In cauda venenum – Kardinal Pell und die Gunst des „Zaren“


Kardinal Pell und der "Zar"
Kar­di­nal Pell und der „Zar“

(Rom) Am ver­gan­ge­nen 14./15. Febru­ar erschien eine gan­ze Inter­view-Wel­le des groß­ge­wach­se­nen austra­li­schen Kar­di­nals Geor­ge Pell, Prä­fekt des neu­en Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats im Vati­kan. Vom Bos­ton Glo­be über den Cor­rie­re del­la Sera bis zu La Croix war alles ver­tre­ten, wie der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster auf­li­stet. Der Kar­di­nal gab bekannt, daß beim Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um ein „all­ge­mei­ner Kon­sens“ aller Rich­tun­gen „von links, rechts und der Mit­te“ zu sei­nem Vor­schlag geherrscht habe, Kon­trol­le und Ver­wal­tung der beweg­li­chen und unbe­weg­li­chen Güter sämt­li­cher vati­ka­ni­schen Stel­len dem neu­en Dik­aste­ri­um zu unterstellen.

Römischen Koordinaten

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Das Kon­si­sto­ri­um wur­de vom C9-Kar­di­nals­rat über die Plä­ne zur Kuri­en­re­form infor­miert und dis­ku­tier­te die­se. Geor­ge Pell gehört als Ver­tre­ter Ozea­ni­ens dem C9-Rat an. Dort gilt er als „kon­ser­va­tiv­stes“ und tra­di­ti­ons­freund­li­ches Mit­glied. Als Papst Fran­zis­kus den Kar­di­nals­rat für die Kuri­en­re­form und zu sei­ner Unter­stüt­zung bei der Lei­tung der Welt­kir­che bil­de­te und aus jedem Erd­teil einen Ver­tre­ter ernann­te, war Pell der ein­zi­ge Kar­di­nal Ozea­ni­ens. Er sei „hin­ein­ge­rutscht“, heißt es seit­her in Rom. Vor weni­gen Tagen sorg­te Fran­zis­kus für Abhil­fe. Er ernann­te mit Erz­bi­schof John Atcher­ley Dew von Wel­ling­ton gewis­ser­ma­ßen Pells pro­gres­si­sti­sches Gegen­stück zum Kar­di­nal. Zudem noch einen unbe­kann­ten Bischof von Ton­ga. Die Ach­se an der Spit­ze der Hier­ar­chie Ozea­ni­ens ist damit ver­scho­ben. Zudem könn­te Kar­di­nal Pell nun jeder­zeit im C9-Rat ersetzt wer­den, zumal er von Fran­zis­kus nach Rom beru­fen wur­de und damit nicht mehr auf sei­nem Kon­ti­nent wirkt.

Der Kar­di­nal leug­ne­te gegen­über der Pres­se nicht, in eini­gen Tei­len des Staats­se­kre­ta­ri­ats und des Gover­na­torats der Vati­kan­stadt auf „Wider­stän­de“ gegen sei­nen Reform­vor­schlag gesto­ßen zu sein, gab sich aber über­zeugt, daß die­se über­wun­den seien.

An sei­ner Sei­te trat auch der süd­afri­ka­ni­sche Kar­di­nal Wil­frid Fox Napier vor die Pres­se, ein Mit­glied des Wirt­schafts­rats. Der Süd­afri­ka­ner war nach Kar­di­nal Kas­pers ras­si­sti­schem Rülp­ser noch wäh­rend der lau­fen­den Bischofs­syn­ode 2014 von Fran­zis­kus zum drit­ten Co-Prä­si­den­ten ernannt wor­den. Eine Geste, um die erreg­ten afri­ka­ni­schen Gemü­ter zu beru­hi­gen, die in Rom die katho­li­sche Leh­re zu Ehe und Fami­lie ver­tei­dig­ten. Kar­di­nal Napier nann­te auf der Pres­se­kon­fe­renz mit Kar­di­nal Pell unter den „Wider­ständ­lern“ auch die Kon­gre­ga­ti­on für die Evan­ge­li­sie­rung der Völ­ker und vor allem den Päpst­li­chen Rat für die Geset­zes­tex­te, der von Kar­di­nal Fran­ces­co Coc­co­pal­me­rio gelei­tet wird. Der Päpst­li­che Rat hat­te den Ent­wurf für die Sta­tu­ten des neu­en Wirt­schafts­dik­aste­ri­ums genau in den Tei­len abge­lehnt, die eine Zen­tra­li­sie­rung der Güter­ver­wal­tung vorsehen.

