(Rom) „Das Konklave, das Papst Franziskus gewählt hat, bleibt weiterhin in Schatten gehüllt.“ Diese Worte schreibt nicht ein seither von manchen belächelter Antonio Socci, sondern Sandro Magister, einer der renommiertesten Vatikanisten. Eine Kirchenrechtlerin nahm nun öffentlich gegen Soccis Ungültigkeitsthese Stellung. Das allein erstaunt und zeigt, daß die Kritik einiges Unbehagen auslöst. Auch Magister verwirft die These Soccis, meint aber, daß es unabhängig von der Gültigkeitsfrage rund um das Konklave Ungeklärtes gibt.
von Sandro Magister
Eine Kirchenrechtlerin widerspricht der Behauptung, die Wahl von Kardinal Bergoglio zum Papst sei ungültig. Ungeklärt bleiben weiterhin die Ränkespiele, die dem weißen Rauch vorangingen, mit dem die Wahl bekanntgegeben wurde.
Natürlich gibt es kein Konklave, bei dem es nicht „Ränkespiele“ gibt, die auf die Wahl des einen oder anderen Kandidaten abzielen. Es sind „Machenschaften“, die innerhalb weniger Tage erwachsen können oder sogar innerhalb weniger Stunden. Manche gehen jedoch über Jahre. Auch ihre Unschuld kann unterschiedlichen Grades sein. Die Apostolische Konstitution Universi dominici gregis, die die Papstwahl regelt, verbietet ausdrücklich „jede Form von Verhandlungen, Verträgen, Versprechen oder sonstiger Verpflichtungen jeder Art“, die im Gegenzug den Gewählten binden können.
Ivereighs These
Am vergangenen 1. Juli zeigten wir auf, wie weit die Wahl von Jorge Mario Bergoglio – ohne dies zu behaupten – einer solchen Abmachung entspricht. Ausgangspunkt dafür ist der Nachdruck, mit dem der derzeitige Papst erklärt, nur dem „zu folgen, was die Kardinäle bei den Generalkongregationen vor dem Konklave gefordert haben“ (siehe „Tue, was Kardinäle gewünscht haben“ – Gab es Absprachen für die Wahl Bergoglios zum Papst?).
Das aber hat mit der natürlichen Dynamik einer jeden Papstwahl zu tun. Das wollte der englische Vatikanist Austen Ivereigh unterstreichen mit einer Passage seines neuen Buches über Papst Franziskus „The Great Reformer. Francis and the Making of a Radical Pope“. Darin enthüllte er, daß die Kardinäle Cormac Murphy-O’Connor, Walter Kasper, Karl Lehmann und Godfried Danneels vier aktive Förderer der Wahl Bergoglios waren.
Das Buch Ivereighs war Anlaß zu teils heftigen Diskussionen, so daß Vatikansprecher Pater Federico Lombardi sich beeilte, mit Zustimmung der vier Kardinäle das Feuer zu löschen.
Soccis These
Wie dem auch sei, wurde damit nicht die Gültigkeit der Wahl von Papst Franziskus in Frage gestellt. Das aber tat und tut ein anderer katholischer Autor, Antonio Socci mit einem Buch, das zum großen Verkaufsschlager wurde: „Non ਠFrancesco“ (Er ist nicht Franziskus. Die Kirche im großen Sturm).
Socci begründet seine These auf etwa 20 der insgesamt 300 Seiten des Buches. Er tut es auf der Grundlage der erwähnten Apostolischen Konstitution Universi dominici gregis, die den Wahlablauf bestimmt. Dieser Ablauf sei auf schwerwiegende Weise verletzt worden, so Socci, nachdem von den Stimmzählern beim vierten Wahlgang am 13. März 2013 ein Stimmzettel zuviel in der Wahlurne gefunden wurde. Socci zieht daraus den Schluß, daß „die Wahl Bergoglios null und nicht“ ist, ja „nie erfolgt ist“.
Drei Monate nach der Veröffentlichung seines Buches schrieb Socci, daß „es nicht einen Kardinal gab, der öffentlich erklärt oder mich privat wissen ließ, daß sich das Konklave nicht so abgespielt hat, wie in meinem Buch beschrieben“.
Nicht nur das. Er fügte hinzu, daß „es nicht einmal einen namhaften Kirchenrechtler gab, der den Nachweis erbracht hätte, daß der Wahlvorgang korrekt war und daher die Wahl von Papst Franziskus kirchenrechtlich nicht beanstandet werden kann“.
Allerdings gab es auch keinen Kirchenrechtler, der die Argumentation Soccis teilte und öffentlich erklärt hätte, die Wahl von Papst Franziskus sei ungültig.
Die folgende Stellungnahme einer anerkannten Kirchenrechtlerin, zeigt auf rechtlicher Grundlage auf, daß die These Soccis „völlig haltlos“ ist und bekräftigt die Rechtmäßigkeit der Wahl von Papst Franziskus.
