(Paris) Die französische Tageszeitung Le Figaro widmet der Katholischen Kirche die Titelgeschichte des wöchentlichen Le Figaro Magazine. „Geheimkrieg im Vatikan: Wie Papst Franziskus die Kirche durcheinanderbringt“. Im Mittelpunkt stehen ein „autoritärer Papst“, der eigenwillig starke Entscheidungen trifft und die wachsende Unzufriedenheit und Irritationen in der Kirche über seine Vorgangsweise, Kritiker einen nach dem anderen zu eliminieren.
Das elf Seiten umfassende Dossier des Le Figaro Magazine enthält auch ein Interview von Jean-Marie Guénois, dem Vatikanisten der französischen Tageszeitung mit Kardinal Raymond Leo Burke.
Guénois schreibt dazu: „Zum Papst gewählt, hat Franziskus schnell mit den europäischen Höflichkeitformen und alten Gewohnheiten gebrochen. Es handelt sich um eine ‚unfruchtbare Großmutter‘, hatte er Ende November in Straßburg über den Alten Kontinent gesagt. Er hat mit allem gebrochen, was das Papsttum noch an imperialen Glanz bewahrt hatte. Keine Kniebeugen mehr. Erst recht nicht der Ringkuß. Hat dieser Papst, der sich vor allem als Bischof von Rom fühlt – das Wort ‚Papst‘ kommt ihm nur selten über die Lippen – nicht erst vor wenigen Tagen einen Prälaten kritisiert, weil er zu einer Arbeitssitzung im Talar erschienen war? Nüchterner Anzug und Clergyman reichen.“
Nachfolgend das Interview von Jean-Marie Guénois mit Kardinal Raymond Burke:
Von Papst Benedikt XVI. zum Präfekten des Obersten Gerichtshofes der Apostolischen Signatur, einem Dikasterium der Römischen Kurie berufen, wurde der amerikanische Kardinal von Papst Franziskus aus seinem Amt entfernt und zum geistlichen Assistenten des Malteserordens ernannt. Ein äußert seltener Vorgang in der Kirchengeschichte. Der Kardinal hatte es gewagt, den von Papst Franziskus verfolgten Weg öffentlich zu kritisieren.
Le Figaro Magazine: Kann ein Kardinal uneinig mit dem Papst sein?
Kardinal Burke: Natürlich ist es möglich, daß ein Kardinal mit dem Papst zu Fragen der Vorgehensweise oder der pastoralen Linie uneins ist. Es ist hingegen unmöglich, daß es Meinungsverschiedenheiten zu Fragen der Glaubenslehre und der Kirchenordnung gibt. Das bedeutet, daß ein Kardinal in bestimmten Situationen die Pflicht hat, dem Papst zu sagen, was er wirklich denkt. Natürlich muß er sich immer auf respektvolle Weise äußern, weil der Papst das Petrusamt repräsentiert. Wenn der Papst Kardinäle um sich hat, dann gerade damit sie ihm Ratschläge geben.
Wurde den bei der Synode über die Familie aufgetretenen Unstimmigkeiten zu viel Bedeutung beigemessen?
Seltsam ist bei diesem Dossier über die wiederverheiratet Geschiedenen, daß jene, die daran erinnert und vertreten haben, was die lateinische Kirche immer gelehrt hat, beschuldigt wurden, gegen den Heiligen Vater zu sein und nicht in Einklang mit der Kirche zu stehen … Das ist unglaublich! Die Kirche hatte immer theologische Dispute und harte Auseinandersetzungen gekannt, in denen Theologen und Kardinäle veranlaßt waren, ihre Meinung zu sagen. Wenn ich also gemeinsam mit anderen Kardinälen eine Studie zu diesem Thema veröffentlicht habe, um meine Meinung darzulegen, dann ist das im Geist einer wahrhaftigen theologischen Diskussion zum Zweck der Wahrheitsfindung geschehen.
Hat es Sie erschüttert, was bei der Synode geschehen ist?
Die Synode war eine schwierige Erfahrung. Es gab eine Linie, jene von Kardinal Kasper können wir sagen, der sich jene anschlossen, in deren Händen die Leitung der Synode lag. In Wirklichkeit scheint es, daß der Zwischenbericht [Relatio post disceptationem] bereits vor den Wortmeldungen der Synodenväter geschrieben worden ist! Und zwar im Sinne einer einzigen Linie, zugunsten der Position von Kardinal Kasper … zudem wurde die Homosexuellen-Frage eingefügt – die in keinerlei Beziehung zum Thema Ehe steht – indem man positive Elemente in ihr suchte. Ein weiterer sehr besorgniserregender Punkt: der Zwischenbericht enthält weder einen Hinweis auf die Heilige Schrift noch auf die Tradition der Kirche noch auf das Lehramt von Johannes Paul II. über die Ehepartner. Das ist sehr befremdlich. Ebenso die Tatsache, daß im Schlußbericht die Paragraphen über die Homosexualität und die wiederverheiratet Geschiedenen enthalten sind, obwohl sie bei den Bischöfen nicht die nötige Mehrheit fanden.
Was steht auf dem Spiel bei dieser Kontroverse?
In einer Zeit großer Verwirrung, wie wir durch die Gender-Theorie sehen, brauchen wir um so mehr die kirchliche Lehre über die Ehe. Und dennoch werden wir zum Gegenteil gedrängt, in Richtung der Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion. Vom Drang das Ehenichtigkeitsverfahren zu erleichtern erst gar nicht zu sprechen. Das alles wird faktisch zu einer Art „katholischer Scheidung“ führen und damit zur Schwächung der Unauflöslichkeit der Ehe, obwohl deren Grundsatz bekräftigt wird. Doch die Kirche muß die Ehe verteidigen und nicht schwächen. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist weder eine Buße noch ein Leiden. Es handelt sich vielmehr um eine große Schönheit für jene, die sie leben und um eine Quelle der Freude. Ich bin deshalb sehr besorgt und fordere alle katholischen Laien, Priester und Bischöfe auf, schon ab heute bis zur nächsten Bischofssynode sich dafür einzusetzen, daß die Wahrheit über die Ehe sichtbar wird.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Catholica Ecclesiae Christi