
Matthew James Christoff, Initiator von „The New Emangelization“ – ein Apostolat für Männer, dessen Name mit dem Begriff „New Evangelization“, also Neuevangelisierung, spielt – hatte die Gelegenheit, mit Raymond Leo Kardinal Burke ein Interview zu führen. Es folgt der erste Teil der deutschen Übersetzung.
Matthew James Christoff: Eminenz, wir sind erfreut und gesegnet, hier bei Ihnen zu sein. Heute sind wir hier, um über den Zustand katholischer Männer in den Vereinigten Staaten zu sprechen und darüber, wie wir mehr Männer zur “New Emangelization“ bringen können. Vielleicht, um zu beginnen – Wie würden Sie, Eminenz, den Zustand von Männern in der katholischen Kirche heute beschreiben?
Kardinal Burke: Ich denke, es hat eine große Verwirrung gegeben hinsichtlich der besonderen Berufung der Männer in der Ehe und der Männer im Allgemeinen in der Kirche innerhalb der letzten ungefähr 50 Jahre. Dies liegt an einer Reihe von Faktoren, aber der radikale Feminismus, der die Kirche und die Gesellschaft seit den 1960er Jahren attackiert hat, ließ Männer sehr marginalisiert zurück.
Unglücklicherweise hat die radikale feministische Bewegung die Kirche so stark beeinflusst und sie dazu geführt, andauernd Frauenthemen anzusprechen, auf Kosten des Ansprechens von entscheidenden Themen, die für Männer wichtig sind. Die Wichtigkeit des Vaters – sei es in der ehelichen Verbindung oder nicht –, die Wichtigkeit des Vater für die Kinder, die Wichtigkeit der Vaterschaft für Priester, die entscheidende Bedeutung eines männlichen Charakters, die Betonung der besonderen Gaben, die Gott den Männern für das Wohl der ganzen Gesellschaft gibt.
Die Güte und Wichtigkeit von Männern wurde sehr verdunkelt, und aus allen möglichen praktischen Gründen überhaupt nicht hervorgehoben. Dies ist der Fall trotz der Tatsache, dass es eine lange Tradition in der Kirche war – speziell durch die Andacht zum heiligen Joseph –, den männlichen Charakter des Mannes zu betonen, der sein Leben um des Heimes willen opfert, der sich mit Ritterlichkeit darauf vorbereitet, seine Frau und seine Kinder zu verteidigen, und der arbeitet, um den Lebensunterhalt für die Familie zu liefern. So viel von dieser Tradition, die heroische Natur der Männlichkeit zu verkünden, ist in der Kirche von heute verloren gegangen.
Für ein Kind ist es, während es wächst und erwachsen wird, sehr wichtig, all jene tugendhaften Merkmale des männlichen Geschlechts zu beobachten. Die gesunde Beziehung mit dem Vater hilft dem Kind, sich von der innigen Liebe der Mutter wegzubewegen und eine Disziplin aufzubauen, sodass es eine exzessive Eigenliebe vermeiden kann. Dies stellt sicher, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst in passender Weise als eine Person in Beziehung mit anderen zu identifizieren. Das ist entscheidend für Jungen wie auch für Mädchen.
Die Beziehung eines Kindes mit seinem Vater ist zentral für die Selbstidentifizierung eines Kindes, die stattfindet, wenn wir aufwachsen. Wir brauchen diese sehr enge und bejahende Beziehung mit der Mutter, aber gleichzeitig ist es die Beziehung mit dem Vater – die von Natur aus distanzierter, aber nicht weniger liebevoll ist –, welche unser Leben diszipliniert. Sie lehrt das Kind, ein selbstloses Leben zu führen, bereit, jene Opfer die begrüßen, die notwendig sind, Gott und einander getreu zu sein.
Ich erinnere mich an die Mitte der 1970er-Jahre. Junge Männer erzählten mir, dass sie sich in gewisser Weise vor der Ehe fürchteten wegen der radikalisierenden und selbstbezogenen Einstellungen von Frauen, die in dieser Zeit hervortraten. Diese jungen Männer waren besorgt, dass die Schließung einer Ehe schlicht nicht funktionieren würde wegen konstanten und aufdringlichen Forderungen nach Rechten für Frauen. Diese Spaltungen zwischen Frauen und Männern sind seitdem schlimmer geworden.
Jeder weiß, dass Frauen von Männern misshandelt wurden und werden können. Männer, die Frauen misshandeln, sind keine wahren Männer, sondern falsche Männer, die ihren eigenen männlichen Charakter verletzt haben, indem sie Frauen misshandelten.
Die Krise zwischen Mann und Frau wurde sehr verschlimmert durch einen vollständigen Zusammenbruch der Katechese in der Kirche. Junge Männer wuchsen auf ohne angemessene Einweisung hinsichtlich ihres Glaubens und des Wissens um ihre Berufung. Junge Männer wurden nicht gelehrt, dass sie nach dem Bild Gottes geschaffen sind – Vater, Sohn und Heiliger Geist. Diese jungen Männer wurden nicht gelehrt, all jene Tugenden zu kennen, die notwendig sind, um ein Mann zu sein, sowie den besonderen Gaben nachzukommen, ein Mann zu sein.
Um es noch schlimmer zu machen, gab es eine sehr substanzlose, oberflächliche Art des katechetischen Ansatzes zur Frage der menschlichen Sexualität wie zur Natur der ehelichen Beziehung.
Gleichzeitig gab es in der Gesellschaft eine Explosion in Sachen Pornografie, die besonders zerstörerisch für Männer ist, weil sie die ganze Wirklichkeit der menschlichen Sexualität schrecklich verzerrt. Sie führt Männer und Frauen dazu, ihre menschliche Sexualität abgesondert zu sehen von einer Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau in der Ehe.
In Wahrheit ist das Geschenk sexueller Anziehung auf die Ehe gerichtet, und jede Art sexueller Verbindung gehört korrekterweise nur in die Ehe. Aber die ganze Welt der Pornografie verdirbt junge Leute dahingehend, dass sie glauben, ihre sexuelle Fähigkeit diene ihrer eigenen Unterhaltung und Lust – und wird so zu einer zerstörenden Lust, die eine der sieben Todsünden ist.
Das Geschenk der menschlichen Sexualität ist verdreht in ein Mittel zur Selbstbefriedigung, oft auf Kosten einer anderen Person, ob in heterosexuellen oder homosexuellen Beziehungen. Ein Mann, der nicht ausgestaltet wurde mit einer angemessenen Identität als Mann und als Vaterfigur, wird letztendlich sehr unglücklich werden. Diese schlecht ausgestalteten Männer werden abhängig von Pornografie, sexueller Freizügigkeit, Alkohol, Drogen, und der ganzen Skala von Süchten. Zudem ist in diesem Mix … Rede ich zu viel?
Matthew James Christoff: (lacht) Nein, nein …
Kardinal Burke: Um diese traurige Verwirrung von Männern in der Kultur zu verschlimmern, hat es einen schrecklichen Verlust an häuslichem Leben gegeben. Die Kultur ist sehr materialistisch und konsumorientiert. Diese Beschäftigung hat den Vater – und oft die Mutter – dazu geführt, Überstunden zu arbeiten. Die Konsumentenmentalität hat auch zu der Idee geführt, dass das Leben von Kindern mit Aktivitäten angefüllt sein muss: Schule, Sport und Musik, und alle Arten von Aktivitäten an jedem Tag der Woche.
All jene Dinge sind in sich gut, aber es hat einen Verlust an Ausgeglichenheit gegeben. Das häusliche Leben, bei dem Kinder angemessene Zeit mit den Eltern verbringen, ist für viele Familien verloren gegangen. Familien haben aufgehört, sich gemeinsamer Mahlzeiten zu erfreuen. Ich erinnere mich, wie mein Vater uns am Essenstisch Lektionen erteilte und Manieren beibrachte. Zeit im Gespräch mit meinen Eltern zu verbringen war für mein Heranwachsen sehr wichtig. Als ich ein junger Priester war, hat es mich traurig gemacht, dass Eltern und Kinder mir erzählten, dass Väter und Kinder selten miteinander redeten und – wenn sie es taten – nur kurz.
Familien sollten zumindest eine Mahlzeit pro Woche zusammen essen, wenn die ganze Familie beisammen ist. Ein Junge oder junger Mann wird kaum eine korrekte männliche Identität und die männlichen Tugenden aufbauen, lebt er nicht mit einem Vater und einer Mutter, wenn er jene einzigartige und komplementäre Interaktion erleben kann zwischen dem Mann und der Frau im häuslichen Leben, in dem menschliches Leben begrüßt, gefördert und entwickelt werden kann.
All diese verschiedenen Kräfte sind zusammengekommen und haben Männer schwer verwundet.
Leider hat die Kirche nicht effektiv auf diese zerstörerischen kulturellen Kräfte reagiert. Stattdessen hat sich die Kirche zu sehr von einem radikalen Feminismus beeinflussen lassen und die ernsthaften Bedürfnisse von Männern ignoriert.
Meine Generation hat die vielen Gnaden, mit denen wir in unserem soliden Familienleben gesegnet wurden, sowie unsere solide Formung durch die Kirche als selbstverständlich betrachtet. Meine Generation ließ all diesen Unsinn der sexuellen Verwirrung, des radikalen Feminismus und des Zusammenbruchs der Familie weiterlaufen und realisierte nicht, dass wir die nächsten Generationen der höchstgeschätzten Geschenke beraubten, die zu empfangen wir gesegnet waren.
Wir haben die gegenwärtigen Generationen schwer verwundet. Junge Leute beklagten sich verbittert bei mir als Bischof: „Warum wurden uns diese Dinge nicht beigebracht? Warum wurden wir nicht klarer unterrichtet über die Messe, Beichte und traditionelle Andachten?“ Diese Dinge sind von Bedeutung, da sie das geistliche Leben und den Charakter des Mannes formen.
Zur Beichte und zur Sonntagsmesse gehen, den Rosenkranz abends zusammen als Familie beten, gemeinsame Mahlzeiten zu essen – all diese Dinge geben praktische Führung im christlichen Leben. Zu lernen, dass es nicht männlich ist, vulgär oder gotteslästerlich zu sein, und dass ein Mann einladend und höflich anderen gegenüber ist – dies scheinen kleine Dinge zu sein, aber sie formen den Charakter des Mannes. Davon ist viel verloren gegangen.
Matthew James Christoff: Eminenz, was war die Auswirkung dieser katholischen „Männerkrise“ auf die Kirche?
Kardinal Burke: Die Kirche wird sehr feminisiert. Frauen sind selbstverständlich wunderbar. Sie antworten sehr natürlich auf die Einladung, in der Kirche aktiv zu sein. Abgesehen vom Priester ist der Altarraum nun voller Frauen. Die Aktivitäten in der Pfarrei und sogar die Liturgie sind so von Frauen beeinflusst worden und wurden mancherorts so weiblich, dass Männer sich nicht engagieren wollen.
Männer zögern oft, in der Kirche aktiv zu werden. Die feminisierte Umgebung und der Mangel an Einsatz auf Seiten der Kirche, Männer einzubinden, hat viele Männer dazu geführt, sich einfach auszuklinken.
Es wurde beispielsweise politisch inkorrekt, über die Ritter des Altares zu reden – eine Idee, die für junge Männer sehr attraktiv ist. Die Ritter des Altares betonen die Idee, dass junge Männer ihren ritterlichen Dienst am Altar leisten, um Christus in den heiligen Wirklichkeiten der Kirche zu verteidigen. Diese Idee ist an vielen Orten heute nicht willkommen.
Aspekte des kirchlichen Lebens, die den männlichen Charakter von Andacht und Opfer betonen, wurden nicht mehr betont. Andachten, die Zeit und Einsatz verlangten, wurden schlicht aufgegeben. Alles wurde so einfach, und wenn die Dinge einfach sind, so denken Männer nicht, dass sie sich lohnen.
Es gab – und gibt weiterhin – schwerwiegende liturgische Missbräuche, welche die Männer stören.
An vielen Orten wurde die Messe sehr priesterzentriert, sie war wie eine „Priester-Show“. Diese Art von Missbrauch führt zu einem Verlust des Sinnes für das Heilige und entfernt so das wesentliche Geheimnis aus der Messe. Die Realität geht verloren, dass Christus selbst auf den Altar hinabsteigt, um sein Opfer auf Kalvaria zu vergegenwärtigen. Männer sind angezogen vom Geheimnis des Opfers Christi, schalten aber ab, wenn die Messe zu einer „Priester-Show“ oder banal wird.
Die ungezügelten liturgischen Experimente nach dem Zweiten Vatikanum – das meiste davon nicht durch das Zweite Vatikanum gebilligt – entkleidete den Ritus der Messe in weiten Teilen seiner sorgfältigen Artikulation der heiligen Geheimnisse, die über Jahrhunderte hinweg entwickelt worden war. Die Messe schien etwas sehr vertrautes zu werden, aufgeführt von Menschen. Der profunde übernatürliche Sinn des heiligen Geheimnisses wurde verdunkelt.
Der Verlust des Heiligen führte zu einem Verlust der Teilnahme von Frauen und Männern. Aber ich denke, dass insbesondere Männer wegen des Verlustes des Heiligen abgeschaltet haben. Es scheint eindeutig, dass viele Männer nicht zu einer tieferen liturgischen Spiritualität hingezogen sind. Heute sind viele Männer nicht zum Altardienst hingezogen.
Junge Männer und Männer antworten auf Strenge, Präzision und Vorzüglichkeit. Als ich lernte, ein Messdiener zu sein, dauerte die Ausbildung mehrere Wochen, und man musste das Stufengebet auswendig lernen. Es war ein strenger und sorgfältig ausgeführter Dienst. Plötzlich, im Zuge des Zweiten Vatikanums, wurde die Feier der Liturgie vielerorts sehr nachlässig. Sie wurde weniger attraktiv für junge Männer, denn sie war schluderig.
Die Einführung von Messdienerinnen führte auch bei vielen Jungen dazu, den Altardienst aufzugeben. Junge Burschen wollen nichts mit Mädchen zu tun haben. Das ist ganz natürlich. Die Mädchen waren auch sehr gut beim Altardienst. Also trieben viele Jungen im Laufe der Zeit weg. Ich möchte betonen, dass die Praxis, ausschließlich Jungen als Messdiener zu haben, nichts mit Ungleichheit von Frauen in der Kirche zu tun hat.
Ich denke, dass dies zu einem Verlust an Priesterberufungen beigetragen hat. Es bedarf einer gewissen männlichen Disziplin, als Ministrant an der Seite des Priesters zu dienen, und viele Priester haben ihre ersten tiefen Erfahrungen der Liturgie als Messdiener. Wenn wir junge Männer nicht anleiten, Messdiener zu sein, und ihnen so das Erlebnis geben, Gott in der Liturgie zu dienen, sollten wir nicht überrascht sein, dass die Zahl der Berufungen dramatisch gefallen ist.
Übersetzung: Katholisches.info/b360s
Bild: Newemangelization.com