(Den Haag) Die Niederlande waren der erste Staat, der die Euthanasie entkriminalisierte. Das war im Jahr 1993, nachdem seit 1980 darüber diskutiert wurde. Zehn Jahre später, 2003, berichtete die Wissenschaftszeitschrift Lancet, daß 2,6 Prozent aller Totenscheine (oder 3.647 Todesfälle) des Jahres 2001 in Zusammenhang mit praktizierter Euthanasie zu bringen waren. In einem Viertel dieser Fälle erfolgte die Tötung ohne Zustimmung des Patienten und war damit in jeder Hinsicht Mord.
2001 war das Jahr, in dem die Niederlande den „sanften Tod“ offiziell legalisierten – unter Einhaltung einiger Bedingungen. Der Todeskandidat muß volljährig und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein, seinen Todeswunsch mehrfach ausdrücklich wiederholen, er muß unter unzumutbaren Schmerzen leiden ohne Aussicht auf Besserung, zwei Ärzte müssen diesen Gesundheitszustand mit ihrer Unterschrift bestätigen. In der Neuregelung wurde verankert, daß sich der Gesundheitszustand des Todeskandidaten nicht im Endstadium befinden muß, um Zugang zum unterstützten Selbstmord zu haben.
Scheibchenweise gegen das Lebensrecht
Für die Legalisierung der Euthanasie stimmte die sozialdemokratisch geführte „lila“ Regierungskoalition aus PvdA, rechtsliberaler Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und linksliberalen Demokraten 66. Das Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung, in den Niederlanden kurz euthanasiewet genannt, trat am 1. April 2002 in Kraft.
In den ersten sechs Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes nahmen die Euthanasiefälle um 32 Prozent zu, so Lancet. Es besteht jedoch der Verdacht, wie das New England Journal of Medicine berichtete, daß die Zahlen zu nieder angesetzt sind, da viele Fälle praktizierter Euthanasie nicht gemeldet werden.
Groninger Protokoll für Kindereuthanasierung
Legte das Gesetz von 2001 fest, daß nur in jeder Hinsicht voll entscheidungsfähige und entscheidungsbefugte Personen die Euthanasie in Anspruch nehmen dürfen, wurde der Staatsmord 2005 auf minderjährige Kinder ausgeweitet. Verantwortlich dafür ist Eduard Verhagen, der medizinische Direktor der Kinderabteilung der Universitätsklinik Groningen (Universitair Medisch Centrum Groningen). Unter Leitung Verhagens war im September 2004 das „Groninger Protokoll“ entstanden, das Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung für Ärzte verlangte, die Euthanasie an neugeborenen und minderjährigen Kindern praktizierten. Das Protokoll zeigte, daß die Euthanasie nicht nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen von 2001 praktiziert wurde und die Kontrollmechanismen nicht funktionierten.
Das Groninger Protokoll führt nicht zu einer Verschärfung der Kontrollen, sondern zur Legalisierung der Kindereuthanasierung. Die Altersgrenze wurde von 18 auf 12 Jahre heruntergesetzt. Kinder im Alter von 12 bis 16 Jahre brauchen die Zustimmung der Eltern (Erziehungsberechtigten), um sich aus dieser Welt zu verabschieden. 16–18-Jährige müssen zumindest ihre Eltern vorher informieren. Der behauptete „freie Willen“, der Voraussetzung für die Tötung ist, wurde damit offiziell ad acta gelegt. In der Praxis war er das bereits vorher. Seit der Straffreistellung der Euthanasie wird wild getötet. Der Gesetzgeber toleriert dies jedoch und zeigt keinerlei Anstalten, auf die Einhaltung des Gesetzes zu pochen. Seit dem 1. Juli 2005 hat das Groninger Protokoll in der Kindermedizin der Niederlande gesetzliche Geltung. Die damalige Regierungsregierung wurde von den Christdemokraten des CDA geführt, die zusammen mit den bereits genannten Rechts- und Linksliberalen regierten.
60 Prozent der Kinder, die im ersten Lebensjahr sterben, werden euthanasiert
Ein „schönes“ Protokoll, doch die Wirklichkeit sieht längst anders aus. Verhagen selbst war es, der 2005 im New England Journal of Medicine behauptete, daß 60 Prozent der Kinder, die im ersten Lebensjahr sterben, euthanasiert wurden. Damit legte der Euthanasie-Verfechter offen, daß auch die in seinem eigenen Groninger Protokoll festgeschriebenen Bedingungen nicht eingehalten werden. Und das im großen Stil. Der Artikel bestätigte die Salamitaktik, mit der die uneingeschränkte Euthanasie durchgesetzt werden sollte, indem man jeweils soweit ging, wie die Widerstände in der Bevölkerung durch gezielte Kampagnen ausgehebelt werden konnten.
Gerade bei Kindern zeigt die niederländische Praxis, daß die Euthanasie keineswegs an die gesetzlich genannten unerträglichen Schmerzen gekoppelt ist. Für die Kapitalstrafe durch Hinrichtung genügen bei Kindern oft banale „Defekte“, die Eltern für sich selbst für psychisch unzumutbar halten. Kritiker werfen Verhagen „falsches Mitleid“ vor, wenn er schreibt: „Die Ärzte müssen den Verwandten die Abscheulichkeit ersparen, ihre eigenen Kinder im Leiden sterben zu sehen“. Die Realität aber ist weit brutaler und zwar durch den Menschen, nicht die Natur. Verhagen wirbt dafür, daß es die Verwandten sind, die den Kindern, besonders behinderten Kindern das Lebenslicht ausknipsen sollen und der Arzt sie darin unterstützen solle.
64 Prozent der Ärzte fühlen sich von Familie, nicht vom Patienten zur Euthanasie gedrängt
Ein Bericht der Royal Dutch Medical Association schreibt, daß 64 Prozent der niederländischen Ärzte sich durch die Familien der Patienten unter Druck gesetzt fühlen, die Euthanasie zu praktizieren, nicht durch die Patienten. Ein Beweis, daß es die Gesunden und nicht die Kranken sind, die den Tod herbeirufen – für andere. Vor kurzem informierte dieselbe Royal Dutch Medical Association, daß die Zahl der im ersten Lebensjahr euthanasierten Kinder steige und derzeit 650 Tötungen im Jahr umfasse. „Die tödliche Spritze ist erlaubt, wenn der Tod unvermeidbar ist und die Leidenszeit nur verlängert und den Eltern dadurch schweres Leid verursacht wäre.“
Im benachbarten Belgien ging man noch weiter. Dort erlaubt die Abtreibung die Tötung der ungeborenen Kinder und die Euthanasie die Tötung des Menschen ab der Geburt an jedem Zeitpunkt seines Lebens. Einen tatsächlichen und uneingeschränkten gesetzlichen Schutz gibt es zu keinem Zeitpunkt des Lebens mehr. Das belgische Euthanasiegesetz beruht auf demselben Grundsatz, der auch die Abtreibung regelt: das Selbstbestimmungsrechts der Eltern, die das Recht haben, über Leben und Tod ihres Kindes zu entscheiden. Eingeschränkt wird dieses Recht von der „Lebensqualität“, einem kaum meßbaren Begriff. Die Logik der Kultur des Todes fragte sich zu Recht: Wenn man ein behindertes ungeborenes Kind töten kann, warum dann nicht auch ein behindertes geborenes Kind? Das hatten auch die nationalsozialistischen Rassenhygieniker so gesehen. Und genauso zur selben Zeit die Rassehygieniker und Eugeniker der Abtreibungslobby im demokratischen Westen (siehe Die rassistische Wurzel der Abtreibungslobby – Margaret Sanger und der Ku Klux Klan). Der Unterschied besteht nur darin, daß man in der Zwischenkriegszeit die eugenetischen Ziele offen benannte, einschließlich der Kostenrechnung für den Staat, „lebensunwertes“ Leben „durchfüttern“ zu müssen.
Seit der NS-Zeit und zur Minderung der Widerstände im Volk haben sich zwar nicht die Zielsetzungen geändert, dafür aber die Argumente, mit denen für deren Erreichung geworben wird. In der Spaß- und Konsumgesellschaft wird die Mitleidsdrüse gedrückt (siehe auch Wo tagen die Euthanasierer von heute? In Auschwitz!). So wird aus der Euthanasie an geborenen Kindern, deren Behinderung aber von den Eltern (die Betonung liegt auf der Mutter) als unzumutbar betrachtet wird, gewissermaßen nach derselben Logik des Abtreibungsgesetzes eine Abtreibung post partum, wie die Forscher Giubilini und Minerva im Journal of Medical Ethics schreiben.
Text: CR/ Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Eine Gesellschaft, die ihre Kinder und Alten Menschen nicht mehr ehrt, ist keine Gesellschaft. Gestern standen wir noch vor dem Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter.…
Die Euthanasieregelungen sind faktisch nur Papier.
Sehr bekannt in den Niederlanden weil mit öffentlicher Empörung einhergegangen ist der Fall einer Frau mit schnell fortschreitender Demenz, die von den gesetzlich vorgesehenen Kontrollärzten untersucht wurde und wo festgestellt wurde, daß die Patientin ihren Wunsch nicht mehr äussern konnte; sie wurde trotzdem exekutiert.
Noch schlimmer ist es in Belgien: offensichtlich gibt es für jede offiziell durchgeführte Euthansasie zwei zusätzliche unbürokratisch durchgeführte Tötungen.
Inzwischen ist es in breiten Kreisen der Bevölkerung Allgemeinauffassung daß die teure Heimunterbringung so viel günstiger verkürzt werden kann- zum Vorteil der Erben.
Santé!
(Unnötig zu sagen daß die modernistische Bischöfe in Belgien auf diesem Gebiet den Mund nicht aufmachen)