(Vatikan) Europäische Wohlfühlbuddhisten schwärmen von der Friedfertigkeit dieser auf dem indischen Subkontinent entstandenen Religion. Damit verbunden ist meist eine unterschwellige Anklage gegen ein angeblich „gewaltbereites“ Christentum. Der Buddhismus sieht allerdings anders aus, als ihn sich westliche Modebuddhisten mit Ikea-Buddha im Regal vorstellen. Er hat seine dunklen Seiten. Von Buddhisten begangene Morde, Gewalttaten und Intoleranz lassen neuerdings auch den Vatikan aufhorchen.
Zwei asiatische Staaten sind besonders davon betroffen. Das Phänomen zeigt sich aber auch anderswo. Sowohl Sri Lanka als auch Myanmar haben eine buddhistische Mehrheit, die der Theravada-Schule angehört. Szenen demonstrierender buddhistischer Mönche, die mit Sprechchören Haßparolen schreien, gehören heute zum Straßenbild beider Länder. Und sie sind noch die harmloseste Variante der neuen buddhistischen Radikalisierung.
Buddhistischer „Osama bin Laden Asiens“
Ein Anführer der orangen Birmanen, Ashin Wirathu, bezeichnet sich selbst mit Stolz als „Bin Laden Asiens“. Das Wochenmagazin Time widmete ihm eine Titelseite als neues „Gesicht des buddhistischen Terrors“. Sowohl im ehemaligen Burma als auf der Insel Sri Lanka werden ganze Familien ermordet, nur weil sie Christen sind. Das gleiche Schicksal trifft auch Moslems.
Selbst Buddhisten, die sich den Extremisten nicht anschließen, werden Opfer von Gewalttaten. Zu ihnen gehört der buddhistische Mönch Watarka Vijitha Thero, der sich in der Vergangenheit für den Dialog mit den Christen und anderen Religionen einsetzte. Andere Mönche mißhandelten ihn bis zur Ohnmächtigkeit. Sie werfen ihm vor, ein „Verräter“ zu sein. Die Katholische Kirche ist besorgt über diese Entwicklung. Die Christen insgesamt stellen in beiden Ländern eine kleine Minderheit dar. Auf Sri Lanka sind 8,5 Prozent Christen, der Großteil davon, sieben Prozent, sind Katholiken. In Myanmar sind sechs Prozent Christen, eine Minderheit davon, ein Prozent, sind Katholiken. Das Christentum auf Sri Lanka ist daher vor allem katholisch geprägt, jenes von Myanmar protestantisch. Die radikale Gegnerschaft der Buddha-Extremisten trifft alle Christen unterschiedslos. Zum Vergleich dazu sind 87 Prozent der Birmanen Buddhisten und 70 Prozent der Einwohner Sri Lankas.
Dort kommt hinzu, daß vor allem Angehörige der tamilischen Minderheit Christen, die ethnischen Singalesen in ihrer großen Mehrheit aber Buddhisten sind. Der ethnische Konflikt wird damit auch zum religiösen Konflikt. Die Tamilen sind mehrheitlich Hinduisten. Mehr als 20 Prozent der Tamilen sind Katholiken, aber nur fünf Prozent der Singalesen. Die moslemische Minderheit der Insel spricht auch tamilisch, obwohl sie keine Tamilen sind.
Papst Franziskus besucht im Januar 2015 Sri Lanka
Der Vatikan befaßt sich mit dieser Radikalisierung, weil Papst Franziskus vom 13.–15. Januar 2015 Sri Lanka besuchen wird. In buddhistischen Kreisen wird man nicht müde, die anderen Religionen als Religionen der Kolonialherren darzustellen, ob es sich um den indischen Hinduismus, den Islam oder das Christentum handelt. Letzteres kam in seiner lateinischen Fassung ab 1518 durch die Portugiesen auf die Insel, die später von den Niederländern (1658) und schließlich von den Briten (1796) als Kolonialmacht verdrängt wurden.
Pater Indunil Janakaratne Kodithuwakku Kankanamalage stammt aus Sri Lanka. Der Theologe ist Untersekretär des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog. Er verhehlt nicht seine Sorge, bemüht sich aber das Phänomen buddhistischer Extremisten nicht überzubetonen. Vatican Insider zitiert ihn mit den Worten: „In Sri Lanka sind gewalttätige Mönche nur kleine Gruppen, hinter denen häufig die unsichtbare Hand der Politik steht. Viele andere Mönche und führende Religionsvertreter haben öffentlich die Gewalt verurteilt und fördern eine pluralistische und inklusive Nation“.
„Buddhistische Psychose gegen andere Religionen“
Die Gewaltexplosion erklärt der katholische Priester, Soziologe und
Missionswissenschaftler mit „historischen“ Gründen. Der Buddhismus sei der maßgebliche Faktor für die singalesische Identität. „Der Kolonialismus ist eine noch offene historische Wunde. Für 400 Jahre wurde die singalesische Mehrheit unterworfen und konnte sich dann dank des entscheidenden Beitrags des Buddhismus wieder aufrichten. Heute macht sich eine Art Psychose gegen andere Religionen wie den Islam und das Christentum breit“, so Indunil Janaka Kodithuwakku.
2004 und dann erneut 2012 wurde von buddhistischen Abgeordneten ein Gesetzentwurf eingebracht, mit dem Konversionen von Buddhisten zu anderen Religionen verboten werden sollten. „Die Buddhisten wollen die Kultur des Landes bewahren, deren Hauptelement ihre Religion ist“, zeigt der katholische Priester und führende Vertreter des vatikanischen interreligiösen Dialogs Verständnis. „Aus diesem Grund betreiben einige Gruppen eine Auslegung von Buddhas Lehren, die irrtümlich zu einer Rechtfertigung von Gewalt führt“, so Kodithuwakku gegenüber Vatican Insider.
Im Kontext dieser schwierigen Situation bewege sich die „Kirche Sri Lankas, da Minderheit, mit größter Zurückhaltung. Sie mußte bereits Momente des Leidens erdulden, als 1960 alle ausländischen Missionare des Landes verwiesen und alle katholischen Schule und Bildungseinrichtungen verstaatlicht wurden. Die Herausforderung heute ist der Dialog. Es gibt zahlreiche gemeinsame Initiativen von Buddhisten, Christen und Moslems, die keine Schlagzeilen machen, aber hoffen lassen“, so der Untersekretär des Päpstlichen Rats, seit Juni 2012 im Amt und vor kurzem von Papst Franziskus darin bestätigt.
Buddhismus kennt auch Extremismus
Tatsache ist, daß entgegen landläufiger Meinung, auch der Buddhismus extremistische und gewalttätige Formen kennt, wie Riccardo Venturini, der Leiter des Buddhistischen Kulturzentrums in Rom bestätigt. „Man rechtfertigt Gewalt im Namen eines höheren Wohls. Der Buddhismus stellt da unter den anderen Religionen keine Ausnahme dar“. Venturini erinnert an den Zen-Buddhismus Japans, der in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts einen radikalen Militarismus unterstützte und sich bis heute nicht davon distanziert hat.“
Es gebe aber auch „ermutigende Signale“ so Kodithuwakku. 42 Mönche des Obersten Rats der Sangha, der buddhistischen Gemeinschaft, einer repräsentativen Einrichtung des Theravada-Buddhismus in Thailand nahmen an den Festlichkeiten zu 50 Jahren der Errichtung des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog teil und richteten eine Botschaft „des Friedens und der Harmonie an Papst Franziskus“, so Pater Kodithuwakku.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews