(Rom) In Italien ist gestern die erste Ausgabe einer neuen katholischen Tageszeitung erschienen. La Croce (Das Kreuz) nennt sich das neue Medienprojekt und bezeichnet sich selbst als „erste Pro Life Tageszeitung Italiens“. Die Online-Ausgabe der ersten Nummer erschien am Montag und gelangte gestern in gedruckter Ausgabe an die Kioske.
Anstoß zur Gründung der Tageszeitung ist die Auseinandersetzung um die Gender-Theorie und das Buch von Mario Adinolfi „Voglio la Mamma“. Mario Adinolfi, Jahrgang 1971, ist ein katholischer Journalist, der seine berufliche Karriere beim Avvenire, der Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz begann und in jungen Jahren in der damals noch existierenden Democrazia Cristiana (DC) aktiv war.
Der linkskatholische „Gutmensch“
Als die Christdemokratie in den 90er Jahren zwischen den beiden großen Blöcken, den linken Nachfolgern der kommunistischen Partei (KPI) und dem rechten Novum von Silvio Berlusconi (Forza Italia) zerbrach, schloß er sich mit dem linkskatholischen Flügel dem linken Block an. Aus dem Zusammenschluß von Postkommunisten, Sozialisten, Linksliberalen und Linkskatholiken entstand der heute in Italien regierende Partito Democratico (PD).
2007 kandidierte Adinolfi für das Amt des Parteivorsitzenden. Eine „kleine Provokation“, wie er heute sagt. Er bekommt bei den Vorwahlen nur einige Tausend Stimmen, wird aber Mitglied der konstituierenden Versammlung, die das Parteistatut verfaßt. Er arbeitet für den parteinahen Sender RED TV und gehört der Parteileitung an.
Doch das ist längst Vergangenheit. 2011 erlangte Adinolfi erstmals größere Bekanntheit, als er Einspruch gegen das Anti-Homophobie-Gesetz erhob, das von seiner Partei vertreten und vom Italienischen Parlament beschlossen wurde. Er kritisierte das Gesetz als bedenkliche Bevorzugung einer kleinen Minderheit und gefährliche Einschränkung der Meinungs- und Religionsfreiheit. 2012–2013 war Adinolfi als Nachrücker kurze Zeit Parlamentsabgeordneter der Demokratischen Partei. Bei den Parlamentsneuwahlen 2013 wurde er erst gar nicht mehr nominiert.
Der abtrünnige „Häretiker“
Auch in Italien gibt es virulente Bestrebungen, die Rechtsordnung nach der Gender-Ideologie umzubauen durch Legalisierung der Homo-Ehe, Privilegien für Homosexuelle, Strafandrohung für Andersdenkende, Adoptionsrecht für Homosexuelle, Liberalisierung der künstlichen Befruchtung, Abschaffung von Vater und Mutter und Ersetzung durch Elter 1 und Elter 2 in amtlichen Dokumenten. Dagegen schrieb Mario Adinolfi das Buch „Voglio la Mamma“. Ein Plädoyer für das Recht eines Kindes, einen Vater und eine Mutter zu haben.
Im März 2014 erschien sein Buch, in dem er „mit falschen Fortschrittsmythen aufräumt“ wie Abtreibung, Euthanasie, „Homo-Ehe“ und Leihmutterschaft. Sein Plädoyer richtet sich vor allem an die politische Linke, ihrem ursprünglichen Anspruch, „an der Seite der Schwachen zu stehen“ treu zu bleiben. Die „Schwachen“ heute „sind die ungeborenen Kinder, die Alten, die Mütter, die Schwerkranken“. Allerdings bekam Adinolfi den geballten Haß weiter Teile der politischen Linken zu spüren.
Das Buch – Das Recht der Kinder auf Vater und Mutter
Das Buch wurde zum Verkaufsschlager und löste eine intensive Diskussion aus. Adinolfis zahlreiche Buchvorstellungen wurden mehrfach von Linksradikalen gestört. Mit linker Gewalt konfrontiert zu sein, war für Adinolfi ebenfalls eine neue Erfahrung, der sich – ganz gutmenschlich – der Überzeugung hingegeben hatte, daß „die Linken immer die Guten“ seien. Es war die Gewalt gegen ihn selbst, aber auch gegen die italienischen Ableger, die im Gefolge des französischen Bürgerprotestes gegen die Legalisierung der „Homo-Ehe“ entstanden und schnell die Erfahrung machen mußten, was linke Intoleranz und linksradikale Gewalt bedeuten.
