Das berufliche Ansehen von Journalisten ist in den letzten Jahren laut Umfragen gesunken. Gleichwohl spielten sich die Medien im ‚Fall Limburg’ als Moral-Apostel auf. Was steckt dahinter? Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
In diesen Tagen jährt sich die Publikation eines FAZ-Artikels, mit dem der Limburger Bischof Tebratz-van Elst „lange vor der Verkündigung des Urteils dem bürgerlichen Tod überantwortet“ wurde. So resümierte der Schriftsteller Martin Mosebach kürzlich den Beitrag des Kirchenredakteurs Daniel Deckers in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. 6. 2013. Der Artikel bildete den Auftakt zur siebten und letzten Medienkampagne gegen den Limburger Bischof, die letztlich zu seinen Amtsverzicht führte.
Mosebach zeigte die Methoden auf, wie Deckers mit Andeutungen, Kolportage, Verdächtigungen und Ressentiment Stimmung machte gegen den Bischof. In Stil und Duktus des Artikels sieht der Schriftsteller Sentimentalität und Verlogenheit am Werk. Dabei erinnert er an das Bonmot von Max Scheler: „Wer verlogen ist, braucht nicht zu lügen.“ Der FAZ-Journalist beherrscht offenbar die Kunst der verdeckten Lüge, die plumpe Form der offenen Lüge überläßt er seinen journalistischen Kollegen.
Die Lügengeschichte der Medien
Im langen Skandalisierungsprozeß gegen Bischof Tebartz-van Elst verbreiteten die Medien ungezählte Lügen. Den Anfang der medialen Lügengeschichte machte der SPIEGEL mit dem Artikel „Limburger Leidkultur“ vom 15. 11. 2010. Darin stützte der Journalist Peter Wensierski seine Attacke gegen den Limburger Bischof auf vier Lügen:
- Der schon unter Kamphaus geleaste Dienstwagen-BMW sei erst vom Nachfolger angeschafft worden.
- Ein internes Diskussionspapier eines Pfarrers verdrehte der SPIEGEL-Mann zu einem Protestbrief an den Bischof.
- Aus dem schon eineinhalb Jahre archivierten Papier machte Wensierski einen aktuellen „Brandbrief“.
- Und schließlich behauptete das angebliche Nachrichtenmagazin wahrheitswidrig, der damalige Archivtext würde zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unter allen 245 Priestern des Bistums kursieren.
Der ganze Artikel war an Verzerrung und Häme kaum zu überbieten: Zwei Außenseiter-Pfarrer wurden für alle Bistumspriester ausgegeben, die Äußerungen der Splittergruppe ‚Wir sind Kirche’ suggerierte man als Meinung des „Kirchenvolks“; feierliche Liturgie verhöhnt der SPIEGEL als „Hochglanzkitsch“ und katholische Marienverehrung als „Rolle rückwärts“.
Die folgenreichste Negativ-Wirkung für den Ruf des Bischofs hatten zwei handfeste Lügen der Nassauischen Neuen Presse vom 9. Oktober. Einmal phantasierte das Blatt von einer in den Fels gefrästen geheimen „Zweitwohnung von 130 qm“. Des Weiteren verbreitete die NNP die Lüge von der 15.000 Euro teuren „freistehenden Badewanne“. Diese beiden Falschmeldungen heizten die Haß- und Häme-Beiträge gegen den Bischof weltweit an.
Die dreisteste Lüge war die Verbreitung eines Gerüchts durch die Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen vom November 2013. Danach würde Tebartz-van Elst unter einem Autismus-Syndrom leiden. Der Bruder des Bischofs, ein Psychiater, habe das angeblich „Vertrauten“ gesagt. In Wirklichkeit hatte Prof. Dr. Ludger Tebartz-van Elst die Autismus-Verdächtigungen zurückgewiesen. Der Deutsche Presserat erteilte der FAZ für die Verbreitung einer Unwahrheit aufgrund mangelnder journalistischer Sorgfalt eine öffentliche Rüge.
