(Rom) In Italien ist in den vergangenen Jahren ein radikaler Umbruch in der Lebensrechtsszene im Gange. Die Situation ist in jedem Land aus kulturellen und historischen Gründen anders. Dennoch liefert das italienische Beispiel mit Verweisen auf die USA und Frankreich einige interessante Elemente für den deutschen Sprachraum, wo die Situation in den einzelnen Ländern ebenfalls Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufweisen.
Mit dem 2011 in Italien entstandenen Marsch für das Leben hat die Lebensrechtsbewegung ihre Handlungsfähigkeit zurückgewonnen und sich aus der erstickenden Umarmung einer bloßen Feigenblattfunktion für (die christdemokratische) Politik und Bischofskonferenz befreit. Die neue Lebensrechtsbewegung ist völlig unabhängig. Unabhängig von Parteien, unabhängig von der Bischofskonferenz und unabhängig von anderen Organisationen.
Der Marsch für das Leben in Italien geht auf die Initiative traditionsverbundener Katholiken zurück, darunter den im Frühjahr verstorbenen Rechtsphilosophen Mario Palmaro. Traditionsverbundene Katholiken gaben auch die Initialzündung für die französische Bürgerrechtsbewegung Manif pour tous. Und die Gründerin des March for Life, des größten Marsches für das Leben in Washington, ließ sich 2012 im Alten Ritus begraben. Kein Zufall, wie Roberto de Mattei meint.
Da nicht nur das Lebensrecht, sondern die Familie insgesamt zum Abschuß freigegeben wurde, wird nun über den Aufbau einer Bewegung zur Verteidigung der Familie diskutiert. Der Blick geht dabei vor allem über die Alpen nach Westen, wo in Frankreich mit der Bürgerrechtsbewegung Manif pour tous innerhalb kürzester Zeit eine solche Bewegung mit Massenbasis entstanden ist.
Über die Wege, wie das Ziel erreicht werden könnte, gehen die Meinungen auseinander. Jüngst wurde die Wiederholung eines Family Day angeregt, wie er bereits am 12. