(Kiew) Heute abend wird der neue Metropolit von Kiew der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats designiert. Die orthodoxe Kirche in der Ukraine ist seit der Unabhängigkeit der Ukraine in mehrere Zweige zerfallen. Insgesamt gibt es deren vier, die unterschiedlich groß und einflußreich sind. Kanonisch von den anderen orthodoxen Kirchen anerkannt ist nur die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchat, die heute die Wahl des neuen Primas beginnt. Wahlen, die wegen des Konfliktes zwischen West- und Ostukraine und zwischen Kiew und Moskau von der Politik mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet werden.
Daneben gibt es noch die sich 1991 von Moskau abgespaltene Ukrainisch-orthodoxe Kirche Kiewer Patriarchat und die im antikommunistischen Unabhängigkeitskampf der 1920er Jahre entstandene Ukrainische Autonome Orthodoxe Kirche, die beide den Status autokephaler Kirchen für sich beanspruchen, aber als solche von der Orthodoxie nicht anerkannt sind. Und schließlich gibt es noch die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche, die sich selbst dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt hat, aber ebensowenig von den anderen orthodoxen Kirchen anerkannt ist. Alle drei Letztgenannten gelten in der Orthodoxie als schismatische Kirchen. Die Lage ist ziemlich verworren. Rund 75 Prozent der Ukrainer sind orthodoxe Christen. Der Großteil von ihnen untersteht dem Moskauer Patriarchat. Die zweitgrößte orthodoxe Gemeinschaft bildet das Kiewer Patriarchat.
Am vergangenen 5. Juli verstarb der bisherige Metropolit Wolodymyr von Kiew, wodurch die Neuwahl notwendig wurde. Insgesamt werden 74 Bischöfe den neuen moskautreuen ukrainischen Primas wählen. Wie Archimandrit Gheorgi Kowalenko, der Leiter des synodalen Informationsamtes sagte, dürfte der Name des künftigen Metropoliten spätestens morgen bekanntgegeben werden.
Metropolit Wolodymyr von Kiew starb nach langer Krankheit im Alter von 78 Jahren. Der Tod trat mitten in den anhaltenden Spannungen zwischen Ukraine und Rußland ein. Nicht wenige befürchten, daß Versuche unternommen werden könnten, die Wahl von außen zu beeinflussen.
Die Wahl erfolgt geheim und findet in drei Phasen statt. In der ersten Phase werden die Kandidaturen vorgebracht und ein erster Wahlgang durchgeführt. In der zweiten Phase wird nur mehr über die drei Kandidaten abgestimmt, die in der ersten Phase am meisten Stimmen bekamen. In der dritten Phase braucht der Gewählte die Anerkennung durch den Patriarchen von Moskau Kyrill I.
Mögliche Kandidaten
Metropolit Wolodymyr galt als Vertreter einer schrittweisen Annäherung zwischen der kanonisch legitimen Kirche und dem als schismatisch betrachteten Kiewer Patriarchat. Mit zunehmender Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ging am 24. Februar interimistisch die Leitung der Kirche auf Bischof Onuphrius (Berezowsky) übrig, der auch als wahrscheinlicher neuer Primas gehandelt wird.
Der Theologe Dmitri Skwortsow sagt, daß Bischof Onophrius, der derzeitige locum tenens, über einen “sehr guten Ruf“ verfügt: “Ein Mönch wie Wolodymyr, der mit keinen Skandalen in Zusammenhang gebracht wird.“ Allerdings, so Skwortsow, sei Bischof Onuphrius nicht Favorit der politischen Macht in Kiew, weil er ein Verfechter der Einheit der ukrainischen Kirche mit dem Moskauer Patriarchat ist.
Als Kandidaten werden auch Metropolit Aleksandr (Drabinko) genannt, der sich für die Einheit zwischen den beiden größten orthodoxen Gemeinschaften der Ukraine aussprach. Ein weiterer Prätendent könnte Metropolit Symeon (Shostatskyi) von Winnyzja und Mohyliw-Podilskyj sein, der dem am vergangenen 25. Mai gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Pororschenko nahesteht. Skwortsow bezeichnet Poroschenko als „praktizierenden Gläubigen“.
Laut dem in russischen Medien häufig publizierenden Erzdiakon Andrei Kuraew wäre auch der Metropolit von Tarnopol Serhiy (Hensytskyi) ein geeigneter Kandidat. Seine enge Freundschaft mit Bischof Onuphrius könnte ihn jedoch auf eine Kandidatur verzichten lassen.
Die Inthronisation des neuen Metropoliten ist für den 17. August in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale von Kiew vorgesehen. Dazu werden Vertreter aller religiösen Gemeinschaften des Landes erwartet. Der neue Primas leitet die Kirche gemeinsam mit dem Heiligen Synod der Ukraine und ist auf Lebenszeit gewählt. Automatisch ist er auch ständiges Mitglied des Heiligen Synod der russisch-orthodoxen Kirche.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Orthpedia/Wikicommons
Den Begriff „Primas“ kennt die rechtgläubige Kirche nicht.
Da wir Katholiken die rechtgläubige Kirche sind und sehr wohl Person wie Begriff des Primaten kennen, muss ich Ihnen widersprechen.
Nun, die Orthodoxe Kirche ist nicht die Kirche der „rechtgläubiger Katholiken“.Eine „Person“ als Primat kennen wir ja. in der r.k.Kirche ist es der Papst. Den Begriff des Primaten kennen wir ebenso in der Biologie z.B. sind wir Menschen Primaten, auch Gorilla und Orangutan sind Primaten. Primus der Zigeunergeiger gibt’s auch. Primus ist eben der Erste, z.B. Zigeunergeiger, der Klassenbeste, usw. Der „Erste“ ist eben gewählt, sagt der Artikel, nicht mehr und nicht weniger, ohne näheres Einordnen der übertragenen Bedeutungen, wie sie es tun.
Richtig. Primus inter Pares, ist der Erste Bischof unter Bischöfen.
Komisch ist, dass die Orthodoxen Gemeinschaften nicht sichtbar zur Beilegung des Ukraine-Konflikts beitragen. Zumindest findet sich dazu nichts in den Leitmedien.
In den Leitmedien werden Sie natürlich nichts finden, da sich die Leitmedien dafür nicht interessieren. Tatsächlich aber laufen die Spaltungen und Spannungen gerade entlang der konfessionellen Grenzen in der Ukraine. Die radikalsten unter den Politikern der Ukraine sind unter den Ukrainisch-Katholischen Politikern zu finden, die mit der Westbindung auch die Unterdrückung der Orthodoxie inkauf nehmen. Die Russen in der Ukraine aber haben sich und ihre Geistlichen schon längst dem Moskauer Patriarchat untergestellt und ihre eigene kirchliche Hierarchie.
Erschrockener Beobachter dieser Situation ist die Priesterbruderschaft St. Josaphat, die als einzige religiöse Gruppe versucht, politisch neutral zu bleiben.
Solange Nationalismus und Religion eine (un)heilige Allianz eingehen, werden Konflikte innerhalb von Gesellschaften immer wieder bis zum erbitterten Ende ausgefochten, auf Kosten der Menschen und zulasten des Bekenntnisses.
Danke für die interessante Analyse.
Es bleibt allerdings zu fragen, wie sich die verschiedenen orthodoxen Gruppen zum Krieg, zur Kriegschld und insbesondere zur humanitären Lage stellen.