
(Tripolis) Die Islamisten haben die Kontrolle über Libyens Hauptstadt Tripolis übernommen. Die Christen wagen sich kaum mehr aus ihren Häusern: „Wir feiern die Heilige Messe wie in den Zeiten der großen Verfolgungen“.
Regierung und Parlament haben Tripolis fluchtartig in Richtung Tobruk verlassen. Die libysche Hauptstadt versinkt im Chaos: „Seit der Westen militärisch interveniert hat, haben bewaffnete Banden das Sagen.“
Ende August haben die Islamisten der Libyschen Morgenröte mit den Misrata-Brigaden den internationalen Flughaben von Tripolis erobert. Parlament und Regierung traten daraufhin die Flucht an. Die Sicherheitslage in der libyschen Hauptstadt ist seither ein „Alptraum“. „Schutzlos sind vor allem die Christen“, so Pater Amado Baranquel gegenüber dem Catholic News Service.
Messfeiern im Verborgenen
Der Franziskanerpater war vor dem Krieg Seelsorger für die katholischen philippinischen Gastarbeiter in Libyen. Deren Zahl lag Ende Juli noch bei etwa 13.000. Heute betreut er alle Christen. „Seit zwei Wochen wagen sich die Christen nicht mehr aus ihren Häusern“, so Pater Amado. Sie haben Angst entführt oder getötet zu werden. „Recht und Gesetz gibt es nicht mehr in der Stadt. Wir wissen nicht, wer uns schützen könnte oder uns zu Hilfe kommt. Alle Heiligen Messen werden nur mehr im Verborgenen in Privathäusern und Wohnungen zelebriert, wie es in den alten Zeiten der großen Verfolgungen war“, schildert der Franziskaner die schwierige Lage.
In Libyen wird täglich gekämpft zwischen Islamisten und regierungstreuen Kräften. Auf den Straßen befinden sich Kontrollpunkte. Vor einem Kontrollpunkt wisse man nie genau, welche Seite ihn errichtet hat. „Wem können wir vertrauen? Wen können wir um Hilfe bitten? Die Frage wird offenbleiben, solange man nicht weiß, wer die Regierung übernimmt.“
„Kirche bleibt bei ihrem Volk“
Die Lage ist in Bengasi, der zweiten großen Stadt Libyens, die ebenfalls von den Islamisten kontrolliert wird, nicht anders. „Die Kirche bleibt bei ihrem Volk“, erklärt Sylvester Magro, Apostolischer Vikar von Bengasi für die Katholische Kirche, nachdem die orthodoxen Kopten und die orthodoxen Griechen ihre Priester aus der Stadt evakuiert haben. „Die Katholische Kirche hat sich entschlossen, die Ordensfrauen aus Bengasi in Sicherheit zu bringen.“ Die Gefahr von Vergewaltigungen sei zu groß, so der Apostolische Vikar, der in der Stadt bleibt.
„Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Derzeit gibt es zwei Regierungen, zwei Kampfparteien und zahlreiche Stammesmilizen und Kampfgruppen. Es gibt derzeit keinen offiziellen Ansprechpartner“, so Pater Amado
Die 115 Parlamentsabgeordneten leben mit ihren Familie derzeit auf einem griechischen Fährschiff rund 1.500 Kilometer von der Hauptstadt Tripolis entfernt. Sie scheinen auf eine noch weitergehende Flucht ins Exil vorbereitet zu sein. Weder US-Präsident Obama, die NATO oder die Vereinten Nationen, die zwar den früheren Staatspräsidenten Muammar al-Gaddafi stürzten, aber gleichzeitig das Land in das heutige Chaos stürzten, zeigen wenig Interesse, die Situation zu ändern. Gleiches gilt für die EU, obwohl Libyen seither der Ausgangspunkt der meisten Einwandererschiffe ist, die über Lampedusa in die EU gelangen wollen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews