(Rom) Die Aktivsten sind die Kardinäle, Bischöfe und Theologen, die die Lehre und die Praxis der Kirche zu Ehe und Homosexualität erneuern wollen. Doch in der ersten Gruppe der gewählten Synodenteilnehmer bei der nächsten Synode sind die Verteidiger der Tradition viel zahlreicher.
Eine Analyse des Vatikanisten Sandro Magister.
Wie vom Generalsekretär der Bischofssynode, Lorenzo Kardinal Baldisseri, angekündigt, wurde die erste Gruppe der Teilnehmer an der Versammlung im kommenden Oktober bekanntgegeben, nämlich die gewählten Vertreter der jeweiligen Bischofskonferenzen.
Progressisten und Papst-Vertraute tun sich schwer bei Wahlen
Von der US-Delegation wußte man bereits. Die vier Gewählten sind alle gegen die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion, dem entscheidenden Konfliktpunkt, während der Liebling von Papst Franziskus, der Progressist Blase Cupich, den er frisch an die Spitze der wichtigen Erzdiözese Chicago beförderte, nicht gewählt wurde.
Unentschiedener scheint die französische Delegation: Der Progressist Jean-Luc Brunin, Vorsitzender der Familienkommission der Bischofskonferenz, bildet das Gegengewicht zu Kardinal André Vingt-Trois, Erzbischof von Paris.
Unter den spanischen Delegierten erhielt der Erzbischof von Valladolid und Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz, der Neokardinal Ricardo Blazquez Perez am meisten Stimmen. Er ist seit Jahren einer der wichtigsten Förderer des Neokatechumenalen Wegs, der unter den katholischen Bewegungen zu jenen gehört, die am stärksten das traditionelle Familienmodell verteidigen. Der vom Papst bevorzugte neue Erzbischof von Madrid, Carlos Osoro Sierra, schaffte es hingegen nur ganz knapp, als Synodale nach Rom reisen zu können. Nur um eine Stimme überrundete er den konservativen Bischof Juan Antonio Reig Plá von Alcalá de Henares, der erster Ersatzsynodale wurde.
Eindeutig konservativ ausgerichtet ist der einzige Vertreter der Niederlande, Willem Jacobus Kardinal Eijk. Dasselbe gilt für den Großteil der afrikanischen Synodalen.
Neokardinäle von Franziskus scheitern
Überraschend das Ergebnis von Neuseeland, wo dem Neokardinal John Atcherley Dew, ein entschiedener Unterstützer der progressistischen Thesen auf der Bischofssynode im vergangenen Oktober, die nötigen Stimmen fehlten, um erneut als Delegierter seines Landes nach Rom zurückkehren zu können.
Ebensowenig wurde in Uruguay ein anderer Neokardinal, Daniel Fernando Sturla Berthouet, Erzbischof von Montevideo gewählt, der auch ein Progessist ist. Auf der Synode wird Bischof Jaime Fuentes Martin von Minas Uruguay vertreten, ein Angehöriger des Opus Dei und übrigens auch direkter Zeuge, als er Kaplan der Ordensfrauen im Dienst der Apostolischen Nuntiatur in Montevideo war, der skandalösen „Ménage“ des damaligen Botschaftsangehörigen Battista Ricca, der heute bei Papst Franziskus in hoher Gunst steht, und seines Geliebten, den er aus der Schweiz mitgebracht hatte. Franziskus beförderte Ricca zum päpstlichen Hausprälaten der Vatikanbank IOR. Fuentes Vorgänger als Bischof von Minas, Francisco Domingo Barbosa Da Silveira war wegen ähnlicher Vorfälle 2009 von Papst Benedikt XVI. zum Rücktritt gezwungen worden.
Diesem ersten Teil der Synodalen läßt sich entnehmen, daß die Vertreter gewagter Änderungen der Lehre und der Praxis der Kirche in Sachen Ehe und Homosexualität auf der Synode im kommenden Oktober keine gemähte Wiese vorfinden werden.
Progressistischer Aktivismus
Das ändert aber nichts daran, daß einige von ihnen durch besonderen Aktivismus zugunsten ihrer Sache auffallen.
In den USA zum Beispiel macht Neo-Erzbischof Blase Cupich von Chicago kein Geheimnis daraus, daß Kardinal Walter Kasper, der Kopf der Veränderer, sein Orientierungspunkt ist und er entsprechend handle.
Wie er es bereits in seiner vorigen Diözese Spokane getan hatte, so kündigte Cupich in einem Interview des „Commonweal“ an, daß er jedem Priester seines neuen Erzbistums eine Kopie der Kasper-Rede beim Kardinalskonsistorium vom Februar 2014 schenken werde, mit der der deutsche Kardinal die Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen forderte. Ebenso, daß er Seminare organisieren werde, damit sich seine Priester die Inhalte der Rede gut zu eigen machen.
