Die Bundesrepublik Deutschland ist auf dem Grundgesetz aufgebaut – und nicht auf den Nazi-Verbrechen von Auschwitz. Die Mehrheit der Katholiken blieb resistent gegenüber der rassistischen Nazi-Doktrin.
Ein Gastbeitrag von Hubert Hecker.
Bundespräsident Joachim Gauck sagte bei der Gedenkrede zum Auschwitztag am 27. 1. 2015 im Bundestag: „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz.“ Dazu stellt der Herausgeber und politischer Leitkommentator der Frankfurter Allgemeinen, Berthold Kohler, in einer Kolumne seiner Zeitung bemerkenswerte Fragen.
Kohler fragt, ob die Einwanderer nicht noch weniger Grund hätten, „sich für den Holocaust verantwortlich oder gar schuldig zu fühlen, als die nach dem Krieg geborenen Deutschen“. Und wenn Auschwitz zum zentralen Identitätsmerkmal der Deutschen erklärt wird – gehöre dann „nur zu Deutschland, wer auch Auschwitz (und die daraus abgeleiteten Verpflichtungen) als Teil seiner neuen deutschen Identität“ annehme?
Die Nachkriegsgenerationen sind nicht schuld an den Nazi-Verbrechen
Beschäftigen wir uns zunächst mit der ‚Verantwortung oder Schuld der Nachkriegsgeneration für Auschwitz’. Wenn von Schuld der Nachgeborenen gesprochen wird, so setzt das die Kollektivschuld der Vätergeneration voraus. So hatte es noch 2009 der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck, im Bundestag formuliert: “Mit der systematischen Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden während der Nazizeit haben die Deutschen unendliche Schuld auf sich geladen – eine Schuld, die niemals vergeht.“ Diese Beschwörung einer unvergänglichen – und damit vererbten – Kollektivschuld ist indiskutabel für die Nachkriegsgenerationen.
In der deutschen Übernahme einer säkularen, ewig dauernden Erbschuld scheint sich das von jüdischen Seite gelegentlich geäußerte Wort vom ‚Niemals Vergessen, Niemals Vergeben’ zu spiegeln.
Aber auch die abgeschwächte Formulierung von der „Verantwortung“ der nachgeborenen Deutschen für die massenmörderischen Verbrechen der Nazi ist nicht überzeugend. Verantwortung übernehmen kann man nur für das, woran man beteiligt ist oder in irgendeiner Weise Einfluss nehmen kann – etwa, wenn ein Minister mit seinem Rücktritt „Verantwortung übernimmt“ für Fehlentscheidungen in seinem Ministerium. Eine solche Verantwortungsübernahme für die Fehler der Vätergeneration kommt für die Nachgeborenen nach der obigen Definition nicht infrage.
Hilfsweise wird gesagt: Die Nazi-Verbrechen seien im Namen Deutschlands geschehen. Aber die damaligen diktatorischen Machthaber waren nicht demokratisch legitimiert, im Namen der Deutschen zu sprechen und zu handeln.
Kollektivschuld der Deutschen bedeutet Entlastung der NS-Täter
Auch bei dem Verantwortungsargument wird letztlich wieder eine Kollektivschuld unterstellt. Man kann schlechterdings nicht die erste und zweite Nachkriegsgeneration im demokratischen Deutschland für die Massenmorde der Nazis zur Verantwortung ziehen, wenn nicht schon die gesamte Kriegsgeneration schuldig gewesen wäre. Daher wird von Politikern aller Couleur die Schuld und Täterschaft an den NS-Verbrechen kurzerhand auf alle damaligen Deutschen ausgeweitet. „Die Deutschen“ hätten die europäischen Juden ermordet, sagte Peter Struck. „Die Deutschen“ wären schuldig gewesen an den Kriegsverbrechen gegen das polnische Volk, sagte Kanzlerin Merkel am Gedenktag zum Kriegsbeginn am 1. 9. 2009 in Danzig. „Die Deutschen“ waren schuld an Hitlers und Himmlers Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. So vermittelt es das Klett-Schulbuch „Geschichte und Geschehen“ den deutschen Schülern. Mit dieser Kollektivschuldformel werden übrigens die wirklichen Nazi-Täter aus dem Fokus genommen und versteckt in der Masse ‚der Deutschen’. Das oben genannte Schulbuch klagt ein dutzend Mal die Deutschen als Kriegstäter an, aber nicht einmal erwähnt es in diesem Zusammenhang Hitler und Himmler als die Befehlshaber von Massenmord und Vernichtungskrieg. Das ist ein Skandal, die Relativierung der NS-Verbrechen.
