Islamischer Terror und „Charlie Hebdo“: Erzbischof will Gotteslästerung entkriminalisieren


Erzbischof Jean-Pierre Grallet
Erz­bi­schof Jean-Pierre Grallet

(Paris) Das Atten­tat von Paris wur­de mit der Belei­di­gung Moham­meds begrün­det und im Namen Allahs exe­ku­tiert. Einen Tag vor dem Atten­tat for­der­ten Reli­gi­ons­ver­tre­ter, dar­un­ter der katho­li­sche Erz­bi­schof von Straß­burg, die Ent­kri­mi­na­li­sie­rung des Tat­be­stan­des der Gotteslästerung. 

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„Got­tes­lä­ste­rung ist ein direk­ter Ver­stoß gegen das zwei­te Gebot. Sie besteht dar­in, daß man – inner­lich oder äußer­lich – gegen Gott Wor­te des Has­ses, des Vor­wurfs, der Her­aus­for­de­rung äußert, schlecht über Gott redet, es in Wor­ten an Ehr­furcht vor ihm feh­len läßt und den Namen Got­tes miß­braucht. Der hl. Jako­bus tadelt jene, ‚die den hohen Namen [Jesu] lästern, der über euch aus­ge­ru­fen wor­den ist‘ (Jak 2,7). Das Ver­bot der Got­tes­lä­ste­rung erstreckt sich auch auf Wor­te gegen die Kir­che Chri­sti, die Hei­li­gen oder hei­li­ge Din­ge. Got­tes­lä­ster­lich ist es auch, den Namen Got­tes zu miß­brau­chen, um ver­bre­che­ri­sche Hand­lun­gen zu decken, Völ­ker zu ver­skla­ven, Men­schen zu fol­tern oder zu töten. Der Miß­brauch des Namens Got­tes zum Bege­hen eines Ver­bre­chens führt zur Ver­ab­scheu­ung der Reli­gi­on“, heißt es im Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che (Nr. 2148).

„Got­tes­lä­ste­rung wider­spricht der Ehr­furcht, die man Gott und sei­nem hei­li­gen Namen schul­det. Sie ist in sich eine schwe­re Sün­de“, zitiert der Kate­chis­mus den Codex Iuris Cano­ni­ci, Canon 1369.

Der Katechismus gilt nicht für alle Katholiken?

Scha­de nur, daß das heu­te nur mehr für den Kate­chis­mus zu gel­ten scheint, aber nicht mehr für einen Teil der Katho­li­schen Kir­che. Genau einen Tag vor dem isla­mi­schen Atten­tat auf die Redak­ti­on von Char­lie Heb­do in Paris, die zeit­li­che Abfol­ge ist bemer­kens­wert, for­der­te Erz­bi­schof Jean Pierre Gral­let von Straß­burg zusam­men mit Pro­te­stan­ten, Juden und Mos­lems offi­zi­ell die Strei­chung der Got­tes­lä­ste­rung als Straf­tat­be­stand aus dem Straf­ge­setz­buch. Eine sol­che Straf­tat gibt es im lai­zi­sti­schen Frank­reich schon lan­ge nicht mehr. Da das Elsaß und Deutsch-Loth­rin­gen erst 1920 als Fol­ge des Ersten Welt­krie­ges von Frank­reich annek­tiert wur­den, bestehen dort noch Tei­le der deut­schen Rechts­ord­nung fort.

Die der­zei­tig gel­ten­de Rechts­ord­nung sieht bis zu drei Jah­ren Gefäng­nis vor, wer „durch Got­tes­lä­ste­rung in der Öffent­lich­keit mit belei­di­gen­der Absicht Ärger­nis erregt“. 2013 hat­te sich die Ligue de Défen­se Judi­ciai­re des Musul­mans unter Beru­fung auf die­se Straf­norm an das Gericht von Straß­burg gewandt und Anzei­ge gegen Kari­ka­tu­ren von „Char­lie Heb­do“ erstattet.

Das Ver­fah­ren wur­de jedoch wegen for­ma­ler Feh­ler annul­liert. Die mos­le­mi­sche Liga sieht dar­in man­geln­den Wil­len, das gel­ten­de Recht anzu­wen­den. Denn im übri­gen Frank­reich gilt die Belei­di­gung Got­tes bereits seit den Zei­ten der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on nicht mehr als Straftat.