Die Autorin lehrt Kirchenrecht und Geschichte des Kirchenrechts an der Universität Alma Studiorum von Bologna. Sie ist Vorstandsmitglied der „Consociatio Internationalis Studio Iuris Canonici Promovendo“. Sie bereitet gerade die Veröffentlichung einer kirchenrechtlichen Arbeit über den Amtsverzicht von Benedikt XVI, die neue Figur eines „emeritierten Papstes“ und die Wahl von Papst Franziskus vor.
Nachfolgend einige Auszüge aus der Stellungnahme. Die vollständige, italienische Original wurde von Sandro Magister auf seinem Blog veröffentlicht.
.
Die Wahl von Papst Franziskus
von Geraldina Boni
Mit einigen strikt kirchenrechtlichen Anmerkungen gehe ich auf eine Frage ein, die Gegenstand großer Aufmerksamkeit vor allem im Internet war.
Wie bekannt ist, berichtete die Journalistin Elisabetta Piqué im Buch „Francisco. Vida y rivolucion“ (Franziskus. Leben und Revolution) über die Wahl von Papst Franziskus (und diese Indiskretion sei von einigen Kardinälen bestätigt worden):
„Nach der Abstimmung und noch vor der Auszählung der Stimmzettel bemerkt der Kardinal-Stimmzähler, der als erstes die in die Urne gelegten Stimmzettel durcheinandermischt, daß einer zuviel ist: es sind 116 und nicht 115 wie es sein sollte. Es scheint, daß ein Pupurträger irrtümlich zwei Stimmzettel in die Urne gelegt hat: einen mit dem Namen seiner Wahl und einen weißen, der am ersten hängenblieb. Dinge, die passieren. Nichts zu machen. Dieser Wahlgang wird sofort annulliert. Die Stimmzettel werden später verbrannt ohne ausgezählt worden zu sein und man schreitet zum sechsten Wahlgang.“
Es lohnt nicht sich mit Anspielungen aufzuhalten, die auf jedes Konklave folgen und sich auf angebliche Enthüllungen von Personen stützen, die zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Wie dem auch sei, auf der Grundlage dieser Notiz vertritt Antonio Socci in seinem Buch „Er ist nicht Franziskus. Die Kirche im großen Sturm“ die These, daß die Wahl von Jorge Mario Bergoglio null und nicht sei. […]
Selbst angenommen, die Wahl wäre so abgelaufen, wie dargestellt, ist die Rekonstruktion von Socci rechtlich völlig haltlos.
Laut den Bestimmungen von Paragraph 65 der Apostolischen Konstitution Universi dominici gregis von Johannes Paul II. muß der Stimmzettel rechteckige Form haben und in der Mitte der oberen Hälfte möglichst gedruckt die Worte „Eligo in summum pontificem“ aufweisen, während in der Mitte der unteren Hälfte der Platz freigelassen werden soll, um den Namen des Gewählten hinzuschreiben. Der Stimmzettel ist so gestaltet, daß er gefaltet werden kann. Der Stimmzettel hat von jedem Kardinalwähler geheim ausgefüllt zu werden, der leserlich mit möglichst nicht erkennbarer Handschrift den Namen des Gewählten zu schreiben hat, wobei mehrere Namen zu vermeiden sind, da andernfalls der Stimmzettel ungültig ist, zudem ist der Stimmzettel dann zweimal zu falten. Wie auch aus anderen Bestimmungen der genannten Apostolischen Konstitution hervorgeht, sind die Stimmzettel nicht in einen Umschlag zu stecken, der bei der Auszählung zu öffnen ist, sondern zu falten.
Laut Paragraph 66 sieht die Auszählung vor: 1. die Hinterlegung der Wahlzettel in einer eigenen Wahlurne; 2. das Durchmischen und das Zählen derselben; 3. das Auszählen derselben. Es ist daher völlig glaubwürdig, daß im Augenblick des Zählens und nicht beim Auszählen (wie Piqué es genau schildert und auch Socci für glaubwürdig hält) der Wahlhelfer die beiden Stimmzettel entdeckt, die einzigen, die offen sind, mit einem weißen Stimmzettel, der unbeabsichtigt am Stimmzettel mit dem Namen des Gewählten hängenblieb.