Keine Identifizierung mit den Nazi-Verbrechern und den Orten ihrer Massaker
In einer weiteren Variante wird die ‚Verantwortung’ der Deutschen als Zukunftssorge gedeutet: Die deutschen Nachkriegsgenerationen sollten in ihrem Wirkungsbereich alles dafür tun, dass solche Verbrechen wie die der Nazis (und der Untaten des Stalinismus) nicht mehr passieren werden. Dieser Anspruch und Aufruf wird von den meisten Deutschen eher aufgenommen. Doch dafür braucht man keine Auschwitz-Identität annehmen. Denn dieser Anspruch sollte sich positiv an den Menschenrechten orientieren. Das Motiv „Nie wieder Auschwitz“ als Bemühen um die Abwendung von rassistischen Verbrechen würde das positive Engagement für die universale Menschlichkeit unnötig einengen.
In jener Verpflichtung für die Geltung der Menschenrechte hat der Autor dieser Zeilen 13 Jahre Schulklassen durch die Gedenkstätte Hadamar geführt. Für diese Aufgabe wäre es geradezu pervers, sich mit den monströsen Naziverbrechern oder den Orten ihrer Massaker zu identifizieren.
In den Räumen der Psychiatrie Hadamar brachten nationalsozialistische Ärzte, Pflegekräfte und Beamte mehr als 14.000 Menschen um, davon 95 Prozent deutsche Kranke und Kinder sowie einige hundert ausländische Arbeiter. Die Durchführung der NS-Krankenmorde sollte vor der Bevölkerung geheim gehalten werden. Erzählungen darüber wurden mit KZ-Strafen bedroht und vollzogen.
Motiv und Ziel der Gedenkstättenarbeit ist selbstverständlich nicht, Identifizierungen mit den Nazi-Tätern herzustellen. Es ging und geht auch nicht darum, etwa der Hadamarer Bevölkerung von damals vorzuwerfen, die Euthanasie-Morde nicht verhindert zu haben. Im Gegenteil. Die katholische Mehrheit Hadamars missbilligte den Krankenmord, Jugendliche verteilten heimlich die Galen-Predigt, der Orts-Pfarrer Faxel wurde wegen seiner diesbezüglichen Reden und Predigten acht Mal von der Gestapo verhört und der Limburger Bischof Hilfrich schrieb im August 1941 einen Protestbrief an den damaligen Justiz-Minister. Das sind die Vorbilder, mit denen die Identifizierung gesucht werden sollte. Außerdem zeigt diese Aufstellung, dass es die Nazi-Täter waren, die für die NS-Verbrechen verantwortlich zeichneten – und nicht die Mehrheit der deutschen Bevölkerung.
Vorbildliche katholische Repräsentanten gegen Nazi-Rassismus
Ähnlich sehen die Verhältnisse bei den anderen Verbrechen des massenmörderischen NS-Gewaltregimes aus. Gegen den Rassismus der Nazis sind Personen wie Pater Maximilian Kolbe, Prälat Lichtenberg und Papst Pius XII. in Wort und Tat aufgetreten. Sie retteten vielen Juden und KZ-Bedrohten das Leben. Aber insbesondere auch die katholische Landbevölkerung zeigte vielfach Gesten und Taten für die verfolgten Juden und geknechteten Fremdarbeitern – und damit ihren Widerstand gegen den Nazi-Rassismus. Das hat der Autor mit einer historischen Studie zu seinem Wohnort Frickhofen / Westerwald exemplarisch nachgewiesen.
Die Mehrheit der Katholiken blieb resistent gegenüber der rassistischen Nazi-Doktrin
Verallgemeinernd kann man Folgendes sagen: Der Block der katholischen Zentrumswähler bei den letzten freien Wahlen 1932 repräsentierte etwa ein Viertel der damaligen deutschen Bevölkerung. Diese Anti-Hitler-Wähler blieben auch während der 12 Jahre NS-Diktatur weitgehend resistent gegenüber der rassistischen Nazi-Doktrin in der eugenischen und antisemitischen Version. Die Mehrheit der Katholiken gehörte nach dem Krieg zu der Kategorie der „Entlasteten“. Der Anteil der „Belasteten“, also der Nazi-Täter, entsprach mit 30 Prozent in etwa dem Prozentsatz der Nazi-Wähler bei den letzten freien Wahlen.
Etwa ein Drittel der Deutschen waren Nazis – und damit schuldig an den NS-Verbrechen
Dieses Drittel der damaligen Deutschen, die Nazi-Täter, war mehr oder weniger schuldig an den NS-Massenmorden. Deren Nachfahren sollten sich der Schuld stellen, die ihre nationalsozialistischen Eltern und Großeltern für NS-Verbrechen auf sich geladen haben. Für diese Familien sind die NS-Belastungen sicherlich ein Teil ihrer deutschen Identität. Es ist aber eine ideologische These ohne historische Basis und Wahrheit, wenn dem gesamten deutschen Volk die Verbrechen der Nazi-Partei aufgehalst werden. Demnach ist es auch falsch, die nationalsozialistischen Massenmorde der Nazis als Teil der gesamt-„deutschen Identität“ zu deklarieren. Damit würden, wie schon gesagt, die wirklichen Nazi-Täter in der Masse der Deutschen versteckt werden. Andererseits würde man der Mehrheit der entlasteten, Anti-Hitler-wählenden, NS-resistenten Deutschen Unrecht tun, wenn man sie auf die gleiche Stufe wie die Nazi-Verbrecher stellte.
Keine deutsche Identität für Zuwanderer?
Wenn man das Konstrukt einer deutschen Auschwitz-Identität aus der Kontinuität mit dem deutschen Volk in der Hitlerzeit ableitet, dann sind logischerweise die Zuwanderer aus dieser Identität ausgeschlossen. Darauf weist Kohler in seinem Kommentar hin: Die Zuwanderer hätten keinen Grund, „sich für den Holocaust verantwortlich oder gar schuldig zu fühlen“. Aktuell haben mehr als 16 Millionen Einwohner Deutschlands Migrationshintergrund. Das sind Aussiedler, Zuwanderer und ihre Nachkommen. Weil sie und ihre Vorfahren keinen objektiven Bezug zu Auschwitz haben, hätten etwa 20 Prozent der Deutschländer keine deutsche Identität.
Mit der kategorischen Forderung nach einer deutschen Identität nur über Auschwitz baut man eine künstliche Hürde auf, die Einwanderern erschwert, sich zu Deutschland gehörig zu fühlen. Insbesondere zugewanderte Muslime würden dann nicht zu Deutschland gehören.
Der deutsche Staat ist nicht auf den NS-Verbrechen aufgebaut, sondern auf dem Grundgesetz
Berthold Kohler behauptet in seinem FAZ-Kommentar weiter: „Das heutige Deutschland wurde auch auf den Ruinen von Auschwitz errichtet – als freiheitlich-demokratischer, dem Schutz der Menschenrechte verpflichteter Gegenentwurf zu Hitler-Diktatur und Rassenwahn.“ Schon der damalige Außenminister Fischer hatte die These aufgestellt, dass Auschwitz das „Fundament“ der Bundesrepublik Deutschlands sei. Wenig später instrumentalisierte (und relativierte) er „Auschwitz“, um damit den NATO-Krieg gegen Serbien zu rechtfertigen. Wie kann man nur so einen Unsinn in die Welt setzen, dass unser Staat mit seinen 80 Millionen Bürgern auf einem monströsen Verbrechen gegründet sei?
Grundgesetz und Staat als Gegenentwurf zu Auschwitz
Es ist eine Binsen-Wahrheit: Der zweite deutsche demokratische Staat und die entsprechende deutsche Identität stellen offensichtlich nicht einen Aufbau und die Fortsetzung der NS-Verbrechen dar, sondern stehen im schärfsten Gegensatz zu der Ideologie und Politik, die unter dem Wort und Ort „Auschwitz“ gefasst werden. So sagt es Kohler jedenfalls im zweiten Teil seines Zitates: Die Bundesrepublik – und damit die deutsche (Verfassungs-) Identität – sei ein „Gegenentwurf“ zu Auschwitz.
Sondergesetz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit bei NS-Themen
Kohlers These vom bundesrepublikanischen „Gegenentwurf“ zu Auschwitz geht auf ein Diktum in einem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2009 zurück. In der sogenannten „Wunsiedel-Entscheidung“ des BVerfGs wurde die Strafrechtsnovelle von 2005 zum Paragraphen 130 gerechtfertigt. Damals hatte der Bundestag einen Gesetzes-Zusatz als 4. Absatz des „Volksverhetzungsparagraphen“ beschlossen: Bestraft werde, „wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt“.
Bei der BVerfG-Entscheidung ging es um einen Verfassungseinspruch. Denn die Einschränkung der Meinungsfreiheit wurde im Paragraphen 130 (4) als Einzelfall-Sondergesetz formuliert. Nach Artikel 19 Grundgesetz darf aber ein Grundrecht nur durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden, dass für alle Fälle gilt.
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass es sich bei der Gesetzesnovelle um eine Sonderregelung handele, also um einen Verstoß gegen die Verfassung. Denn die neu gefasste Regelung diene nicht dem Schutz von Gewalt- und Willküropfern allgemein und verbiete auch nicht die Rechtfertigung von anderen totalitären Gewaltherrschaften als die der NS-Diktatur. Die Verherrlichung etwa der stalinistischen Willkürherrschaft wird damit nicht als Verletzung der Würde der Opfer gesehen. Trotzdem sei dieses Sondergesetz „ausnahmsweise mit Art. 5 vereinbar“. Als Begründung führt das Gericht an: „Das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes gedeutet werden.“
In diesem Satz wird das Grundgesetz als das Fundament des bundesrepublikanischen Staates angesehen und zugleich in schärfsten Gegensatz zur nationalsozialistischen Diktatur gestellt. Damit wird Auschwitz als Basis der Bundesrepublik ausgeschlossen.
Die Verfassung eines Staates ist zugleich Grundlage und zentrales Element einer nationalstaatlichen Identität. Wenn aber das deutsche Grundgesetz im scharfen Gegensatz zum rassistischen NS-Regime steht, dann kann Auschwitz als Symbolort für den NS-Terror nicht inklusiver Teil der deutschen Identität sein.
Widersprüche und reduktionistisches Geschichtsbild
Bis zu diesem Punkt wurde eine politologische Argumentation verfolgt. Dabei ist herausgestellt worden, dass ein Massenmord bzw. der Ort dieses monströsen Verbrechens als Inbegriff für ein völkermörderisches Regime weder die Basis für einen demokratischen Staat abgeben kann noch ein wesentliches Identitätsmerkmal für seine Bürger sein darf. Außerdem wurde der Argumentationswiderspruch herausgearbeitet zwischen Auschwitz als Fundament und zugleich Gegensatz zum Staats- und Identitätskonzept der Bundesrepublik.
Festzuhalten bleibt aber, dass beide widersprüchlichen Argumentationsstränge in dem verbrecherischen NS-Staat den Fixpunkt für das Selbstverständnis Deutschlands sehen. Darin kommen eine unangemessene Fixierung auf die NS-Zeit zum Ausdruck sowie ein reduktionistisches Geschichtsbild. Die historische Analyse zur Entstehung des Grundgesetzes zeigt die Fehler dieser Argumentationen auf:
Das Grundgesetz war orientiert an der Weimarer Verfassung
In der Begriffsprägung, nach der das Grundgesetz als Gegenentwurf zum NS-Regime zu verstehen sei, steckt wenig historische Wahrheit in Bezug auf den Staatsgründungsprozess 1948/49. Die Alliierten hatten den westdeutschen Ministerpräsidenten in den ‚Frankfurter Dokumenten’ am 1. Juli 1948 den detaillierten Auftrag gegeben, ein föderales Staatskonzept zu entwerfen. Die deutschen Verantwortlichen im Parlamentarischen Rat hielten sich nur teilweise an die alliierten Vorgaben. Sie orientierten sich in erster Linie an der deutschen Verfassungstradition mit den Entwürfen von 1849 und 1919.
Die föderale Weimarer Verfassung als freiheitlicher Rechtsstaat, repräsentative Demokratie mit Grundrechten, Verhältniswahlrecht und einer Reihe anderer Bestimmungen wurde in den Grundzügen für den Grundgesetzentwurf übernommen. Die Schwachpunkte jener optimistischen Schönwetter-Verfassung, die in den Krisenjahren 1929 bis 33 versagt und den schleichenden Übergang in die Hitler-Diktatur ermöglicht hatte, ersetzte man durch neue Reglungen. So kamen die Fünf-Prozent-Klausel in das Grundgesetz, die Wahl des Kanzlers durch das Parlament, die Beschneidung des Präsidentenamtes auf Repräsentanzaufgaben, die Errichtung eines Verfassungsgerichtes mit der Möglichkeit, Parteien links- und rechtsradikale Provenienz zu verbieten sowie die Aufwertung der Grundrechte als unmittelbar wirkende Recht. Der Parlamentarische Rat erarbeitete eine Verfassung der wehrhaften Demokratie, die die links- und rechtsradikalen Feinde der Freiheit bekämpfte.