Erzbischof Grallet: Strafnorm „obsolet“ geworden

Der aus Fran­zö­sisch-Loth­rin­gen stam­men­de Fran­zis­ka­ner, Erz­bi­schof Gral­let, bestä­tig­te, daß unter den Ver­tre­tern der ver­schie­de­nen Reli­gio­nen „seit eini­ger Zeit die Über­zeu­gung gereift“ sei, die Abschaf­fung die­ses Ankla­ge­punk­tes zu ver­lan­gen, da er „obso­let“ gewor­den sei. „Die Repu­blik hat aus­rei­chend Mit­tel, um zum gegen­sei­ti­gen Respekt ein­zu­la­den“, hat­te Erz­bi­schof Gral­let erklärt. Dar­in bekräf­tig­te ihn Abdel­laq Nabaoui, der stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des Con­seil régio­nal du cul­te musul­man (CRCM) im Elsaß, der sag­te, er ver­tre­te „die glei­che Linie. Was uns inter­es­siert, ist die Mei­nungs­frei­heit“. Was eini­ge sei­ner Reli­gi­ons­ge­nos­sen dar­über den­ken, konn­te man weni­ge Stun­den spä­ter in Paris sehen.

Die gemein­sa­me For­de­rung wur­de offi­zi­ell im Rah­men einer Anhö­rung vor dem Obser­va­toire de la laï cité in Paris vor­ge­bracht. Die „Beob­ach­tungs­stel­le für den Säku­la­ris­mus“ ist eine von Staats­prä­si­dent Fran­çois Hol­lan­de 2013 ins Leben geru­fe­ne Regie­rungs­agen­tur, die über die Ein­hal­tung der strik­ten Tren­nung von Staat und Kir­che wachen soll. Sie ist direkt dem Pre­mier­mi­ni­ster unter­stellt. Vor­sit­zen­der ist der sozia­li­sti­sche Poli­ti­ker Jean-Lou­is Bian­co, der auch euro­pa­po­li­ti­scher Bera­ter sei­ner Par­tei ist.

Strafrechtliche Verfolgung der Gotteslästerung „ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit“

Bian­co und die ande­ren Mit­glie­der der „Beob­ach­tungs­stel­le“ gra­tu­lier­ten den Reli­gi­ons­ver­tre­tern für die Ein­sicht, daß es sich bei der Straf­norm „um eine über­zo­ge­ne Bestim­mung“ hand­le und die­se „ein Anschlag auf die Mei­nungs­frei­heit“ sei. Nico­las Cadà¨ne, der Bericht­erstat­ter der „Beob­ach­tungs­stel­le“ beton­te, daß die Reli­gi­ons­ver­tre­ter „selbst uns vor­ge­schla­gen haben, dem ein Ende zu set­zen“, weil sie die Bestim­mung für „inzwi­schen ver­al­tet“ anse­hen. Nico­las Cadà¨ne, eben­falls Sozia­list, ist Mit­ar­bei­ter im Kabi­nett von Umwelt- und Ener­gie­mi­ni­ste­rin Ségolà¨ne Royal.

In der offi­zi­el­len Stel­lung­nah­me des Obser­va­toire de la laï cité wird an „Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit“ als „Wer­te“ der „einen, unteil­ba­ren, lai­zi­sti­schen, demo­kra­ti­schen und sozia­len Repu­blik“ Frank­reich appel­liert. Und das Atten­tat gleich­zei­tig in einen Zusam­men­hang mit dem Mas­sa­ker von Anders Brei­vik von 2011 in Ver­bin­dung gebracht.

Ein Teil der Katho­li­schen Kir­che, ein­schließ­lich der Erz­bi­schof von Straß­burg, hält es gemein­sam mit der „Beob­ach­tungs­stel­le“ für „über­holt“, die absicht­li­che Läste­rung Got­tes unter Stra­fe zu stel­len, obwohl die Hei­li­ge Schrift, das Lehr­amt und die Tra­di­ti­on der Kir­che etwas ande­res sagen. Ein Blick in den Kate­chis­mus genügt. Cor­ri­spon­den­za Roma­na kom­men­tier­te die Ereig­nis­se mit einer iro­ni­schen rhe­to­ri­schen Fra­ge: „Wer weiß, ob man frü­her oder spä­ter, um auch in die­sem Punkt die Kar­ten neu zu mischen, die Ein­be­ru­fung einer außer­or­dent­li­chen Bischofs­syn­ode for­dern wird?“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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