(Berlin) Bereitet sich die Bundeswehr auf die Niederschlagung von Aufständen im Landesinneren vor? Man staunt und reibt sich die Augen. Wo liegt die Bedrohung? Wer ist der Feind? Politik und Medien zeichnen doch ein ganz anderes Bild. Und dennoch: Vom 20.–22. Oktober fand in Berlin die zweite International Urban Operations Conference (IUOC) statt, an der mehr als 400 Vertreter aus 40 Staaten teilnahmen. Drei Tage lang wurde über die Niederschlagung von Bürgerkriegen und Aufständen in städtischen Gebieten beraten. Und die Medien berichten nichts darüber?
Organisiert wurde die Tagung von der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT). Die Tagungsleitung hatte Generalmajor Erhard Drews, Kommandeur des 2013 errichteten Amtes für Heeresentwicklung der Bundeswehr inne. Die 1957 auf Initiative des Bundesverteidigungsministeriums gegründete DWT dient der Rüstungsindustrie als Lobbyist gegenüber Regierung und Parlament. Entsprechend erfolgte die Finanzierung der Tagung durch Rüstungsunternehmen. Die Sponsoren werden auf der Internetseite der Konferenz genannt. Auf der Tagung wurden neue Waffen und andere Produkte vorgestellt.
„Von Machtdemonstration bis Straßenkampf“ im städtischen Bereich
Im Programm der Konferenz heißt es: „In der heutigen Welt sind städtische Regionen Schlüsselgebiete“. Daraus folgt: „Die Aufrechterhaltung und die Herstellung von Stabilität und Sicherheit in städtischen Gebieten zählt zu den herausfordernden Aufgaben heutiger Sicherheitskräfte. […] Die Szenarien können sich rasch und plötzlich ändern: Von routinemäßiger Hilfe oder einer Machtdemonstration bis zum ausgewachsenen Straßenkampf.“ Und weiter: „Der Gefahr von Aufständen, Terrorismus und Guerillakriegen kann nur mit der besten Geheimdiensttechnik, der besten Aufklärung und besten Überwachungssystemen begegnet werden.“
Die International Urban Operations Conference definierte ihr Ziel wie folgt: „Vorstellung von Lösungen für die oben genannten Herausforderungen. Sie bietet eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen aus gegenwärtigen Einsätzen und wird eine Übersicht über das neue militärische Konzept der Bundeswehr für urbane Operationen geben.“ Und weiter: „Vertreter der Industrie haben die Möglichkeit ihre Ideen, Vorstellungen und Lösungen hochrangigen Vertretern der Nato und anderen Militärvertretern vorzustellen.“
Von Politik und Medien gezeichnetes Bild stimmt mit Konferenz-Thema nicht überein
Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß die Tagung in erster Linie Lobbyismus der deutschen Rüstungsindustrie auf dem ausländischen Markt war, oder sich die Bundeswehr auf immer mehr Kampfeinsätze irgendwo in der Welt vorbereitet, erstaunt dennoch die Ausrichtung auf eine innere Bedrohung. Sie widerspricht diametral dem von Politik und Medien gezeichneten Bild. Seit längerer Zeit fehlt es nicht an kritischen Stimmen, die vor der Gefahr von bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Landesinneren warnen, wie sie sich in den französischen Banlieues oder schwedischen Städten ereigneten. In beiden Fällen kamen die Urheber der Gewalttaten aus dem Kreis vorwiegend moslemischer Einwanderer. Doch genau das will die Politik nicht hören. Gleichzeitig wird jedoch zum zweiten Mal eine International Urban Operations Conference abgehalten, und das unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Das wirft Fragen auf. Nicht daß die Veranstalter die Sache geheimgehalten hätten. Ganz und gar nicht. Wenn aber alle wichtigen Medien darüber schweigen, kann kaum von einem Zufall ausgegangen werden.
