50 Jahre erste Messe in der Volkssprache – „Angst vor Reaktion der Konservativen“


1965 zelebrierte Paul VI. in der Pfarrei Ognissanti erstmals die Heilige Messe nach dem Missale jenes Jahres zum Teil in der Volkssprache
1965 zele­brier­te Paul VI. in der Pfar­rei Ognis­san­ti erst­mals die Hei­li­ge Mes­se nach dem Mis­sa­le jenes Jah­res zum Teil in der Volkssprache

(Rom) Am kom­men­den Sams­tag jährt sich zum 50. Mal die Zele­bra­ti­on der ersten Hei­li­gen Mes­se durch Papst Paul VI. nach dem Mis­sa­le von 1965. Papst Fran­zis­kus will an die­ses Ereig­nis mit einem Besuch und einer Hei­li­gen Mes­se in jener römi­schen Pfar­rei erin­nern, in der Paul VI. am sel­ben Tag vor 50 Jah­ren zele­brier­te (sie­he Bericht Vor 50 Jah­ren zele­brier­te Paul VI. erste Mes­se in der Volks­spra­che). Ein mini­ma­li­sti­sches Pro­gramm und die Orga­ni­sa­ti­on fal­len aus dem Rah­men. Begrün­det wird dies hin­ter den Mau­ern des Vati­kans mit der Sor­ge vor „Reak­tio­nen der Konservativen“. 

Offizielle Darstellung

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Die ita­lie­ni­schen Nach­rich­ten­agen­tur ANSA ver­öf­fent­lich­te einen kur­zen Vor­be­richt zum Ereignis.

„Am Sams­tag, 7. März 2015 um 18 Uhr wird Papst Fran­zis­kus die Mes­se in der römi­schen Pfar­rei Ognis­san­ti zele­brie­ren. Der Papst wird auf die­se Wei­se in der­sel­ben Kir­che und genau 50 Jah­re spä­ter an die Mes­se erin­nern, die Papst Paul VI. zum ersten Mal auf ita­lie­nisch zele­brier­te gemäß den erneu­er­ten lit­ur­gi­schen Nor­men, die vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil fest­ge­legt wur­den. Der Besuch fällt mit dem 75. Todes­tag des hei­li­gen Lui­gi Orio­ne zusam­men, wie der Gene­ral­obe­re des Werks der Gött­li­chen Vor­se­hung, Don Fla­vio Pelo­so erinnert.“

Soweit die offi­zi­el­le Nach­richt zur Gedenk­fei­er des Pap­stes, die an ein Ereig­nis erin­nert, das nur die erste Etap­pe wei­te­rer, viel radi­ka­le­rer Refor­men war. Für das Mis­sa­le von 1965 ist die Beru­fung auf das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil durch­aus zutref­fend. Glei­ches gilt aber nicht für die fol­gen­de Etap­pen, die zur Lit­ur­gie­re­form von 1969/​1970 führ­ten, die weit über die Vor­ga­ben des Kon­zils hin­aus­gin­gen und in den Kon­zils­do­ku­men­ten weder eine Rück­bin­dung noch eine Recht­fer­ti­gung haben.

Das Programm

Die Lit­ur­gie­re­form stellt das ein­schnei­dend­ste Ereig­nis der jün­ge­ren Kir­chen­ge­schich­te dar. Des­halb erstaunt die Art und Wei­se, mit der der Hei­li­ge Stuhl dar­an erin­nern will. Das Mis­sa­le von 1965 war nur eine kurz­le­bi­ge Etap­pe, die außer der Volks­spra­che mit der eigent­li­chen Lit­ur­gie­re­form wenig gemein­sam hat. Wozu also das Geden­ken, wenn in vier Jah­ren nicht des Schmiedls, son­dern des Schmieds gedacht wer­den kann, näm­lich der eigent­li­chen Lit­ur­gie­re­form von 1969? Soll durch die Zwi­schen­etap­pe und unschar­fe Dar­stel­lun­gen der Ein­druck erweckt wer­den, die Lit­ur­gie­re­form sei durch das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil gedeckt?

Einer­seits läßt Papst Fran­zis­kus durch sei­ne Zele­bra­ti­on am sel­ben Ort und sel­ben Tag dem Geden­ken die höch­ste Auf­merk­sam­keit zukom­men, ande­rer­seits soll es sich um einen Blitz­be­such han­deln. Die für den Besuch des Pap­stes ver­an­schlag­te Zeit ist „extrem kurz“ so Chie­sa e post­con­ci­lio: Die Zeit für die Zele­bra­ti­on, gefolgt von einem schnel­len Gruß an die Gemein­schaft vom Orden der Söh­ne der gött­li­chen Vor­se­hung von Don Orio­ne, die die Pfar­rei betreut, ein kur­zer Halt im Gar­ten der dazu­ge­hö­ren­den Schu­le. Der Besuch wird vom Staats­se­kre­ta­ri­at orga­ni­siert und nicht vom Prä­fek­ten des Päpst­li­chen Hau­ses, wie es üblich wäre.

Die inoffizielle Darstellung

„Der Grund dafür fin­det sich natür­lich nicht in den offi­zi­el­len Doku­men­ten, dafür hört man ihn auf allen Kor­ri­do­ren in den Büros des Hei­li­gen Stuhls: Man hat Angst vor Reak­tio­nen der ‚Kon­ser­va­ti­ven‘“, so der gut infor­mier­te, tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne römi­sche Blog Chie­sa e post­con­ci­lio.

Chie­sa e post­con­ci­lio fin­det die vati­ka­ni­sche Sor­ge vor „kon­ser­va­ti­ven“ Aktio­nen amü­sant, denn „in den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren habe es kei­ne Pro­test­ak­tio­nen tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ner Katho­li­ken, nicht ‚Kon­ser­va­ti­ver‘, gegen das Mis­sa­le von 1965 und auch nicht gegen den Novus Ordo Mis­sae von 1969 gege­ben.“ Hin­ge­wie­sen wur­de und wer­de aber auf die dimi­nu­tio des Novus Ordo.

Chie­sa e post­con­ci­lio schreibt dazu: „Mehr als ‚Reak­tio­nen‘ der ‚Kon­ser­va­ti­ven‘ wer­den die Grün­de der ‚Kon­ser­va­ti­ven‘ gefürch­tet. Der Pro­be­lauf des Novus Ordo erfolg­te 1967, wohl gemerkt auf Latein, und zog sich in der Mehr­zahl hef­ti­ge Kri­tik zu. Das zustim­men­de Votum der ersten Bischofs­syn­ode blieb deut­lich in der Min­der­heit. Grund dafür war, daß sich die 1967 abge­lehn­te, aber 1969 den­noch ein­ge­führ­te Mes­se grund­le­gend von jener des Mis­sa­le von 1965 unterschied.

„Reform der Reform“: Missale 1962 und Missale 1969 im Missale 1965 zusammenführen?

Das Mis­sa­le von 1965 war tat­säch­lich genau das, was das Kon­zil gewollt hat­te: den Wort­got­tes­dienst in der Volks­spra­che, die Eucha­ri­stie­fei­er auf Latein, viel Raum für die Lai­en, ein­schließ­lich des höchst ent­behr­li­chen „Gebets der Gläu­bi­gen“, der ziem­lich gewag­ten Ver­ein­fa­chung zahl­rei­cher Tei­le der Lit­ur­gie usw. Das ist die Ansicht von Papst Bene­dikt XVI., der dar­in dem noch deut­li­che­ren Lit­ur­gi­ker Klaus Gam­ber folg­te. Wir wer­den es viel­leicht nie erfah­ren, ob die „Reform der Reform“ Bene­dikts im unwahr­schein­li­chen Ver­such bestehen soll­te, das Mis­sa­le von 1962 und das Mis­sa­le von 1969 auf der Grund­la­ge des Mis­sa­le von 1965 zusam­men­zu­füh­ren. Ein Ver­such, der sowohl die Katho­li­ken als auch die Moder­ni­sten nicht zufrie­den­ge­stellt hät­te. Aber so geht es allen Ver­su­chen, von oben eine am grü­nen Tisch geschaf­fe­ne Lit­ur­gie oder Spi­ri­tua­li­tät aufzuzwingen.