Völlig korrekt wurde exakt Paragraph 68 der Konstitution angewandt. Sie schreibt vor „Wenn die Zahl der Stimmzettel nicht mit der Zahl der Wähler übereinstimmt, muß man alle Zettel verbrennen und sogleich einen neuen Wahlgang beginnen“. Zudem schließt Paragraph 5 derselben Konstitution ausdrücklich eine Interpretation des Wahlvorgangs aus. Die Bestimmungen haben so angewandt zu werden, wie sie klingen. Auch wenn der Wahlhelfer jene beiden Stimmzettel geöffnet haben sollte, um festzustellen, daß ein weißer Stimmzettel unabsichtlich an einem ausgefüllten Stimmzettel hing, wäre dies weder eine irritierende Unregelmäßigkeit noch würde damit aus der Phase des Zählens der Stimmzettel die Phase des Auszählens, die beide durch eigene Bestimmungen, die von „rationes“ getragen werden, geregelt sind. […]
Erst wenn die Wahlbeteiligung erhoben ist, kann zum Auszählen der Wahlzettel übergegangen werden, das durch Paragraph 69 geregelt wird. Es ist nicht zu leugnen, daß ein überzähliger Stimmzettel, der beim Abzählen, der Ausgabe derselben und beim Wahlvorgang – absichtlich oder nicht – einem Kardinal entgangen ist und ganz unabhängig, wem dieser Fehler zuzuschreiben ist, eine Unregelmäßigkeit darstellt. Wenn diese Unregelmäßigkeit für die Bestimmungen von Johannes Paul II. in der Vorphase des Auszählens (Nr. 68) irritierend ist, ist sie es nicht mehr in der Auszählphase, vor allem, wenn die Stimmzettel gefaltet sind, so daß man annehmen kann, sie stammen vom selben Wähler. […]
Auch wenn sich der angenommene Vorfall beim Konklave 2013 tatsächlich so zugetragen haben sollte, und Paragraph 69 eine bestimmte Vorgangsweise vorsieht, können für eine bestimmte Phase des Wahlablaufs nicht die Bestimmungen einer anderen Phase zur Anwendung gelangen, da sie einer anderen ratio folgen. Es ist gerade die Strenge der Apostolischen Apostolica Universi dominici gregis, auf die sich Socci beruft, die einen solchen Vorgang kategorisch ausschließt. Wenn also die Bestimmungen von Paragraph 69 auf die Phase angewandt worden wären, die durch Paragraph 68 geregelt wird, dann hätte man, wenn schon, die Frage nach der Gültigkeit des Wahlaktes gestellt. Paragraph 69 sieht für die zweite Phase das Auszählen der Stimmzettel, vor: „Wenn die Wahlhelfer bei der öffentlichen Auszählung zwei Stimmzettel finden sollten, die so ineinander gefaltet sind, daß beide offensichtlich vom gleichen Wähler stammen, gelten sie als eine einzige Stimme, sofern sie denselben Namen enthalten; falls sie aber verschiedene Namen aufweisen, sind beide ungültig; die Wahl selbst jedoch wird in keinem der beiden Fälle annulliert.“
Da völlig korrekt die Bestimmungen von Paragraph 68 angewandt wurden, ist der vierte Wahlgang des Tages aus rechtlicher Sicht eindeutig „tamquam non esset“. Der Wahlgang hatte daher nicht integriert und zu den rechtlich gültigen Wahlgängen gezählt zu werden. Damit fällt auch der Einspruch ins Leere, daß die Wahl der maximal an einem Tag vorgesehenen Wahlgänge überschritten wurde. […]
Es ist zudem darauf hinzuweisen, daß die Konstitution von Johannes Paul nicht einmal die simonistische Wahl mit der Ungültigkeit belegt. […] Auch nicht die Wahl, die das Ergebnis von Verhandlungen, Verträgen, Versprechen oder sonstiger Verpflichtungen jeder Art zwischen den Kardinälen (siehe die andere Mutmaßung eines Teams von vier Kardinälen, von denen die Wahl Bergoglios geplant worden sei, wie jüngst Austen Ivereigh in seinem Buch „The Great Reformer. Francis and the Making of Radical Pope“ vorbrachte).
Antonio Socci argumentiert schließlich: „Auch wenn die Frage der Gültigkeit der Wahl des 13. März 2013 zweifelhaft bliebe, kann man der Meinung sein, daß das Konklave zu wiederholen sei, weil es heißt dubius papa habetur pro non papa (ein zweifelhafter Papst wird nicht als Papst betrachtet), wie der Kirchenlehrer und Kardinal Robert Bellarmin in De conciliis et ecclesia militante schreibt.“
Das Gegenteil trifft zu. Selbst wenn alles so vorgefallen wäre, wie es geschildert wird, ist der Wahlvorgang vollkommen ad normam iuris. Die Wahl von Papst Franziskus hat beim fünften Wahlgang die vorgeschriebene Mehrheit erreicht (der erste Wahlgang erfolgte am 12. März, vier am 13. März). Die Frage der Gültigkeit stellt sich nicht.
Angesichts der völligen Haltlosigkeit der Mutmaßungen löst sich auch die von manchen geäußerte Sorge im Nichts auf, daß ein zweifelhafter Papst auf dem Stuhl Petri sitzen könnte. Das Kirchenrecht hat beständig und einhellig erklärt, daß die pacifica universalis ecclesiae adhaesio untrügliches Zeichen einer gültigen Wahl und eines rechtmäßigen Papstes ist. Die Anhänglichkeit des Volks Gottes an Papst Franziskus kann in keiner Weise bezweifelt werden.
Die Konstitution Universi dominici gregis im vollen Wortlaut.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo