(Aachen) „Die schleichende Abkehr von Rom“ ist der Titel eines 2014 im Patrimonium-Verlag erschienenen Buches, in dem sich Willi Arnolds zunächst mit der katholischen Kirche in Deutschland beschäftigt, gefolgt von einem ausführlichen zweiten Teil, der das Bistum Aachen zum Gegenstand hat. So „schleichend“ aber scheint die „Abkehr von Rom“ gar nicht zu sein, liest man im ersten Teil die verschiedenen Episoden, welche die jüngere Kirchengeschichte in Deutschland geprägt haben (oder belasten, wie man will):
Kölner Erklärung von 1989, Diskussionen über die Ehe speziell in den 1990er-Jahren – das Desaster rund um die Bischofssynode 2014 hat es nicht mehr ins Buch geschafft –, wiederum in den 1990er-Jahren die Debatte um Abtreibung und den Beratungsschein, Bischof Richard Williamson und die diesbezüglichen Angriffe auf Papst Benedikt XVI., das Theologenmemorandum von 2011, sowie neben vielen weiteren Themen die Enzyklika „Ordinatio sacerdotalis“ von 1994 (im Buch wird fälschlicherweise 1993 geschrieben).
Hier begegnet uns die ablehnende Haltung des BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend), dessen Bundespräses damals ein gewisser Pfarrer Rolf-Peter Cremer war, der bis heute im Bistum Aachen als Leiter der Hauptabteilung „Pastoral/Schule/Bildung“ im Generalvikariat ohne Zweifel eine der einflussreichsten Personen ist. Damals wurde Cremer von der Deutschen Bischofskonferenz von seinen Aufgaben entbunden. Gleichzeitig wurde gegenüber Cremer eine „förmliche Missbilligung“ ausgesprochen.
Sachliche Diskussion des Bistums Aachen
Während der erste Teil von „Die schleichende Abkehr von Rom“ ungefähr 250 Seiten umfasst, so widmet Willi Arnolds der Situation im Bistum Aachen fast 400 Seiten. Entsprechend können in dieser Buchbesprechung die Dinge nur angerissen werden. Insgesamt kann man von wertvoller „opposition research“ sprechen, will man diesen politischen Begriff in kirchliche Angelegenheiten einführen. Die Bezeichnungen „Anklageschrift“ oder „vernichtendes Dossier“ wären auch nicht unpassed.
Der Autor bleibt sehr sachlich, wie man es sich von einem Historiker wünscht. Nur selten schimmert seine persönliche Einschätzung durch, sieht man einmal vom kurzen Schlusswort ab. Durchgehend zitiert Arnolds aus der Aachener Kirchenzeitung, sodass man ihm keineswegs eine einseitige, für das Bistum Aachen nachteilige Auswahl der Quellen vorwerfen kann.
Die Macht des Generalvikariats
Es scheint die These von Willi Arnolds zu sein, dass gerade das Generalvikariat in Aachen für die „schleichende Abkehr von Rom“ zur Verantwortung zu ziehen ist. So zitiert er etwa Hans Conrad Zander: „Dort [in Aachen] hat sich in den letzten sieben Jahren das Büropersonal des Bischofs versiebenfacht. Anno 1970 nämlich beschäftigte der alte Bischof Johannes Pohlschneider in seiner Verwaltung – der Kurie – 75 Mann. Sieben Jahre danach beschäftigt der junge Bischof Klaus Hemmerle 520 Bürokraten.“ Bei der Gründung des Bistums Aachen 1930 gab es gar nur 17 hauptamtliche Mitarbeiter, obwohl sich die Katholikenzahl im Jahr 2005 nicht wirklich von der im Jahr 1930 unterscheidet.
Im Allgemeinen sehr fragwürdig ist im Bistum Aachen das Vorantreiben eines sogenannten „Pastoralplans“, der etwa von „Gemeinschaften der Gemeinden“ spricht – ein von Rom offiziell kritisierter Begriff, was jedoch zu keiner Kursänderung führte – und „Pastoralteams“ einführt, welche mehrheitlich nicht aus Priestern, sondern aus Laien bestehen, auch wenn der Leiter offiziell der Pfarrer ist. Ein anderes Beispiel für die Missachtung oder zumindest unerhörte Dehnung des Kirchenrechts, das auch wieder die Macht des Generalvikariats hervorhebt: „In der Region Düren haben die für das Kirchenvolk keineswegs repräsentativen Laien-Gremien gegen die Anweisung von Diözesanbischof Dr. Mussinghoff eine ‚Synode‘ gebildet, wobei ein Laie den Regionaldekan vertritt. Der Bischof verbot dies zwar, aber der Vorstand des Gremiums, verhandelte mit dem Aachener Generalvikariat. Ergebnis: Der Begriff ‚Synode‘ wurde durch einen mit dem kanonischen Recht konformen Begriff ersetzt, das etablierte System als ‚Versuch‘ bezeichnet und nichts geändert.“
„Demontage einer intakten Pfarrei“
Einen etwas genaueren Blick verdient in dieser Buchbesprechung auch die Situation in Otzenrath und Spenrath, die von Arnolds mit „Demontage einer intakten Pfarrei“ überschrieben wird. Die beiden Orte wurden aufgrund des Braunkohletagebaus umgesiedelt, weshalb auch die sprichwörtliche „Kirche im Dorf“ aufgegeben werden musste. An und für sich kein unüberwindbares Problem, zahlt doch das für den Tagebau zuständige Unternehmen („Rheinbraun“ bzw. heute „RWE Power“) für den Neubau der Gebäude von umzusiedelnden Dörfern. Zunächst wurde also im Auftrag des Bistums ein Plan für eine neue Kirche erstellt. Die Reaktionen der Bevölkerung: „Unsere Kirche soll keine Mehrzweckhalle sein, deshalb wollen wir Bänke und keine Stühle.“ – „Diese supermoderne Klotzform ist für mich keine Kirche.“ – „Das erinnert mich stark an eine Fabrik mit einem Abzug.“ – „Das vertraute Erscheinunsbild in gänzlich weg.“ Die Reaktion des Generalvikariats: „Wir genehmigen heute keine Kirchenbauten wie von 1898.“
Wenig später, im Jahr 2002, erfahren die umgesiedelten Katholiken dann, dass es keine neue Pfarrkirche geben werde, da das Dorf im Zuge der Umstrukturierung in eine andere Pfarrei eingegliedert werde. „Für die Gläubigen der beiden Orte plane das Generalvikariat nur ein kleines Pfarrheim in Otzenrath, die Trägerschaft des katholischen Kindergartens und gemeinsam mit der evangelischen Gemeinde einen ökumenischen Friedhof.“
Pfarrer Ludwig Zermahr besuchte damals den Bischof, um über das etwaige Weiterbestehen der Pfarrei zu sprechen. Mit von der Partie: Pfarrer Rolf-Peter Cremer. In Zermahrs Aufzeichnungen zu dem Gespräch heißt es: „Das Gespräch sollte eine Stunde dauern. Es hat bis auf wenige Minuten 2 Stunden gedauert. Und der Bischof kam schon in Verlegenheit und schaute bisweilen ein wenig hilflos auf seinen Pfarrer Cremer.“
An anderer Stelle wird allerdings deutlich, dass Willi Arnolds den Bischof nicht einfach als schwachen Mann, der von seinem Generalvikariat überrannt wird, sieht: „Allerdings scheint auch Bischof Dr. Mussinghoff vatikanische Anweisungen lediglich als Empfehlungen zu verstehen.“ Da allerdings „die Akten für die Forschung noch nicht zur Verfügung stehen, muss vorerst offen bleiben, welchen Einfluss der Bischof auf die Entwicklung im Bistum Aachen hat.“ Was jedenfalls Otzenrath und Spenrath angeht, so konnten die Gläubigen den Erhalt ihrer Pfarrei durchsetzen – bevor es drei Jahre später doch zur Eingliederung in eine andere Pfarrei kam.
Im ganzen Buch unerwähnt bleiben die Steine, welche den Anhängern der überlieferten Liturgie im Bistum Aachen andauernd in den Weg gelegt werden. Hierzu liegen Katholisches.info bislang unveröffentlichte Informationen vor, die geradezu haarsträubend sind. Auch hier ist es gerade das Generalvikariat, das seinen großen Einfluss zur Geltung kommen lässt, obwohl laut gegenwärtiger kirchlicher Gesetzgebung zunächst die Ortspfarrer für die alte Liturgie zuständig wären.
Exzellenter Inhalt, katastophale Form
Inhaltlich ist „Die schleichende Abkehr von Rom“ ein äußerst empfehlenswertes Buch. Was jedoch die Form betrifft, so kann man durchaus von einer Katastrophe sprechen. Es wäre die Aufgabe des Patrimonium-Verlags gewesen, hier für Ordnung zu sorgen. Stattdessen begegnen dem Leser unzählige Tippfehler. So wird ein protestantischer „Landesbischof“ zum „Landebischof“, oder der bekannte Theologe „Georg May“ – korrekt geschrieben im eigentlichen Text – zu „Georg Mai“ in der Fußnote. Häufig ist nicht klar, wann ein Zitat beginnt oder endet, da es mitunter drei offene Anführungszeichen gibt, von denen aber nur eins geschlossen wird. Anführungszeichen, die unten stehen müssten, stehen oft oben, und umgekehrt.
Zahlreiche Verweise auf Fußnoten kommen doppelt vor, sodass innerhalb von höchstens fünf oder sechs Worten überflüssigerweise zweimal auf dieselbe Fußnote verwiesen wird. Zudem nennt Willi Arnolds beinahe konstant die akademischen Titel von Bischöfen und anderen Personen, was schlicht unüblich ist und den Lesefluss stört. Hier hat der Patrimonium-Verlag auf ganzer Linie versagt, weil offensichtlich an einem Lektor gespart wurde. Die Mängel an der Form des Buches führen im Leser natürlich zu einer unbewussten Einschränkung der Überzeugungskraft des Inhalts, der jedoch für sich genommen exzellent und lesenswert ist.
Text: Katholisches.info/b360s
Bild: Patrimonium Verlag
Die schleichende Abkehr von Rom, 674 Seiten, 49,50 €
«die Steine, welche den Anhängern der überlieferten Liturgie im Bistum Aachen andauernd in den Weg gelegt werden. Hierzu liegen Katholisches.info bislang unveröffentlichte Informationen vor, die geradezu haarsträubend sind. Auch hier ist es gerade das Generalvikariat, das seinen großen Einfluss zur Geltung kommen lässt, obwohl laut gegenwärtiger kirchlicher Gesetzgebung zunächst die Ortspfarrer für die alte Liturgie zuständig wären.»
kein Wunder, die traditionelle Liturgie mit ihrer Anziehungskraft auf Leute, auch junge, die von den Event-Gottesdiensten die Schnauze voll haben, ist eine „Konkurrenz“, die die Küng-Komiker im Generalvikariat selbstverfreilich fürchten 🙂
Im Artikel wird auch über den Bau ( besser verordnete Verwüstung) von kaum mehr als katholisch zu erkennenden Kirchen berichtet. Ob Hw Robert Mäder in seiner Schrift „Es lebe Jesus der König“ den bevorstehenden Raubzug gegen die katholische Identität von Kirchenbauten geahnt hat als er bereits 1927 schrieb:
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„Die katholische Kirche ist das Haus des Königs.
Die katholische Kirche wird des Chores wegen gebaut,
das Chor des Altares und des Tabernakels wegen,
der Tabernakel des Ziboriums wegen,
das Ziborium des allerheiligsten Sakramentes wegen.
Dem König in der Hostie dienen alle Künste:
Architektur, Bildhauerei, Malerei, Musik.
Sobald die heilige Hostie verschwindet, wird die Kirche ein architektonischer Unsinn. Wenn der König nicht mehr da ist, muß man nicht mehr Gotteshäuser sondern nur noch möglichst praktische Versammlungslokale errichten.“
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Die schleichende Abkehr von Rom ist eigentlich nur noch von historischen Imteresse. In Rom herrscht ein unglaublicher Zerfall seit Bergoglio zu Gange ist.