Beim Studium der gut 500 Seiten des Werkes „Die Löwen kommen. Warum Europa und Amerika auf eine neue Tyrannei zusteuern“ entwickelt der Leser einen heiligen Zorn. Nicht jedoch dem Autor gegenüber. Vielmehr ist Vladimàr Palko – slowakischer Politiker und ehemaliges Regierungsmitglied, derzeit Dozent für Mathematik – ausdrücklich zu danken für sein Buch, das 2012 in der Slowakei erschien und in diesem Jahr vom „fe-medienverlag“ auf Deutsch veröffentlicht wurde. Palko steht kurz davor, seine Leser mit zahllosen Fakten zu überwältigen, die anschaulich darlegen, dass sich seit dem Fall des Kommunismus das Christentum in Europa keineswegs frei entfalten kann. (Der Verzicht auf Fußnoten ist übrigens, dies sei gleich zu Beginn bemerkt, die einzige signifikante Schwäche an „Die Löwen kommen“.) Stattdessen ist es gerade dem „Westen“ zu verdanken, dass Christen und mit ihnen sympathisierende Personen verfolgt werden – nicht physisch, in der Regel, aber auf andere, nicht weniger problematische Arten. Und hier entwickelt sich der erwähnte heilige Zorn: zunächst auf die politische Herrscherklasse, aber auch auf die erbärmlich schwache kirchliche Hierarchie, die, anstatt durchzugreifen, sich bei der Welt anbiedert.
Die ersten 120 Seiten von „Die Löwen kommen“ beschäftigen sich mit den Parallelen und Überschneidungen zwischen der kommunistischen Diktatur, die Vladimàr Palko in der damaligen Tschechoslowakei aus nächster Nähe erleben musste, und der anschließenden Diktatur in Namen der Freiheit und der Toleranz, mit welcher der Westen im Prinzip alle ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuropas mehr oder weniger infiziert hat. Die Definition von Freiheit und Toleranz ist dabei natürlich den linken Ideologen überlassen. Palko betrachtet in diesem Zusammenhang verschiedene Phänomene und Personen, so etwa Hollywood, Margaret Sanger, die „American Civil Liberties Union“, Daniel Cohn-Bendit und Elfriede Jelinek. Das Fazit: „Die Unterstützung der Rechtmäßigkeit von Abtreibungen ist ein Kitt, der die Linke in ganz Europa verbindet.“ Drei für Christen nicht verhandelbare Punkte stehen im Zentrum des gesamten Buches, um den Niedergang der abendländischen Zivilisation zu zeigen. Einerseits ist es das Thema Abtreibung, dann die Euthanasie, und schließlich die homosexuelle Kampfpropaganda.
„Die Liberalen gewinnen und die Konservativen konservieren diese Siege.“
In den zwei folgenden Kapiteln, insgesamt ungefähr ebenso viele Seiten umfassend wie der erste thematische Schwerpunkt, wird die Chronologie des Zusammenbruchs, in dem wir uns immer noch befinden, der aber gleichzeitig schon viel zu weit fortgeschritten ist, aufgezeigt. Zu diesem Zweck blickt Palko kurz in die verschiedenen Staaten Nordamerikas und Europas und zeigt auf, wie die oben erwähnten nichtverhandelbaren Punkte von der Herrscherklasse der jeweiligen Bevölkerung aufgezwungen werden. Natürlich sind manche Staaten in der Umsetzung der antichristlichen Agenda noch nicht so weit wie andere, doch ist das kein Grund zur Beruhigung. Schockierend ist, wie durch die Bank es sogenannte „Christdemokraten“ oder „Konservative“ waren, die jene antichristliche Agenda umsetzten – sei es durch jämmerliche Passivität, durch das Abstimmungsverhalten in den Parlamenten, oder durch das direkte Ausarbeiten und Einbringen von kirchenfeindlichen Gesetzen. Man könnte reihenweise aus „Die Löwen kommen“ zitieren, um dies deutlich zu machen, aber folgender Satz fasst die Situation kurz zusammen: „Die Liberalen gewinnen und die Konservativen konservieren diese Siege.“
Zum Versagen christlicher Politiker, sich deutlich zu christlichen Prinzipien zu bekennen, schreibt Palko: „Aber gerade da liegt das Problem. Nur schwammige Äußerungen lassen sich auf diese Art und Weise missdeuten. Wenn jemand einen klaren Standpunkt bezieht, der christlich ist, dann kann niemand mit irgendeiner Wortakrobatik daraus einen gegensätzlichen Standpunkt konstruieren. Die linken Liberalen jedenfalls beziehen klar und laut Stellung. Die Christen in den entsprechenden Funktionen hingegen reden – im günstigsten Fall – unklar.“
In Großbritannien leidet das Christentum besonders, da es als „hate crime“ („Verbrechen aus Hass“) gilt, sich kritisch zur Homosexualität zu äußern. Statt die Homosexualität „lediglich“ zu tolerieren sind Christen in der Praxis gezwungen, sie zu unterstützen. Die Politik des britischen Premierminister ist alles andere als klug. Palko erklärt: „David Cameron begreift nicht, dass er die Kirchen zwingen will, zwischen moralischem und unmoralischem Verhalten nicht mehr zu unterscheiden. Er will entscheiden, was Sünde ist und was nicht. Damit maßt er sich die Rolle eines religiösen Reformators an.“ Damit gemeint sind selbstverständlich nicht echte religiöse Reformatoren wie im Mittelalter die Mönche von Cluny, sondern Revolutionäre wie Martin Luther. Wer aber entscheidet, was Sünde ist, der ist nicht nur ein Revolutionär, sondern setzt sich selbst an die Stelle Gottes.
