
(Rom) Wie kann das Ordensleben neu belebt und aus der Nachwuchskrise geführt werden? Dazu tagte vom 3.–7. November in Tivoli, 30 Kilometer östlich von Rom, die 54. Generalversammlung der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Italiens (CISM).Von welchen Referenten erwarteten sich die Ordensoberen Antwort auf diese Frage?
Sowohl die Referenten, als auch das Hauptreferat hatten es in sich. Hauptredner war Bischof Nunzio Galantino, ein persönlicher Vertrauter von Papst Franziskus, den er zu Weihnachten 2013 zum Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz ernannte.
Galantino sprach über die Notwendigkeit eines „ekklesiologischen Paradigmas“ und die Notwendigkeit einer „Neugründung“ des Ordenswesens.
Generalversammlung der Superiorenkonferenz
Zum besseren Verständnis: Die CISM entspricht der Vereinigung der Höheren Ordensobern der Schweiz (VOS), der Vereinigung Deutscher Ordensoberen (VDO) und der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs. Letztere steht seit 2013 unter dem Vorsitz von Abtpräses Christian Haidinger (Benediktinerabtei Altenburg). Zu seinem Amtsantritt führte die Tageszeitung Die Presse ein Interview mit Haidinger. Darin bezeichnete der Abtpräses die katholische Ehelehre als „Katastrophe“ und forderte die Zulassung des Frauenpriestertums: „Ich hoffe sehr und bin überzeugt, daß es Priesterinnen geben wird, auch wenn ich es nicht beeinflussen kann.“ Ebenso sprach er sich für die Abschaffung des Priesterzölibats aus: „daß nur ein zölibatär lebender Mann Priester werden kann, ist nicht mehr zu halten. Ich bin für ehrliche und offene Lösungen in der Kirche und kann mir nicht vorstellen, daß eine Abschaffung nicht kommt“. Implizit unterstellte er der Katholischen Kirche „unmenschlich“ und „unehrlich“ zu sein.
Ordensleben aus der Krise führen? – Von Kommissar Volpi bis zum „atheistischen Humanismus“

Das Thema der italienischen Oberenkonferenz lautete „Die Aufgabe der Kirche und das geweihte Leben im Licht von Evangelii Gaudium“. Dabei ging es um die Frage, wie das katholische Ordensleben aus der Nachwuchskrise geführt und erneuert werden kann. Die Referenten des 4. November waren:
„Luciano Manicardi, „Mönch“ und Vize-Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Bose (Comunità di Bose) des umstrittenen Laien Enzo Bianchi. Dessen Lehre sei „lediglich nominell ein christlicher in Wirklichkeit aber ein atheistischer Humanismus“, so der ehemalige Dekan der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Lateranuniversität, Msgr. Antonio Livi 2012 in der Tageszeitung Il Foglio (siehe auch Enzo Bianchi der „falsche Prophet“ ist neuer Consultor für die Ökumene).
„Als Referent zum gestellten Thema erstaunte Kapuzinerpater Fidenzio Volpi OFM Cap., seines Zeichens Generalsekretär der CISM und seit August 2013 unter den Franziskanern der Immakulata wütender Apostolischer Kommissar (siehe zu Volpi im Archiv). Er hätte besser darüber referieren können, wie man einen blühenden Orden kaputtmacht, der weder Nachwuchssorgen kannte noch in einer Krise steckte.
„Der Franziskaner Kurienerzbischof José Rodriguez Carballo OFM Conv., seit dem 6. April 2013 Sekretär der römischen Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens und damit erste relevante Personalentscheidung im Pontifikat von Papst Franziskus (siehe Rodriguez Carballo läßt Katze aus dem Sack: „Treue zum Konzil für Orden nicht verhandelbar“).