Kardinal Marx: Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene „nur erster Schritt“
In Deutschland ist der Erzbischof von München, Reinhard Marx, der auch einer der neun Kardinale ist, die den Papst beraten, noch weiter gegangen. In einem Interview mit der Wochenzeitung der New Yorker Jesuiten „America“ sagte er, daß die Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen nur der ersten Schritt sei, denn es müsse bei der Ehelehre angesetzt werden, die zu aktualisieren sei. Gleiches gelte auch zur Homosexualität.
Unterdessen hat die Deutsche Bischofskonferenz dafür gesorgt, ihren Beitrag zur Bischofssynode vom vergangenen Oktober öffentlich zu machen: ein Dokument zur Unterstützung der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen, das von der großen Mehrheit der deutschen Bischöfe unterschrieben wurde und faktisch in der Praxis bereits in großem Stil Realität ist.
Antwerpens Bischof: „Kirche soll Homosexualität anerkennen“
In Belgien hat der Bischof von Antwerpen, Johan Bonny sein ohnehin schon reichhaltiges progressistisches Marschgepäck noch erweitert. Er war bereits Mitarbeiter von Kardinal Walter Kasper im Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und gilt unter den neuen römischen Verhältnissen als aussichtsreichster Anwärter auf die Nachfolge des konservativen Erzbischofs von Mecheln-Brüssel, André-Joseph Léonard. Bonny forderte in einem Interview der Tageszeitung „De Morgen“, daß die Kirche homosexuelle Beziehung voll anerkennen solle.
Wenn der Blick von den Bischöfen zu den Theologen wechselt, fällt er an erster Stelle auf den Italiener Giovanni Cerati, den Kardinal Kasper als Hauptquelle für seine Rekonstruktion der frühkirchlichen Praxis gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen zitiert. Cerati wiederholte nicht nur seine Thesen und verbat sich kategorisch jegliche Kritik daran, sondern verschärfte sie noch. Er behauptete apodiktisch, daß jeder, der wiederverheiratet Geschiedenen die Eucharistie verweigere, sich selbst „außerhalb der Gemeinschaft der großen Kirche“ stelle.
Progressistischer Bannstrahl: Wer Kommunion verweigert „stellt sich außerhalb der Kirche“
Das schreibt er auch im Vorwort zur soeben erfolgten Neuauflage seines Buches „Divorziati risposati. Un nuovo inizio ਠpossibile?“ (Wiederverheiratete Geschiedene. Ist ein neuer Anfang möglich?, Verlag Cittadella di Assisi).
„Wer die Möglichkeit nicht anerkennt, daß diesen Personen die sakramentale Versöhnung gewährt werden kann, indem er die Vollmacht der Kirche leugnet, die Barmherzigkeit im Namen Christi auszuüben und alle Sünden vergeben zu können, verfällt dem Irrtum der Novatianer. Sie schlossen die Verantwortlichen für Sünden der Apostasie, des Mordes und des Ehebruchs bis zum Totenbett von der Versöhnung und der Gemeinschaft aus, indem sie mit dem letzten Begriff die Personen meinten, die auf diese Weise im Evangelium bezeichnet werden (aber nie die wiederverheirateten Verwitweten). Der großen Kirche kam bald zu Bewußtsein, vom Herrn die Vollmacht erhalten zu haben, von jeglicher Sünde lossprechen zu können, weshalb sie sie zur Buße zuließ und nach Abschluß der Bußzeit wieder in die kirchliche und eucharistische Gemeinschaft aufnahm. Möge der Herr es nicht zulassen, daß jene, die im Namen der Glaubensverteidigung sich heute der Versöhnung der Gläubigen, die sich in dieser Situation befinden, widersetzen, dem Irrtum der Novatianer verfallen und Gefahr laufen, sich damit außerhalb der Gemeinschaft der großen Kirche zu stellen!“
Jesuit Masiá: „Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe ändern“
In Japan geht der spanische Jesuit Juan Masiá noch weiter. In einem langen Interview für das progressistische katholische Internetportal „Religion Digital“, das ihn als „einen der weltweit bedeutendsten Bioethik-Experten“ vorstellt.
Masiá fordert darin nicht nur das Priestertum „für alle“ einschließlich Frauen, wie bereits der Titel des Interviews hervorhebt. Konkret zu Ehe und Scheidung fordert er, daß man nicht bei Änderung der Praxis haltmache, wie vom zu vorsichtigen Kasper nahegelegt wird, sondern endlich das tue, was nicht einmal das Zweite Vatikanischen Konzil gewagt habe: die Änderung der Glaubenslehre einschließlich des Dogmas der Unauflöslichkeit der Ehe. Und was die Enzyklika Humanae vitae betrifft, die von Papst Franziskus mehrfach lobend genannt wurde, ist der Jesuit Masiá kurz angebunden. Er sagt, daß es geradezu sinnlos sei, sie überhaupt in Betracht zu ziehen. Sie sei einfach „zu vergessen“.