So entstanden neue Kontakte und Verbindungen im katholischen Umfeld, die über die Logik von Parteien und politischen Blöcken hinausgingen. Aus den Erfahrungen rund um das Anti-Homophobiegesetz, die Legalisierung der „Homo-Ehe“ und die Tabuisierung des Kindermordes durch Abtreibung erwuchs die Idee, daß es eine neue katholische Tageszeitung brauche, die sich zum Sprachrohr des Lebensschutzes macht. Im Lebensrecht, den Angriffen darauf und den darum kreisenden Debatten erkannte Adinolfi den entscheidenden Dreh- und Angelpunkt unserer Zeit. Sein Medienprojekt richtet sich damit zwar primär, aber keineswegs mehr exklusiv an die politische Linke, um dort den „Diskurs wahrer Menschlichkeit“ voranzubringen, wofür die Linke, so lange Adinolfis Überzeugung, prädestinierter sei als die Rechte. Eine Überzeugung, von der er inzwischen abgerückt ist. In einer Diskussion sagte er, er denke heute „nicht mehr in politischer Gesäßgeographie, sondern in christlicher“.
Die neue Tageszeitung – Das Kreuz: Ärgernis und Befreiung aus der Knechtschaft
Da Adinolfi jenem katholischen Spektrum angehört, das seit den 70er Jahren von der Mehrheit der kirchlichen Hierarchie im Zweifelsfall lieber gesehen wird, weil sie sich vor der politischen Linken mehr fürchtet und daher stärker mit ihr liebäugelt, öffneten sich ihm leichter gewisse Türen. Das erklärt auch die Unterstützung für das neue Blatt und dessen Namenswahl, die sich an die Tageszeitung La Croix der Französischen Bischofskonferenz anlehnt.
Daß Katholiken am Werk sind, wird allein schon am Erscheinungsdatum an einem 13. Tag des Monats erkennbar. Adinolfi, der Chefredakteur der neuen Tageszeitung, betont den identitären Charakter des neuen Mediums. „In einer Zeit, in der der Westen und mit ihm Italien als sinnfrei und dekadent gezeichnet werden, der bestimmt sei von Kämpfern überrollt zu werden, die in den christlich-jüdischen Wurzeln Europas den Hauptfeind sehen, den es niederzuringen gilt, werden wir mit La Croce versuchen, über die Gründe dieser Krise und deren mögliche Lösung nachzudenken. Ausgangspunkt dafür ist die Wiedergewinnung und die Verteidigung unserer Identität. Das Kreuz ist ein Ärgernis erregendes Symbol, das zu allen spricht, zu Gläubigen und Nicht-Gläubigen, wie der emeritierte Papst Benedikt XVI. sagte. Wir werden eine laizistische Zeitung machen, die für alle offen ist, wie uns Papst Franziskus lehrt, mit der Ambition, einen Wertehorizont zu bekräftigen, der von der Kultur des Lebens und der Familie ausgeht, mit dem Einsatz für die Schwächsten, angefangen bei den Kindern, auch den Ungeborenen, und den alten Kranken, gegen die Kultur des Todes, die falsche Fortschrittsmythen behauptet wie die Euthanasie, die eugenetische Selektion der Ungeborenen, die Homo-Ehe und den daraus folgenden Einsatz der Leihmutterschaft, die auch von heterosexuellen Paaren genützt wird, die ein Kind „erwerben“, als wäre es irgendein Produkt, und damit einen Mechanismus auslösen, der die Menschen in Dinge verwandet, sogar die Kinder in Gegenstände von Kaufen und Verkaufen“.
„Die ganze Realität aufzeigen“
Die Macher der neuen Tageszeitung wollen „die Realität erzählen, die ganze Realität“. Indem „wir unsere christlichen Wurzeln vor Augen haben, kommt die Anregung zu unserer Arbeit von der Person, die am Kreuz hängt, weil das das Zeichen ist, das den Menschen vor 2000 Jahren von der Knechtschaft befreit hat und dahinter wollen wir nicht mehr zurückkehren“.
Die Tageszeitung La Croce startet im Umfang von acht Seiten im Großformat der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung und ist offiziell das Sprachrohr der Vereinigung „Voglio la mamma“. Sie verzichtet bewußt auf die in Italien üppige staatliche Presseförderung, um sich von Abhängigkeiten freizuhalten. Die Zeitung erscheint in einer Auflage von 100.000 Exemplaren und ist ab heute bei allen italienischen Zeitungshändlern erhältlich. Erklärtes erstes Etappenziel ist es, täglich 15.000 Exemplare zu verkaufen. Herausgeber ist die Social Network GmbH, die vor allem auf eine starke Internetpräsenz abzielt.
Im Zeitalter des großen Printmediensterbens, ist die Gründung einer neuen katholischen Tageszeitung ein ebenso mutiger wie gewagter Schritt. Vergleichbare jüngere Versuche, im deutschen Sprachraum, christliche Medien mit größerer Verbreitung zu etablieren, wie Vers 1, sind gescheitert. Das italienische Projekt verdient daher Beachtung.
Zum Mitarbeiterstab gehören katholische Journalisten, die beiden Priester Maurizio Botta und Fabio Bortoli sowie eine ganze Reihe von katholischen Bloggern. Als bunter Fleck darf die Mitarbeit „der Papst-Mitarbeiterin“ Francesca Chaouqui gesehen werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Croce