Den­noch zeig­te sich Kar­di­nal Pell sicher, sein Ziel zu errei­chen, da der Wirt­schafts­rat die Ein­wän­de des Päpst­li­chen Rats für die Geset­zes­tex­te zurückwies.

Pells Rechnung ohne den Wirt? Von Zaren und Bojaren

„Aber viel­leicht macht Pell die Rech­nung ohne den Wirt, der in die­sem Fall der Papst ist“, so San­dro Magi­ster. Am Mon­tag ver­öf­fent­lich­te der Haus- und Hof­va­ti­ka­nist von Fran­zis­kus, Andrea Tor­ni­el­li, auf Vati­can Insi­der einen Arti­kel, der Punkt für Punkt die Gedan­ken des Pap­stes wie­der­zu­ge­ben scheinen.

Tor­ni­el­li erin­ner­te dar­an, daß der Päpst­li­che Rat für die Geset­zes­tex­te im aus­drück­li­chen Auf­trag des Pap­stes han­del­te. Er erin­ner­te zudem, daß dem Papst „die Letzt­ent­schei­dung zu den Sta­tu­ten“ zusteht. Mit ande­ren Wor­ten: „Über Kar­di­nal Pell gibt es einen ‚Zaren‘ namens Fran­zis­kus, der mäch­ti­ger ist als er, und der kei­nes­wegs den ‚Boja­ren‘, die von ihnen bean­spruch­te Macht ent­zie­hen will, um in der Ter­mi­no­lo­gie des Rus­si­schen Reichs zu blei­ben, die bei eng­lisch­spra­chi­gen Medi­en üblich gewor­den ist“, so Magister.

„Das Gift steckt im Schwanz“

Damit aber nicht genug, denn „in cau­da venen­um“, so Magi­ster, das Gift folgt gewis­ser­ma­ßen zum Schluß von Tor­ni­el­lis Arti­kel, der zum Plä­doy­er gegen Kar­di­nal Pell wird.

„Ange­sichts des­sen, was in die­sen Tagen gesche­hen ist, lohnt es sich, die Wor­te von Fran­zis­kus in sei­ner Rede an die Römi­sche Kurie vom ver­gan­ge­nen Dezem­ber nach­zu­le­sen. Als fünf­zehn­te und letz­te ‚Krank­heit‘ nann­te der Papst die „des welt­li­chen Pro­fits, der Zur­schau­stel­lung, wenn der Apo­stel sei­nen Dienst in Macht und sei­ne Macht in Ware ver­wan­delt, um welt­li­chen Nut­zen oder mehr Ein­fluss zu gewin­nen. Es ist die Krank­heit der Men­schen, die uner­sätt­lich danach stre­ben, Macht­be­fug­nis­se zu ver­viel­fäl­ti­gen, und die fähig sind, zu die­sem Zweck die ande­ren zu ver­leum­den, zu dif­fa­mie­ren und zu dis­kre­di­tie­ren, sogar in Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten. Natür­lich um sich her­vor­zu­tun und sich als fähi­ger zu erwei­sen als die ande­ren. Auch die­se Krank­heit scha­det dem Leib sehr, denn sie führt die Men­schen dazu, den Gebrauch jed­we­den Mit­tels zu recht­fer­ti­gen, nur um die­ses Ziel zu errei­chen – oft im Namen der Gerech­tig­keit und der Transparenz!“