Zahlreiche Verstöße gegen berufsethische Grundsätze
Auch der SPIEGEL steckte seine lange Nase im Oktober 2013 wieder in die Dombergbebauung. Dabei erwies sich die Titelgeschichte „Das Lügengebäude“ allerdings als Bumerang, der letztlich auf das eigene Glaspalast-Redaktionsgebäude zurückfiel.
Denn die zentrale Behauptung des angeblichen Nachrichtenmagazins, der Bischof selbst hätte mit der Zahl von „knapp 10 Mill.“ die Gesamtkosten angegeben, war eine VorSPIEGELung falscher Tatsachen. In Wahrheit hatte der Diözesanbaumeister diese Zahl für die Restaurierungsobjekte benannt. Bischof Tebartz-van Elst ließ einige Tage später die mißverständlichen Angaben korrigieren, indem er die Gesamtkosten wahrheitsgemäß als „deutlich höher“ herausstellte.
Neben den aufgezählten Beispielen verbreiteten die Medien zahlreiche weitere Falschmeldungen und Halbwahrheiten. Damit verstießen die Journalisten gegen den berufsethischen Grundsatz, der im Pressekodex an erster Stelle steht: „Die Achtung vor der Wahrheit und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit“ muß als „oberstes Gebote der Presse“ gelten. In Ziffer drei der Medien-Selbstverpflichtung wird den Redaktionen aufgetragen: Wenn „Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art“, sich nachträglich als falsch erweisen, hat das veröffentlichende Publikationsorgan sie unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen“. Im Fall Tebartz-van Elst hat nicht ein einziges Presseorgan die als falsch erwiesenen Behauptungen personenbezogener Art richtig gestellt, wie es die Pressekodex-Richtlinien fordern. Alle die genannten Medienorgane, die sich selbst als seriöse Qualitätspresse einstufen, handelten nach der Boulevardmedien-Maxime: ‚Die heutigen Schlagzeilen machen unsere Lügen von gestern für das Publikum irrelevant.’
Journalisten spielen sich als Moral-Apostel auf
Angesichts dieser Fülle von unethischem Vorgehen der Redaktionen überrascht es sehr, daß sich auf dem Höhepunkt der Medien-Hatz viele Presseorgane als Anwälte für Wahrheit und Wahrhaftigkeit aufspielten. So oft wie bei dieser Hetz-Kampagne gegen einen Kirchenmann haben die Medien noch nie auf das achte Gebot des Dekalogs verwiesen. Selbst Atheisten-Seiten und Blasphemie-Blogs schworen plötzlich auf das achte der zehn göttlichen Gebote. Die Journalisten hielten sich die linke Hand aufs gutmenschliche Herz und schleuderten mit der rechten das achte Gebot wie einen Stein auf den Bischof. Die moralische Entrüstung von Lügen-Medien feierte Triumphe.
Den Vogel an Verlogenheit schoß die Nassauische Neue Presse aus Limburg ab. In der Ausgabe vom 17. Oktober spielte sich die regionale Monopolzeitung als moralische Oberinstanz auf, indem sie im Empörungsgestus auf das „Haus auf Lügen gebaut“ zeigte. Dabei konnte der verantwortliche Redakteur das Lügenverbot des 8. Gebotes nicht einmal richtig dem biblischen Dekalog zuordnen – ganz zu schweigen von der Einsicht, daß beim moralisierenden Fingerzeig auf andere immer drei Finger auf den Anzeigenden selbst zurückweisen, in diesem Fall auf die Lügen, Verdrehungen und Verzerrungen in den entsprechenden Meldungen der eigenen Zeitung.