Aber woher droht nun eigentlich die Gefahr im Inneren? Wird gegen mögliche Salfistenaufstände gerüstet? Oder rüstet der Staat gar gegen die eigenen Bürger? Das Referat von Tagungsleiter Generalmajor Drews lautete: „Perspektive der deutschen Armee bei urbanen Einsätzen“. Der israelische Reservegeneral Rami Ben Efraim sprach über das Rüstungsunternehmen „Rafael und die urbane Herausforderung“, der britische Brigadegeneral Bob Bruce über „Landstreitkräfte in städtischer Umgebung“ , der britische Oberst Mark Kenyon über „Urbaner Kampf – Bericht eines Bataillons-Kommandeurs“ und, man staune, der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Deutschen Reservistenverbandes Roderich Kiesewetter über „Politische und strategische Herausforderungen urbaner Operationen“. Soweit nur die ersten Referate.
Richtete sich Verkündetes Ende der militärischen Zurückhaltung gegen außen und innen?
Insgesamt wurden über 60 Vorträge gehalten. Referenten waren Militärvertreter, Wissenschaftler, Rüstungslobbyisten und Politiker. Ein Vertreter der Firma Securiton etwa sprach über „Mobile Überwachung – urbane Aufklärung und Kontrolle“.
Im vergangenen Frühjahr gab die deutsche Bundesregierung ein Ende der militärischen Zurückhaltung bekannt. Gleichzeitig setzte eine Bundeswehrreform ein, die auf Einsätze gegen äußere Feinde ausgerichtet ist. Bereitet sich die Bundeswehr „nur“ auf Kampfeinsätze irgendwo in der Welt vor und dort auf Kämpfe im urbanen, dichtbesiedelten Gebiet? Oder rüstet sie auch gegen innere Feinde? Und wenn ja: welche? Kampfeinsätze in urbanen Gebieten können Afghanistan oder den Nahen Osten betreffen. Sie können ebensogut deutsche Städte meinen, siehe die Ereignisse in Frankreich, Schweden oder jüngst in Griechenland, und sich auf soziale Spannungen beziehen. Die Ursachen können vielfältig sein von der Migration bis zum Staatsbankrott.
Aufgrund der auf der Berliner Tagung anwesenden Kommandeure mit Kampferfahrung in Afghanistan, dem Irak und Israel/Palästina steht fest, an welchen Beispielen sich die Bundeswehr bei ihrer Vorbereitung orientiert.
Im Tagungsbericht 2012 heißt es: „Die heutigen Krisenoperationen sind zunehmend geprägt von Einsätzen und Kampfhandlungen in dichtbesiedelten Gebieten sowie teilweise auch in Städten. Dieser schwierige und für viele NATO-Staaten neue Ansatz weg von den klassischen Gefechtsfeldern hin zu Krisenoperationen in urbanen Gebieten ist Grund zu einer grundlegenden Umstrukturierung der eigenen Streitkräfte. Auch die Bundeswehr folgt mit ihrer Neuausrichtung genau diesen veränderten Rahmenbedingungen.“
Kardinal Schönborns „Sorge“ über Aufrüstung der Staaten gegen die eigenen Bürger
In der Rheinischen Post vom vergangenen 12. August machte Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn von Wien eine überrschende Aussage. Inmitten eines Interviews, das sich hauptsächlich um Papst Franziskus drehte, sprach der Kardinal plötzlich von seiner „Sorge“ wegen einer Aufrüstung der Regierungen gegen die eigenen Bürger. Wörtlich beklagte der Erzbischof, daß „zu wenig“ darüber gesprochen werde, daß sich die Militär- und Verteidigungsstrategien immer mehr „nach innen richten, mit Blick auf mögliche Aufstände in den eigenen Ländern“. Diese Entwicklung sei „erschreckend“ und verdeutliche die Dramatik der gegenwärtigen Situation, weil – so der Kardinal – „mit einem wachsenden Unmut in der Bevölkerung“ gerechnet werde“. Die Kirche habe „gerade in dieser Situation daran zu erinnern, dass es noch Zeit ist umzukehren“. Die überraschenden Aussagen wurden vom Kardinal nicht näher ausgeführt. Was weiß der Kardinal, was die Öffentlichkeit nicht weiß?
Text: Andreas Becker
Bild: IUOC (Screenshot)