Das im Eil­ver­fah­ren gezim­mer­te Mis­sa­le von 1965 soll­te die Lit­ur­gie den ‚ver­rück­ten Refor­mern‘ ent­win­den, erreich­te aber das genaue Gegen­teil. Da es dem pro­te­stan­ti­schen Geschmack der ‚Refor­mer‘ nicht aus­rei­chend revo­lu­tio­när war, ver­schwand es durch Anni­ba­le Bug­nini schnell in der Ver­sen­kung, des­sen Han­deln nie genug miß­bil­ligt wer­den kann.

Verachtung durch „Reformer“

Wenn schon also erleb­ten und erle­ben wir nicht Pro­test­ak­tio­nen gläu­bi­ger Katho­li­ken, son­dern das genaue Gegen­teil, näm­lich eine ent­schie­de­ne Oppo­si­ti­on ohne Wenn und Aber und vol­ler Ver­ach­tung von Sei­ten vie­ler, zu vie­ler Bischö­fe und Prie­ster gegen den über­lie­fer­ten Ritus, die sich von einer Strö­mung trei­ben lie­ßen, die heu­te zu einer rei­ßen­den Flut gewor­den ist.

Das alles wäre eigent­lich unglaub­lich genug, wären wir nicht schon wie­der­holt geknüp­pelt wor­den und hät­ten die Ver­ach­tung jener zu spü­ren bekom­men, die uns eigent­lich Hir­ten und Stüt­ze sein soll­ten, anstatt unse­re geist­li­che Sen­si­bi­li­tät anzu­er­ken­nen, die uns den Römi­schen Ritus Anti­qui­or vor­zie­hen läßt. Er ist nicht erst heu­te ent­stan­den, son­dern jener der zwei­tau­send­jäh­ri­gen Kir­che und gehört der gan­zen Kir­che, dem uni­ver­sa­len und ewi­gen Rom. Ein uni­ver­sa­les Kir­chen­ge­setz, das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum ver­si­chert uns die­ses Rechts. Und so bestä­tig­te es auch Kar­di­nal Bur­ke in sei­nem jüng­sten Interview.

Angst nicht vor „Reaktionen“, sondern vor den Gründen der Tradition

Wir sind die Grün­de nicht schul­dig geblie­ben, die für uns die leuch­ten­de Kraft der Dog­men haben und den­noch nicht die prie­ster­li­chen (?) Her­zen jener zu erwär­men ver­mö­gen, die der­zei­tig alle Mau­ern ein­zu­rei­ßen bereit sind und ehr­erbie­tig wie kaum je dem jet­zi­gen Papst fol­gen, wäh­rend sie sei­nen Vor­gän­ger igno­rier­ten oder sich ihm wider­setz­ten. Und es scheint, als gebe es nichts, was die Mei­ster der neu ver­kün­de­ten Zärt­lich­keit mil­de stim­men könnte.

Was also haben sie zu befürch­ten? Unse­re Waf­fen sind der Rosen­kranz, die Anbe­tung, die Treue. Wenn, dann tun sie gut dar­an, den Herrn zu fürch­ten, der sei­ne Gerech­tig­keit nie von der Barm­her­zig­keit, der wah­ren, getrennt hat“, so Chie­sa e post­con­ci­lio.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Par­roc­chia Ognissanti

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