Kloster Bose: „Auflösung der Ehe und Zweitehe zulassen“
Weniger flammend in den Worten, aber nicht weniger radikal in der Substanz ist die Linie des Klosters von Bose, dessen Gründer und Prior Enzo Bianchi auf beträchtliche Teile nicht nur des italienischen Katholizismus Einfluß hat, besonders seit ihn Papst Franziskus zum Consultor des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen befördert hat.
Der Vize-Prior von Bose, Luciano Manicardi, forderte in einem Interview des “Osservatorio delle libertà ed istituzioni religiose“, daß die katholische Kirche, wie bereits die orthodoxen Kirchen, die Auflösung einer Ehe und damit auch die Möglichkeit einer Zweitehe zulassen solle, nicht nur beim Tod eines Ehepartners, sondern auch nur wegen des „Tods der Liebe“.
Im deutschen Raum kaum abweichende Stimmen vom dominanten Pro-Kasper-Chor
Im Vergleich zu diesem massiven Aufgebot an Kräften, sind die Verteidiger der Unauflöslichkeit der Ehe weniger lautstark und weniger sichtbar. Als eine der raren abweichenden Stimmen vom im deutschen Sprachraum vorherrschenden Pro-Kasper-Chor ist der Generalvikar der Diözese Chur Martin Grichting zu nennen. In der Tageszeitung „Die Tagespost“ vom 22. Januar erschien sein Aufsatz „Eine pastorale Wende“.
Der Kirchenrechtler fordert dazu auf, die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen mit der Art des Apostels Paulus anzugehen: voll Verständnis, aber unmißverständlich bis zum Martyrium im Zeugnis für die Wahrheit. Grichtings Aufsatz wurde auch ins Italienische übersetzt und veröffentlicht, um seine Verbreitung und Wirksamkeit zu erhöhen.
Kardinal Müller: Widerstand gegen die „subtile Häresie“
Gegen die „subtile Häresie“, die Lehre von der pastoralen Praxis zu trennen, indem man durch die Änderung letzterer auch erstere verändert, obwohl man mit Worten so tue, als würde man sie verteidigen, erhob Kardinal Gerhard Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation bereits mehrfach seine Stimme. Zuletzt geschah dies in seiner Ansprache zur Eröffnung der Session der Internationalen Theologenkommission am 1. Dezember 2014. Die Rede wurde in der Ausgabe vom 1./2. Dezember vom „Osservatore Romano“ veröffentlicht (siehe Bild rechts).
Schließlich ist noch der Appell an Papst Franziskus von 100 katholischen Persönlichkeiten und mehr als 30 Lebensrechts- und Familienorganisationen zu nennen. Der Papst wird gebeten, „ein klärendes Wort“ gegen die „allgemeine Orientierungslosigkeit“ zu sprechen, die durch die Diskussion um die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion entstanden sei, weil die Möglichkeit einer Anerkennung des Ehebruchs durch die Kirche im Raum stehe.
Unter den Unterzeichnern finden die Kardinäle Raymond Leo Burke, Walter Brandmüller und Jorge Arturo Medina Estevez, die Bischöfe Wolfgang Haas von Vaduz, Charles Palmer-Buckle von Accra und Athanasius Schneider von Astana, die Professoren Wolfgang Waldstein, Josef Seifert und Luke Gormally von der Päpstlichen Akademie für das Leben, der Exilkubaner Armando Valladares sowie der ehemalige Botschafter der USA bei der UN-Menschenrechtskommission.
Kardinal Ruini: „Katholische Papst-Kritiker haben Vorderlader. Die laizistische Presse hat eine Luftwaffe“
Kardinal Camillo Ruini sagte in einem Interview des „Corriere della Sera“ vom vergangenen 22. Oktober, daß die mediale Kraft der katholischen Kritiker von Papst Franziskus viel schwächer sei als jene der laizistischen Presse, die den Papst auf ihre Seite ziehe und ihn vereinnahme: „Die einen verfügen über Vorderlader, die anderen über eine Luftwaffe“.
So scheint es auch in der Zwischenphase zwischen den beiden Synoden über die Familie zu sein: Die Luftwaffe haben die Veränderer und die Vorderladergewehre haben die Verteidiger der katholischen Glaubenslehre und der überlieferten Praxis.
Aber wie bereits bei der Versammlung im vergangenen Oktober geschehen, könnte sich das Geschick auf der kommenden Synode umkehren.
Text: Sandro Magister/Settimo Cielo
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo/Osservatore Romano/formiche