(Assisi) Auf ein Fundstück für Freunde der Kirchenmusik machte jüngst der franziskanische Blog Cantuale Antonianum aufmerksam. Die Deutsche Grammophon veröffentlichte Ende der 60er Jahre ein Doppelalbum. Auf den beiden Langspielplatten ist zu hören, wie in der Basilika des Heiligen Franz in Assisi vor der Liturgiereform gesungen wurde. Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1967.
Es singt der Chor der Päpstlichen Kapelle von San Francesco d‘Assisi unter der Leitung von Pater Alfonso Del Ferraro. 1754 erhob Papst Benedikt XIV. die Kirche mit dem Grab des Heiligen Franz von Assisi zur Patriarchalbasilika (Cappella Papale). Sie gehört seither zu den sieben ranghöchsten Kirchen der Welt. Bereits 1230 hatte Papst Gregor IX. die Kirche mit dem Titel Caput et Mater des Ordens der Minderen Brüder ausgezeichnet. So alt wie diese Auszeichung ist auch der Chor, der gleichzeitig errichtet wurde. Er kann bald auf ein 800jähriges Bestehen zurückblicken.
Die Deutsche Grammophon veröffentlichte das Doppelalbum unter dem Titel „Gregorianische Gesänge aus Assisi“. Der Chor der Cappella Papale singt auf einer LP die Missa in CÅ“na Domini und andere liturgische Gesänge. Auf der anderen LP sind spätgregorianische Gesänge, mittelalterliches Gotteslob und einige religiöse Volksgesänge zu hören.
Da der Cantorendienst als liturgischer Dienst galt, waren Frauen davon ausgeschlossen. Die Sopranstimme wurde durch Knaben gesungen. Die dramatisch betonte Singweise erinnert an jene, die noch heute vom Chor der Sixtinischen Kapelle des Vatikans bekannt ist. Mit der Liturgiereform wurde der Chor nach 750 Jahren in einen gemischten Chor umgewandelt, der seit 2005 aus vereinsrechtlichen Gründen als eigenständige Kulturvereinigung existiert. Sie hat sich der Wiederentdeckung und Hebung des „unschätzbaren kirchenmusikalischen Schatzes“ verschrieben, der im so viele Jahrhunderte zurückreichenden Archiv des Chores gehortet ist. Derzeit leitet Pater Giuseppe Magrino den Chor, der nach seiner Ausbildung in Klavier und Orgel einen Magisterabschluß in Gregorianik am Päpstlichen Ambrosianischen Institut für Kirchenmusik in Mailand (PIAMS) erwarb.
Die beiden Langspielplatten sind ein historisches Dokument der kirchenmusikalischen Sensibilität der Minoriten und des franziskanischen Volksgesangs, wie er sich am Wirkungsort des heiligen Ordensstifters in Mittelitalien entfaltete.
Gregorianische Gesänge aus Assisi
De missa:
1. Nos autem gloriari oportet
2. Christus factus est pro nobis obediens.
De lotione pedum:
3. Mandatum novum do vobis
4. Postquam surrexit Dominus
5. Dominus Jesus, postquam cenavit
6. Domine, tu mihi lavas pedes?
7. Si ego Dominus et Magister vester
8. In hoc cognoscent omnes
9. Maneant in vobis fides, spes, caritas
10. Ubi caritas et amor, Deus ibi est
De missa:
11. Dextera Domini fecit virtutem
12. Sanctus
De solemni translatione ac repositione sacramenti:
13. Pange lingua gloriosi Corporis mysterium
Cantus Poenitentiae:
14. Parce Domine, parce populo tuo
In festo Corpore Christi:
15. Verbun supernum prodiens
16. Lauda Sion Salvatorem.
1. Puer natus in Bethlehem
2. O Virgo pulcherrima
3. O spes mea cara
4. Concordi laetitia
5. Cristo risusciti in tutti i cuori
6. Alta Trinita beata
7. Laude novella sia cantata
8. Omne omo ad alta voce
9. Venite a laudare
10. Laudar vollio
11. Troppo perde’l tempo
12. De la crudel morte di Cristo
13. Martir glorioso aulente flore
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Cantuale Antonianum
Sehr schöner, andächtiger Gesang – danke fürs Hereinstellen!
Hm, für mich ist das zuviel Gebrüll all’italiana. Vielleicht sollte man mal Fr. Zeitschnur zur Nachhilfe dort hinsenden 😉
Die Eigenheiten der franziskanischen Formen des gregorianischen Chorals finden sich sehr ausführlich bei L. Wagner:
http://www.illinoismedieval.org/ems/Vol5/wagnerl.html
Gerade die Sonderformen (z.B. die Liturgie v. Fest des Hl. Franziskus v. Assisi am 04.10) werden heutzutage kaum noch gesungen.
Interessant ist daß es die Franziskaner waren welche die Quadratnotation aus Mittelfrankreich nach Norditalien brachten und dort verbreiteten.
Die Gregorianik im engeren Sinne endet spätestens rund 1000 n. Chr., mit Ausläufern bei den Zisterziensern und Karthäusern bis 1100;
ZUr Zeiten v. St.Franziskus war der plainchant schon im Aufmarsch, ST.FRanziskus spricht übrigens bei seinen Lauden (Lobgesänge) davon daß seine Brüder „Minnesänger“ oder „Troubadoure“ v. Gottes Liebe sein sollten.
Viele berühmte Hymnen und Sequenzen gehen auf die Franziskaner zurück:
z.B. das Dies irae, der Überlieferung nach v. Tomaso di Celano, Begleiter v. Franziskus, und das Stabat mater v. Jacopo di Todi.
Technisch bekommen die Lieder einen größeren Tonumfang und setzt sich Major und Minor durch.
@Carlo: meiner Erfahrung nach sangen die Franziskaner immer recht robust
(z.B. auch die in den 50er Jahren berühmte franzisk. Schola v. Turnholt in Belgien, 1965 halsüberkopf aufgelöst, wie jetzt bald auch den Orden in Flandern).
Die Benediktiner lassen zum Ende leise, wenn nicht extrem leise ausklingen;
die Prämonstratenser (gute Schola in Grimbergen bei Brüssel), die Cistercienser (z.B. bei Marcel Pérés) und die Karthäuser haben ihre eigene Spezifika.
Bis jetzt