Das Grundgesetz als ein Damm gegen KPD und Stalinismus
Seit 1947 war der sowjetische Stalinismus in die Offensive gegangen gegen die freie Welt der demokratischen Länder. In den 10 Monaten der westdeutschen Verfassungsberatung hatte Stalin versucht, West-Berlin durch Abschnürung zu kapern. Westdeutschland stand in Gefahr, von der Roten Armee überrollt zu werden – so wie ein Jahr später Korea.
Wenn man schon einen Gründungsmythos für die Bundesrepublik bemühen will, dann ist es der, dass das Grundgesetz ein Gegenentwurf zu dem Regime des totalitären Kommunismus war, insbesondere der stalinistischen DDR. Die westdeutsche Verfassung sollte eine wehrhafte Demokratie sein, die insbesondere die Infiltration der östlichen Kommunisten und den Vormarsch der Kommunistischen Partei Deutschlands im Westen stoppte. Das geschah unter anderem mit dem KPD-Verbot von 1956.
Gleich ob die deutsche Verfassung von 1949 als Gegenentwurf zur nationalsozialistischen oder kommunistischen Gewaltherrschaft verstanden wurde – es bleibt die nüchterne Wahrheit: Der zweite deutsche demokratische Staat ist auf dem Grundgesetz aufgebaut – und nicht auf den Ruinen von Auschwitz. Daraus ist als Erwartung an alle im Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes lebenden Einwohner die Verpflichtung abzuleiten, sich mit der Menschenwürde als dem höchsten Wert unserer Verfassung zu identifizieren. Nur diese Identifizierung kann den Zusammenhalt aller Bürger zu einer Staatsnation garantieren.
Text: Hubert Hecker
Bild: Freisler, Volksgerichtshof/Wikicommons ( )
Da kommt man in den Themenbereich der sog. „Sippenhaft“. Was man bräuchte wäre eine übergreifende Vergebungsäußerung aller jüdischer Institutionen. Schon Konrad Adenauer hat sich im Kontakt mit David Ben Gurion um Aussöhnung und Wiedergutmachung bemüht. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten Gelder an verschiedene jüdische Institutionen und auch an Israel gezahlt. Das war auch richtig so. Ich finde es auch richtig, wenn wir weiterhin das Judentum und Israel unterstützen. Als Mitglied der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft habe ich auch schon Aktionen gegen Antisemitismus mitgemacht, wie z.B. einen Kippa-Flashmop.
Es gibt auch Projekte, wo zum Beispiel Schüler aus Israel und aus Deutschland, nach eingehender Vorbereitung, gemeinsam Auschwitz besuchen und dort zusammen beten (Yad be Yad). Ich bin in Kontakt mit jüdischen Freunden und finde es wunderbar, dass es mehr Annäherung gibt. Ich entstamme der Generation in Deutschland, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt und auch mit den NS-Verbrechen nichts zu tun hat. Trotzdem finde ich es wichtig, dass Auschwitz und der andere Greuel nicht in Vergessenheit gerät. Eines der besten Bücher über Auschwitz ist das Buch von Gideon Greif, „Wir weinten tränenlos…“-Augenzeugenberichte des jüdischen „Sonderkommandos“ in Auschwitz, Fischer Tb, 2007 (ISBN 978–3‑596–13914‑9).
In Israel selbst wurde ich von den Juden immer sehr herzlich behandelt, sogar im ultraorthodoxen Viertel ‚Mea Shearim‘ in Jerusalem.
Deutschland und das Grundgesetz sind auf den Verfassungen von Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut, das Andenken an Ausschwitz und das Leiden der jüdischen Mitbürger wird aber immer im Gedächtnis bleiben.
Ob allerdings muslimische Einwanderer, die sich hier vermehren, ein Interesse daran haben werden, das wage ich zu bezweifeln.
Die Kollektivschuld ist auch juristisch nicht haltbar. Den Ausführungen hier ist zuzustimmen. In der Tat wird die Täterverantwortung durch törichte Reden klein geredet. Das ist der Rhematik nicht gerecht.