(Rom) Aus aktuellem Anlaß befaßt sich der katholische Blog „Chiesa e Postconcilio“ (Kirche und Nachkonzilszeit) mit eigenwilligen Wiedergaben der Heiligen Schrift und ihrer Interpretation durch Papst Franziskus. Nachfolgend die Übersetzung des Beitrags:
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Nie Gehörtes und Gesehenes vom Stuhl Petri
Aus dem Gästehaus SanctঠMartঠdes Vatikans, das kaum als Sitz des Heiligen Stuhls bezeichnet werden kann, ertönen nach der Sommerpause von Papst Franziskus erneut nicht nur manichäische und zweideutige Urteile ohne angemessene, erläuternde Vertiefungen, mit denen die Katholiken in zwei Gruppen unterteilt werden, sondern auch gewagte persönliche Lesarten der Heiligen Schrift. Die Zuständigen im Vatikan haben die Weiterverbreitung der „morgendlichen Meditationen“ auf den Internetseiten des Vatikans wiederaufgenommen samt Hervorhebung falscher Behauptungen.
Das jüngste Beispiel wird von Papst Franziskus dem heiligen Paulus zugeschrieben: „Ich muß mich ja meiner Sünden rühmen“. Der Apostelfürst „rühmt“ sich seiner Sünden? Man staunt und schüttelt ungläubig den Kopf. Freilich kann das nur tun, wer zumindest über ein gewisses Rüstzeug an kirchlicher Unterweisung und eine gewisse Vertrautheit mit der Heiligen Schrift verfügt.
Falsche Wiedergabe des Apostels Paulus
Der heilige Paulus spricht im 12. Kapitel des Zweiten Briefs an die Korinther nämlich keineswegs von Sünden, sondern von seiner „Schwachheit“. In der Einheitsübersetzung heißt es: „(…) was mich selbst angeht, will ich mich nicht rühmen, höchstens meiner Schwachheit“ (2 Korinther 12,5). Das griechische Wort, das der Apostel verwendet, ist ἀσθÎνεια (asthéneia), das eben „Schwachheit“ und nicht „Sünde“ bedeutet.
Zudem erklärt der Apostelfürst an dieser Stelle sehr genau, worin seine „Schwachheit“ besteht: „Er [der Herr] aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit. Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Mißhandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Korinther 12,9–10). Die Schwachheit, von der der Apostel spricht, sind die physischen und psychischen Leiden, die er selbst aufzählt, aber nicht die Sünden.
An dieser Stelle soll nicht näher auf den eschatologische Paradigmenwechsel eingegangen werden, der sich aus dem durch Papst Franziskus falsch wiedergegebenen Zitat ergibt. Nur soviel: „O glückliche Schuld“, die felix culpa des Exultet ist nicht damit gemeint.
Wer verhindert Weiterverbreitung fehlerhafter Papst-Aussagen?
Die „freizügige“ Lesart des Evangeliums durch den Papst hat etwas Groteskes an sich und man möchte mit etwas Sorge verschämt den Schleier des Schweigens darüberbreiten. Wäre da nicht die Bedeutung, die den päpstlichen Worten durch deren mediale Verbreitung zukommt. Und wäre da nicht auch die Abwesenheit oder besser das Schweigen jener, die ihrer Verantwortung nachkommen und den Mut haben müßten, richtigzustellen, was richtigzustellen ist. Statt dessen werden die improvisierten, morgendlichen Worte des argentinischen Papstes von den vatikanischen Stellen undifferenziert weiterverbreitet und von willfährigen Vatikanisten zu „Perlen“ stilisiert.
Das genannte Beispiel ist kein Einzelfall, sondern zählt zu einer länger werdenden Reihe anstößiger Bibel-„Interpretationen“. Wo aber sind die Priester, die Bischöfe, die Kardinäle, die dagegen ihre Stimme erheben und zumindest die Weiterverbreitung unausgegorener Wortmeldungen unterbinden? Statt dessen ist nicht einmal das Säuseln eines Widerspruchs zu hören? Glauben selbst Kirchenvertreter so wenig an die Macht der Wörter, daß sie falsche Ideen ebenso wie falsche Gesten für folgenlos halten?
Todesrune und John Lennons Welt „ohne Religion“
So wie niemand im Vatikan beim „vom Papst mit Nachdruck gewollten“ Interreligiösen Fußballspiel für den Frieden Einspruch dagegen erhob, obwohl das Programm vorab bekannt und angekündigt war, daß vor dem Anpfiff von der gewagt bekleideten argentinischen Sängerin Martina Stoessel mit einer zweifelhaften Todesrune auf dem Bauch (allgemein als „Friedenszeichen“ behauptet), das 1971 von John Lennon veröffentlichte Lied Imagine gesungen wurde:
Stell Dir vor, es gibt kein Paradies / Es ist ganz einfach, wenn du’s nur versuchst / Keine Hölle unter uns / Über uns nur Himmel / Stell dir vor daß alle Menschen / nur für das Heute leben / Stell dir vor es gibt keine Nationen / Das fällt einem gar nicht schwer / Nichts wofür man töten oder sterben würde / und auch keine Religion / Stell dir alle Menschen vor / die in Frieden leben.
Kohorten von „Normalisten“ werden aber bestimmt Erklärungen auch dafür zur Hand haben. Vielleicht die: „Es war ja nur ein Fußballspiel…“ Das Lied Imagine folgt ab Minute 4.40 im Video. Freunde und ich sind dem Aufruf von Riscossa Christiana gefolgt und haben statt das Fußballspiel anzuschauen, für die verfolgten Brüder und Schwestern im Nahen Osten gebetet.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Harvesting the Fruit