifiziert, sondern mit Erzbischof Cordileone solidarisiert.
Die Umfrage, die Cordileone stürzen sollte, in Wirklichkeit aber stärkt
Am Abend des 20. April lauteten die Antworten auf die Frage: „Soll Papst Franziskus Erzbischof Cordileone aus der Erzdiözese San Francisco entfernen?“
76 Prozent: „Nein, der Erzbischof vertritt die Werte der katholischen Kirche“;
12 Prozent: „Ja, der Erzbischof schürt ein Klima der Intoleranz“;
10 Prozent: „Nein, der Erzbischof hat recht, sich der gleichgeschlechtlichen Ehe zu widersetzen“;
2 Prozent: „Ja, sein Moralkodex für die Lehrer der katholischen Schulen widerspricht dem Gesetz“.
„Liberale“ Katholiken auch in „liberalster“ Stadt der USA nur kleine Minderheit
„Die Unterzeichner des Appells mögen ‚prominent Catholics‘ sein, doch sind sie weder am Puls der Gläubigen noch verfügen sie über großen Anhang, und das nicht einmal in der Stadt der USA, die von den Medien als die ‚liberalste‘ geschildert wird“, so Sandro Magister. „Und was Papst Franziskus anbelangt: Daß er Erzbischof Cordileone aus seinem Amt entfernt, ist einfach undenkbar“.
Die Personalpolitik von Papst Franziskus für die USA ist seit der Entmachtung und schließlich Entfernung von Kardinal Raymond Burke aus der Römischen Kurie weitgehend undurchsichtig, weist aber eine stark progressistische Schlagseite auf, in offener Gegentendenz zum amerikanischen Episkopat.
Die bisher wichtigste Ernennung betraf die Nachfolge von Kardinal Francis George als Erzbischof von Chicago. Für diesen Bischofssitz, der zu den bedeutendsten der USA zählt, ernannte Franziskus mit Bischof Blase Cupich einen progressiven Außenseiter.
Bischofsernennungen durch Papst Franziskus mit progressiver Schlagseite
Am vergangenen 3. März ernannte Franziskus mit Robert McElroy einen weiteren Progressisten zum Bischof von San Diego. McElroy ist Priester der Erzdiözese San Francisco, wo er persönlicher Sekretär des ultraprogressiven Alterzbischofs John Raphael Quinn war. Quinn war noch von Papst Paul VI. in das Amt gehoben worden. 1995 kam es mit dessen Emeritierung zu einer Wende im Erzbistum. Johannes Paul II. ersetzte ihn durch William Levada, den späteren Präfekten der Glaubenskongregation. Ihm folgte George Hugh Niederauer und 2012 schließlich Salvatore Cordileone.
Cordileone war von 2002–2009 Weihbischof von San Diego, jener südkalifornischen Diözese an der Grenze zu Mexiko, die der Papst nun McElroy überantwortete. Erzbischof Cordileone, ein kluger Mann mit einer klaren Sprache und Entschlossenheit, ist seit seiner Amtseinführung in San Francisco zur Zielscheibe wilder Angriffe geworden. Sie kommen sowohl von innerhalb als auch von außerhalb der Katholischen Kirche. Ein Grund ist, daß der Erzbischof der Tradition freundlich gesinnt ist und selbst bereits im überlieferten Ritus zelebrierte. Wie bereits die Vergangenheit zeigte, schrecken Cordileones Gegner kaum vor etwas zurück, um den Erzbischof zu diskreditieren und aus dem Amt zu drängen.
Der jüngste Versuch wurde allerdings zu einem Schuß, der nach hinten losging.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: TLDM/Settimo Cielo