„Der Kamaldulenser Dom Innocenzo Gargano OSB Cam., außerordentlicher Professor für Neues Testament an der Päpstlichen Universität Urbaniana, Lehrbeauftragter am Päpstlichen Bibelinstitut und Anhänger der progressiven Schule von Bologna. Wesentlich auf ihn geht die neue mens camaldulensis zurück. Deren Hauptziel ist die Überwindung der Theologie durch die „Weisheit“. Jede Rückkehr zur monastischen Theologie unter welcher Form auch immer sei zu verhindern und durch eine monastische „Weisheit“ zu ersetzen. Im Licht der Ökumene seien die Heilige Schrift, die Väter, die anderen Konfessionen, die Juden und andere Religionen, die Geschichte, letztlich das Leben in dieser Weisheit neu zu lesen und zu verstehen.
Hauptreferent: Papst-Vertrauter Galantino und das „ekklesiologische Paradigma“

Einziger Referent des 5. November war Bischof Nunzio Galantino von Cassano all’Jonio, der ohne vorheriges Wissen des Vorsitzenden Kardinal Bagnasco von Papst Franziskus zum Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz ernannt wurde und seither deren starker Mann ist. Für die Ernennung „entschuldigte“ sich Papst Franziskus bei den Gläubigen von dessen Diözese, der er einige Monate später demonstrativ einen Besuch abstattete und dabei die Mafia für „exkommuniziert“ erklärte (siehe Eine Frage der Prioritäten? – Fronleichnamsprozession ohne Papst Franziskus).
In einem am vergangenen 12. Mai veröffentlichten Interview distanzierte sich Bischof Galantino von den Lebensschützern und folgte darin der neuen Linie von Papst Franziskus, der erklärte, die nicht verhandelbaren Grundsätze von Benedikt XVI. „nie verstanden“ zu haben (siehe Bergoglio-Effekt: Sekretär der Bischofskonferenz distanziert sich von Lebensschützern und Die Prälaten, denen die ungeborenen Kinder ein lästiger Klotz am Bein ist). Das Thema seines Referats lautete: „Die Kirche im ‚Ausgang‘ ist eine Kirche der offenen Türen. Das ekklesiologische Paradigma von Evangelii Gaudium“. Das vollständige Referat wurde von der Superiorenkonferenz veröffentlicht.
Wenn ein enger Vertrauter des Papstes von einem „ekklesiologischen Paradigma“ spricht, läßt das aufhorchen.
Neugründung des Ordenswesens: Die drei Versuchungen
Im ersten Teil seiner Rede sprach Bischof Galantino von drei Versuchungen des Ordenslebens und zitierte dabei weniger Evangelii Gaudium, als vielmehr die Abschlußrede von Papst Franziskus zur Bischofssynode.
„1) Mißtrauen: Franziskus hat uns daran erinnert, daß das Vorangehen vor allem durch ‚die Versuchung der feindseligen Erstarrung‘ [1]Ansprache von Papst Franziskus zum Abschluß der III. außerordentlichen Bischofsynode am 18. Oktober 2014, jener, die sich in Buchstaben einschließen und nicht mehr den Geist erfassen, verhindert wird: dann mag man auch eifrig und skrupulös sein, man verurteilt sich aber dazu, sich von Gott nicht mehr überraschen zu lassen, vom Gott von Jesus von Nazareth… .
2) Destruktive Leichtgläubigkeit, die dazu verleitet, ‚die Symptome zu behandeln und nicht die Ursachen und die Wurzeln‘.
3) ‚Die Versuchung, das depositum fidei zu vernachlässigen und sich selber nicht als Hüter, sondern als Besitzer und Herren zu verstehen oder andererseits die Versuchung, die Realität zu vernachlässigen und eine einengende Sprache zu benutzen und so zu sprechen, dass man viel redet und nichts sagt!‘, um Papst Franziskus zu zitieren. Diese Dinge wurden Byzantismen genannt…“
Die wirklichen Probleme, an denen das Ordensleben heute krankt, sind laut Bischof Galantino demnach: Ordensleute, die sich bemühen, die eigene Ordensregel buchstabengetreu zu befolgen; die Gutgläubigkeit und eine zu einengende Sprache.
„Der vom Evangelium aufgezeigte Weg, um diese Versuchungen zu besiegen, die sich auch in den verschiedenen Formen zeigen, die das Ordensleben herabsetzen und in die Nähe von Kleinlichkeit rücken und fruchtlos machen, ist in einem Wort zusammengefaßt, um genau zu sein in einem Verb, das wir als eine der Säulen der Lehre von Papst Franziskus kennengelernt haben: hinausgehen. (…) Es handelt sich um ein Hinausgehen um die Perspektive der Ränder zu umarmen“, so Bischof Galantino.
„Wahrscheinlich würde es Bischof Galantino als Kleinlichkeit abtun, wenn man daran erinnert, daß das Evangelium sehr wohl einen Weg aufzeigt, aber nicht den Genannten, wenn es heißt: ‚Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!‘“, so Libertà e Persona.
Der neue Imperativ: „Hinausgehen“
Bischof Galantino führte im zweiten Teil seines Referats aus, was zu tun sei, um den neuen Imperativ des „Hinausgehens“ auf das Ordensleben anzuwenden:
„1) Sich aus dem Mittelpunkt nehmen, was dazu führt, zu lernen, sich von den eigenen Ideen distanzieren zu können – die so oft ungebührlich verabsolutiert werden! – und auch von den eigenen Werken.
2) Die Bereitschaft, die Angst vor dem zu besiegen, was anders ist als wir, vor allem wenn die Diversität sich als komplex und problematisch zeigt. Diesbezüglich rief Franziskus die Notwendigkeit in Erinnerung, das ‚Phantom‘ zu bekämpfen, das das Ordensleben als Rückzugsort und Trost versteht. Im übrigen sind wir Zeugen, wie wenig die Vorstellung noch aufrecht zu erhalten ist, vom Ordensmenschen als einer Art Handwerker, der selbständig arbeitet und in eine ‚andere‘, ‚besondere‘, ‚höhere‘ Dimension eingebettet ist, die Abgeschiedenheit [von der Welt] meint… Diese Intimität paart sich am Ende mit Individualismus, Krankheiten, die durch ihr sich Abschließen vielen Beziehungen schaden…
3) Schließlich bedeutet Hinausgehen, neben sich aus dem Mittelpunkt zu nehmen und sich [in die Welt] miteinzubeziehen, sich einen neuen Blick zuzulegen oder besser, den Blick Christi anzunehmen.“
Das Hinausgehen scheint daher wesentlich mehr zu bedeuten als nur die physische Bewegung und das an die „Ränder“ gehen. Es scheint auch ein Hinausgehen aus sich selbst zu sein, aus Strukturen und Regeln. Wie weit dieses Hinausgehen gemeint ist, wird nicht genau definiert. Meint es letztlich auch ein Hinausgehen aus der Konfession oder gar der Religion?
Drei „Voraussetzungen“ für die „Neugründung“ des Ordenswesens

Deshalb, so der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, brauche es dringend drei „Voraussetzungen“ für eine „Neugründung“ des Ordenswesens:
„A) Die Erste ist ein gemeinschaftliches Leben, ein Leben brüderlicher Beziehungen… der Andere wird Teil der Identität von jedem in einem Gemeinschaftsleben, das nicht das Anderssein bedroht, sondern es hervorbringt…
B) Die Notwendigkeit, auf authentische Weise in einem bestimmten Charisma verwurzelt zu sein. Das Ordensleben lebt heute in einer Wendezeit, einer Neupositionierung, ja mehr noch: einer Neugründung. Es geht inzwischen nicht mehr, sich anzupassen, oder einfach nur zu aggiornare. Es ist notwendig, sogar die Paradigmen des Ordenslebens zu ändern, wenn man einen wirklichen Veränderungsprozeß auslösen will. Sich nicht von den Historisierungen zu befreien, die die Treue zum Heute bedingen, hieße, zu spät zur Verabredung mit der Geschichte zu kommen und damit Gefahr zu laufen, nicht dabei zu sein, als nicht anwesend erkannt zu werden, zu verschwinden.
C) Die Notwendigkeit, ganz tief in die Realität eingetaucht zu sein, indem man Erfahrung von ihr macht… Heute besteht Bedarf, eine Heiligkeit anzubieten, die nicht in den Weihrauch des Tempels verbannt ist und die nicht ihrer ursprünglichen Kraft entkleidet ist, sondern aus Transzendenz und täglicher Existenz gemacht ist, die untrennbar miteinander verwoben sind. Dann ist das Labor für eine neue Menschheit, die imstande ist, mentalen, spirituellen und affektiven – und auch organisatorischen – Strukturen Leben zu verleihen, einfachen und einladenden, nicht lastenden und offenen, in denen nicht die Freude der Gemeinschaft fehlt, weil eine Brüderlichkeit ohne Freude eine Brüderlichkeit ist, die verlischt… Die Alternative ist Sterilität, zu der wir verurteilt sind, wenn der Reichtum des Ordenslebens sich an einem Gesellschaftsmodell blockiert, das es nicht mehr gibt und an einem Verhaltensmodell, das nicht mehr als Wert wahrgenommen wird.“
Die „Voraussetzungen“ sind kryptisch formuliert, besonders Voraussetzung A) dürfte sich nur Bischof Galantino selbst erschließen, während die anderen beiden Voraussetzungen nur zu deutlich sind und in der Tat einen „Paradigmenwechsel“ fordern.
2015 hat Papst Franziskus zum Jahr des geweihten Lebens ausgerufen. Da Bischof Galantino zu seinen Vertrauten zählt, wird man sich mit seinen Ausführungen über eine „Neugründung“ des Ordenslebens auseinandersetzen müssen. Dazu dürfte das kommende Jahr noch ausreichend Gelegenheit bieten.
Eine kleine Statistik
Da Bischof Galantino mit seinem Referat „Schlüsselworte“ für eine Erneuerung des Ordenslebens aufzeichen wollte, erstellte Luisella Scrosati für Persona e Libertà eine kleine Statistik darüber, wie häufig welche Schlüsselbegriffe in seinem Referat genannt wurden. Die Statistik in erweiterter Form:
Abtötung: 0
Anbetung/anbeten: 0
Apostolat/apostolisch: 0
Askese: 0
Buße: 0
Erbarmen: 0
Gebet/beten: 0
Glauben: 0
Kontemplation/kontemplativ: 0
Maria: 0
Sünde: 0
Benedikt XVI.: 1 (um zu sagen, daß Papst Franziskus von Benedikt XVI. das Thema Zeugnis geben übernommen habe)
Gnade: 1 (als „Zeit der Gnade“ bezogen auf das kommende Jahr des geweihten Lebens)
Hoffnung: 1 (als „die Zukunft mit Hoffnung umarmen“)
Barmherzigkeit: 2
Liebe: 2
Neugründung: 2
Prozeß: 2
Jesus: 3
Zuhören: 4
Verschließen/absondern/Zurückgezogenheit: 5 (negativ)
Veränderung/verändern: 5 (positiv)
Ränder: 6
Hinausgehen: 8
Papst Franziskus: 17
Für die „Neugründung“ des Ordenswesens, laut Bischof Galantino, spielen Gebet, Buße, Umkehr, Askese und Anbetung demnach keine Rolle? Vielleicht lesen wir seine Rede zu „engherzig“, jene Engherzigkeit, die er für die Ordenskrise verantwortlich macht. Im kommenden Jahr wird es sicher weitere Gelegenheiten geben, die Vorstellungen einer „Neugründung“ des katholischen Ordenswesens zu ergründen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Libertà e Persona
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↑1 | Ansprache von Papst Franziskus zum Abschluß der III. außerordentlichen Bischofsynode am 18. Oktober 2014 |
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