Auch Deutschland und Österreich diskutiert Vladimàr Palko in „Die Löwen kommen“, wobei hier nur kurz und beispielhaft auf das Parteiprogramm der sogenannten „Christdemokraten“ in Österreich (ÖVP) verwiesen werden soll. Der Autor fragt: „Ist es nicht merkwürdig, zu welchen Tänzen die Christdemokraten bereit sind, um zu verbergen, dass ihre Pro-Life-Einstellungen eigentlich Pro-Choice-Standpunkte sind? In der deutschen Sprache gibt es eine Bezeichnung für einen derart verlogenen Sprachgebrauch, nämlich das Wort: ‚Jein‘. Jein ist ein bisschen Ja und ein bisschen Nein. Und wenn es um das Leben geht, ist das Jein eher ein Nein.“
Und schließlich ein letztes ernüchterndes Zitat, mit dem spätestens klar sein sollte, wieso oben vom heiligen Zorn auf die politische Klasse die Rede war: „Viele Staatsoberhäupter haben Gesetze über die Liberalisierung der Abtreibung unterzeichnet. Viele haben Gesetze über registrierte Partnerschaften oder Gay-‚Ehen‘ unterzeichnet. Aber nur zwei von ihnen haben bereitwillig beide unterzeichnet. Und keiner von diesen beiden war Sozialdemokrat oder Kommunist gewesen. Beide waren Katholiken. Einer war der spanische König Juan Carlos und der andere der katholische Präsident von Portugal.“ Mit Leuten wie diesen in den eigenen Reihen braucht man keine Feinde mehr!
„Zum Kampfe geboren!“
Die Kapitel „Die euro-amerikanische Kulturrevolution“ und „Die Löwen kommen“ liefern weitere interessante Details zur Strategie der antichristlichen Kräfte, sei es durch die Schaffung von „Tatsachen“ durch Gerichtsentscheide oder durch die Einflussnahme globaler Institutionen, wozu der Autor auch Milliardäre wie George Soros, Bill Gates und Ted Turner zählt, die durch Spenden an gut vernetzte Organisationen das Programm der Feinde Gottes fördern.
Der Autor beendet sein Buch mit zehn Geboten unter dem Motto von Papst Leo XIII.: „Christen sind zum Kampf geboren.“ Palko ruft seine Leser darin auf, die Wirklichkeit zu studieren, was die politische Situation betrifft, und die Wahrheit zu verkünden. Gleichzeitig solle man sich auf das Märtyrertum vorbereiten, das wohl nicht die Form der ersten Jahrhunderte annimmt, sondern unbemerkter erfolgt. Außerdem solle man sich untereinander vernetzen und austauschen, nicht ohne auch von Situation zu Situation die Zusammenarbeit mit Andersdenkenden in Erwägung zu ziehen. „Schaffen Sie Kultur!“, fordert Palko und spricht damit schließlich einen Punkt an, der extrem wichtig ist. Solange Christen nichts anderes übrig bleibt, als den Müll zu konsumieren, der tagtäglich von „content providers“ produziert wird, wird sich die Lage kaum bessern. Leider sind die Männer und Frauen der Kirche an dieser entsetzlichen Zerstörung der Kultur mitschuldig. Wie viele Kirchen wurden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verschandelt – bis heute? Wie viele großartige musikalische Höhepunkte wurden aufgegeben zugunsten von primitiven und weltlichen Melodien und Texten?
(K)ein Blick in die Zukunft
Nur am Rande behandelt Vladimàr Palko seine Vision der Zukunft, indem er etwa Erzbischof Charles Chaput zitiert: „Wir leben in einer Zeit, in der die Kirche herausgefordert wird, sich zu einer gläubigen Gemeinschaft im Widerstand zu wandeln.“ Chaput sei, so Palko weiter, ein Nachkomme eines Indianerstammes: „Liebe Christen, ein Indianer-Bischof sagt Euch, dass gegen Euch schon lange das Kriegsbeil ausgegraben wurde und dass Euch nichts anderes bleibt, als dass auch Ihr Euch auf den Kriegspfad begebt. Ihr müsst kämpfen und die geistigen Werte werden Eure Waffen sein.“ Allerdings bleibt es dem Leser zu überlassen, ob die Situation noch einmal umgekehrt werden kann, wie es die Optimisten behaupten, oder ob die Kirche sich zurückziehen und unter dem Radar leben muss. So beschreibt es etwa der außergewöhnliche katholische Autor Michael O’Brien aus Kanada in „Eclipse of the Sun“ und „Father Elijah“ (wobei letzteres Buch in deutscher Übersetzung wie „Die Löwen kommen“ im „fe-medienverlag“ erschienen ist).
Die Löwen kommen. Warum Europa und Amerika auf eine neue Tyrannei zusteuern
504 Seiten, Hardcover
Text: M. Benedikt Buerger
Bild: Verlag