So der letz­te Absatz in Tor­ni­el­lis Arti­kel über Kar­di­nal Geor­ge Pell. Zwei Stun­den nach­dem San­dro Magi­ster die Ver­mu­tung äußer­te, daß Tor­ni­el­li direkt die Gedan­ken von Papst Fran­zis­kus wie­der­gibt und damit bestä­tigt, daß Kar­di­nal Pell nicht in Pap­stes Gunst steht, wur­de der letz­te Absatz gelöscht (sie­he auch Schlei­chen­des Manö­ver gegen Kar­di­nal Geor­ge Pell im Gan­ge). Der letz­te Absatz „war wört­lich so ver­öf­fent­licht, wie er hier oben zu lesen ist und trug den Titel: Die Krank­heit des ‚welt­li­chen Pro­fits‘“, so San­dro Magi­ster in einem Nach­trag zu sei­nem Artikel.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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1 Kommentar

  1. Man wird den Ein­druck nicht los, dass nebst libe­ral-pro­gres­si­ven Bischö­fen /​Kardinälen ledig­lich noch „in der Mit­te“ ste­hen­de Bischöfe/​Kardinäle gewollt sind ?!
    Doch was bedeu­tet die­se „Mit­te“ eigentlich ?
    Hw Prof. May über die „Rede von der Mitte“
    ( Aus­zug aus „Die ande­re Hierarchie“)
    -
    „Die Rede von der „Mit­te“

    1. Die Bischöfe

    Die mei­sten Bischö­fe beru­fen sich in ihrem Ver­hal­ten darauf, 
    dass sie in der „Mit­te“ stünden. 
    Nach die­ser Selbst­ein­schät­zung gibt es Lin­ke und Rech­te in der Kirche. 
    Als Rech­ter wird heu­te bezeichnet, 
    wer sich den katho­li­schen Glau­ben unge­schmä­lert bewahrt hat und ihn so lebt, wie es vor 50 (Anm.: mun­mehr ca. 70) Jah­ren die gan­ze Kir­che tat; 
    dadurch ist er plötz­lich zum Rech­ten, Rechts­kon­ser­va­ti­ven oder gar Rechts­extre­men gewor­den. Die genann­te Selbst­ein­schät­zung der Bischö­fe ist eine Prü­fung wert.

    Wie steht es um die „Mit­te“? 
    Zunächst einmal: 
    Bei vie­len Gegen­stän­den gibt es über­haupt kei­ne Mitte, 
    son­dern nur rich­tig oder falsch, ein Ja oder ein Nein. 
    So gibt es kei­ne Mit­te zwi­schen katho­lisch und nicht katholisch.
    Die Mit­te wäre hier das Jein, 
    das sich nicht ent­schei­den kann und hin- und her­schwankt wie ein Schilfrohr. 
    Bei in sich schlech­ten Hand­lun­gen gibt es eben­falls kei­ne Mitte. 
    Ein Mensch ver­hält sich ent­we­der keusch oder unkeusch. 
    Wo ist die Mit­te zwi­schen Gläu­bi­gen und Ungläubigen? 
    Ver­mut­lich, wo die Halb- oder Vier­tel­gläu­bi­gen sind.

    Sodann: 
    Nach allen Erfah­run­gen der Geschichte 
    sam­meln sich in der Mit­te jene, 
    die man als Anpas­ser und Mit­läu­fer bezeichnet. 
    In der Mit­te befin­det sich, wer den Man­tel nach dem Win­de hängt. 
    In der Mit­te sind jene, die den Oppor­tu­nis­mus zu ihrem Leit­prin­zip erho­ben haben. 
    In der Mit­te ste­hen die, wel­che dem Hang zur Bequem­lich­kei­ten nachgeben.“
    [.…]
    Was sich heu­te als Mit­te aus­gibt, das sind jene, 
    die sich in den Trend der Pro­te­stan­ti­sie­rung ein­ge­glie­dert haben; 
    das sind jene, die der Selbst­zer­stö­rung der Kir­che taten­los zusehen; 
    das sind jene, die sich vor Gott und der Geschichte 
    durch Feig­heit und Katz­buckeln schul­dig gemacht haben. 
    Die Mit­te zwi­schen heiß und kalt ist lau. 
    Von den Lau­en aber steht geschrieben: 
    „Weil du lau bist und nicht warm noch kalt, 
    will ich dich aus­spei­en aus mei­nem Mun­de“ (Apk 3,16). (…)“
    [.…]
    -

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