Am nächsten Tag machte sich der gleiche journalistische Moral-Apostel daran, üble Nachrede und Schmäh-Kritik zu verbreiten, indem er die Häme- und Haß-Karikaturen gegen den Bischof aus dem Netz fischte. Er breitete die Schmäh-Kritik genüßlich vor der Leserschaft aus, um damit Person und Amt des „Bischofs als Witzfigur“ lächerlich zu machen.
Genauso schludrig, wie viele Journalisten mit der Zitierung des achten Gebotes umgehen, sind auch ihre Recherchen zu den Bischofsvorwürfen. Die meisten Redakteure plapperten nur die Vorwürfe anderer Medien und Meinungsmacher nach. Kaum einer prüfte sorgfältig den Sachverhalt, wie es die berufsethischen Richtlinien des Pressekodex verlangen.
Pharisäerhafte Medienleute
Die Frage bleibt: Warum spielen sich die Medien in diesem Fall so pharisäerhaft-penetrant als Moralapostel und Wahrheitsanwälte auf, obwohl die Journalisten genau wissen, daß sie selbst vielfach zwischen ungeprüften Medien-Thesen, Halbwahrheiten und auch Lügen lavieren (müssen)?
Ein Grund dafür könnte die moralische Schadenfreude der Medienleute sein, die im Wissen um ihr eigenes wackliges Verhältnis zur Wahrheit mit dem Lügen-Fingerzeig auf den Bischof demonstrieren wollen: Ihr Christen seid auch nicht besser als wir Journalisten. Die Häme ist mit den Händen zu greifen, wenn die Journalisten Tebartz-van Elst als „Kirchenmann“ oder sogar „Gottesmann“ herausstellen, um ihm dann sein angeblich moralisches Fehlverhalten um die Ohren zu schlagen.
Der Tiefengrund für die ungewöhnlichen Moral-Predigten der Medien dürfte ein anderer sein: Die latent kirchenfeindlichen Medien versuchen mit solchen Vorfällen wie in Limburg die Glaubwürdigkeit und das moralische Ansehen der katholischen Kirche anzukratzen, um sich selbst auf den moralischen Richterstuhl zu setzen. Sie versuchen sich als Instanz zu etablieren, die entscheiden will, was richtig und falsch sein soll oder „was geht und was nicht geht“.
Medialer Angriff auf die Glaubwürdigkeit der Kirche als Werte-Instanz
In einem Kommentar der Illustrierten Stern vom 20. 8. 2012 wurde diese subversive Zielsetzung auch offen angesprochen: Es gehe bei den Limburger Medienskandalisierung um die „Glaubwürdigkeit der Institution Kirche, die angeblich so anders ist als ‚die Welt’“.
So ist es. Die katholische Kirche steht dafür – anders als die im mainstream schwimmende EKD –, als einzig signifikante Kraft zur Bewahrung christlicher Grundwerte zu verbleiben. Und dieses Wertesystem der Kirche irritiert die weltlichen Medien:
- Der Zölibat z. B. ist für ‚die Welt’ und ihre Medienpropagandisten völlig unvorstellbar, irgendwie außerirdisch. Zugleich spüren sie, daß die freiwillige Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen auch ein Protest-Signal ist gegen eine Welt von Pornographie und Prostitution, Hedonismus und Narzissmus.
- Die kirchliche Ablehnung von jeder Abtreibung, auch der Frühabtreibung durch die ‚Pille danach’, ist ‚der Welt’ eine unverständliche Torheit.
- Die kirchliche Lehre von der schöpfungsbedingten, unauflöslichen Ehe zwischen Mann und Frau und die daraus resultierende Ablehnung der ‚Homo-Ehe’ bringt ‚die Welt’ in Rage.
- Überhaupt ist der Anspruch der Kirche, in Glaubens- und Sittenlehre auf Naturrecht und Bibel gegründete Wahrheiten zu verkünden, für den moralischen Relativismus und ethischen Konventialismus ‚der Welt’ eine Provokation.
Auf diesem Hintergrund stürzen sich die weltlichen Medien auf die vermeintlichen und wirklichen Fehler von Kirchenleuten. In ihren Kommentaren verallgemeinern sie dann die menschlichen Schwächen Einzelner auf die ganze Kirche, um deren Glaubwürdigkeit als Werte-Instanz zu zerstören. Das ist die miese Methode der Kirchengegner seit Voltaire und Diderot. Auf diese Weise ging auch die kirchenfeindliche Goebbels-Presse gegen die katholische Kirche vor. Und der anti-kirchliche Kampagnen-Journalismus der letzten Jahre zeigt eine ähnliche Handschrift.
Die Schein-Moral der Boulevard-Journalisten
Der Stern-Journalist Frank Ochmann erklärt in seltener Offenheit die Medien-Methoden des Bischofs-Bashing: Die Umstände oder die private Finanzierung des Upgrades vom Indien-Flug etwa spielten für den Medien-Pranger keine Rolle, meint der Medien-Mann. Nur „auf den Anschein kommt es an“ – also darauf, was die Journalisten – mit Häme und Haß-Phantasien – daraus machen.
Danach stellt sich der Kommentator den berechtigten Einwand: ‚Eigentlich müßte es den Nichtkatholiken und Gottlosen unter uns ganz egal sein, wie der Bischof mit dem Bistumsvermögen umgeht oder wie gesprächsbereit er sich gegenüber seinen Kritikern verhält.’ Doch dann fällt sich der Stern-Mann selbst ins Wort, indem er behauptet: Wenn ein Kirchenmann „in verantwortlicher Position seine eigene Bequemlichkeit über das Wohl der Gemeinschaft stellt, dann schadet er dem moralischen Klima der Gesellschaft insgesamt“.
Nach einer amerikanischen Umfrage landete die Berufsgruppe der Journalisten bei der Kategorie „Beitrag zum Allgemeinwohl“ auf den letzten Plätzen. Und diese Leute wollen Richter über Gemeinwohl-Verhalten sein? Ausgerechnet der Sern erklärt sich zum Wächter über die gesellschaftliche Moral. Er will bestimmen, was moralisch geht und was nicht: Pornographie und Prostitution, Pille danach und 100.000 Abtreibungen jährlich läßt man moralisch durchgehen – ein Langstreckenflug mit privat finanziertem Upgrade, das soll nicht mehr gehen? Und „diese Bequemlichkeit“ soll angeblich die gesellschaftliche Moral beschädigen? Der Stern-Moralist macht sich lächerlich!
Die Medien fördern eine relativistische Moral
Gerade die nichtkatholischen und gottlosen Medien haben in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, daß die Diktatur einer relativistischen Moral herrscht. Damit wurde jede überzeitliche Norm – etwa die der 10 Gebote der Bibel oder des Naturrechts – abgelehnt. Jeder sollte selbst entscheiden, was er für gut und böse hält – z. B. vor einer Abtreibung. In diesem Rahmen wurden auch die sittlichen Lehren der Kirche abgelehnt und erst recht Kirchenleute als Vorbilder. Doch jetzt plötzlich behauptet der Stern, daß sich die nicht-kirchliche Gesellschaft an Kirchenleuten orientierte und durch das Verhalten eines Bischofs die gesellschaftliche Moral Schaden nehme.
Merken die Stern- und SPIEGEL-Journalisten eigentlich nicht, wie widersprüchlich und verlogen ihre Moral-Argumentation ist?
Eines wird bei der Analyse des anti-kirchlichen Kampagnen-Journalismus jedenfalls auch klar: Die meisten Medien mit ihren Lügen, Halbwahrheiten und Verzerrungen in der Kirchenberichterstattung sind als moralische Werte-Instanzen unglaubwürdig, was die Mehrheit der Bevölkerung laut Umfragen auch so sieht.
Bild: Hermine Tuzzi