(Vatikan) Am 16. Juni empfing Papst Franziskus den anglikanischen Erzbischof von Canterbury und Oberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft, Justin Welby in Audienz. Am Ende der Audienz ließ sich Papst Franziskus von Welby segnen. Der Papst hatte Welby ausdrücklich darum gebeten.
Radio Vatikan veröffentlichte über das Treffen die nachfolgende Meldung. Im Anschluß daran veröffentlichen wir einen Auszug aus einem Leitartikel von Erzbischof Giuseppe Kardinal Siri von Genua zum Thema „Die falsche Ökumene“ .
Radio Vatikan zur Papstaudienz für Justin Welby
Weggefährten in der Nachfolge des Herrn: So bezeichnete Papst Franziskus an diesem Montag sich selbst und seinen Gast, den Ehrenprimas der anglikanischen Kirche und Erzbischof von Canterbury, Justin Welby. Gemeinsam arbeite man im Weinberg des Herrn, sei man Pilger zu seinem Reich.
„Auch uns scheint der Herr zu fragen: Über was habt ihr euch auf dem Weg unterhalten?“, zitierte der Papst die Geschichte des Rangstreites unter den Jüngern aus dem Markusevangelium.
„Auch wir fühlen uns – wie die Jünger – verwirrt wegen der Distanz, die zwischen der Frage des Herrn und unserer ärmlichen Antwort besteht. Unter seinem barmherzigen Blick können wir nicht vortäuschen, dass unsere Teilung kein Skandal wäre, kein Hindernis für die Verkündung des Evangeliums von der Erlösung der Welt.“
Die volle Einheit könne einem weit entfernt vorkommen, trotzdem sei sie der Orientierungspunkt, auf den alle Schritte zugehen müssten, so der Papst weiter. Besonders würdigte er den Einsatz Welbys gegen den Menschenhandel, auf diesem Feld gebe es bereits viel Zusammenarbeit.
„Ich denke auch besonders an das Aktions-Netz gegen den Handel mit Frauen, das von vielen Ordensfrauen und Institutionen geschaffen wurde. Wir engagieren uns gemeinsam im Kampf gegen diese neue Form der Sklaverei. Wir sind als Jünger gesandt, um die verwundete Welt zu heilen. Ich danke Gott, dass er uns gemeinsam dieser fürchterlichen Plage die Stirn bieten lässt, mit Geduld und Entschlossenheit.“
„Vergessen Sie die drei ‚P’ nicht!“ fügte der Papst auf Englisch an. „Die drei ‚P’?“ „Prayer, Peace and Poverty“, antwortete der Papst, also Gebet, Frieden und die Armen. „Wir müssen gemeinsam gehen“, schloss er seine Ansprache dann, und Welby antwortete mit denselben Worten, „Wir müssen gemeinsam gehen!“
„Die falsche Ökumene“ von Kardinal Giuseppe Siri
Der Unterschied zwischen Katholiken und Nicht-Katholiken, so sehr sie auch Brüder sein wollen, liegt auf der Glaubensebene. Man muß den Mut haben das zu sagen und es immer zu sagen. Ebenso rutschige wie höfliche Taktiken zu gebrauchen, alle Inhalte undeutlich in einem unsicheren Zwielicht zu verschleiern, das die unangenehmen Aspekte beseitigt, bedeutet nicht, Ökumene zu betreiben. Eine solche ist es, wenn sie unter Einsatz jeder Tugend, mit allen persönlichen Opfern, mit aller festen Geduld und mit der herzlichsten Nächstenliebe klare Grenzen setzt.
Was sollte das für eine Rückkehr zur vollen Einheit unter den Gläubigen sein, wenn der beschrittene Weg mit Mißverständnissen und Halbwahrheiten gepflastert ist? Es steht fest, daß die Brücke des römischen Primats zu überschreiten ist, und wenn man sie nicht bewußt überschreitet, nicht den einzigen und wahren Zweck der Ökumene erreicht.
So zeichnet sich die wirkliche Gefahr in dieser begeisternden Materie ab. Das sind jene, von denen die Gefahr ausgeht, aus der Ökumene ein Sammelsurium erstickter Glaubenslehren zu machen. Es gibt Autoren, die unter Mißbrauch ihres Theologenseins oder der Würde der Forschung eine katholische Glaubenswahrheit nach der anderen zertrümmern, indem sie das Lehramt zerbröseln oder ignorieren. Sie lassen am Wissen zweifeln, daß Gottes Wahrheit nur eine und perfekt ist, die in einem Punkt geleugnet, wegen ihrer inneren Logik und Harmonie zwangsläufig zur Leugnung der ganzen führt.
Sie verstehen nicht, daß Gott alles einem Lehramt anvertraut hat, das so gewiß und göttlich garantiert ist, daß man behaupten kann “quod Ecclesia semel docuit, semper docuit“. Vielleicht haben sie auch vergessen, daß die Sichtbarkeit der Kirche und ihre menschliche Wirklichkeit sie keineswegs kompromittieren, sondern die Hand Gottes in dem beweisen, was Er menschlichen Händen anvertraut hat, das sonst heute nicht mehr bestehen würde und seit unvordenklichen Zeiten bereits tot wäre. Unsere Brüder erwarten uns, aber sie erwarten uns im Tageslicht und nicht in den ungewissen Schatten der Nacht.
Kardinal Giuseppe Siri in Renovatio, XII (1977), Heft 1, S. 3–6
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Osservatore Romano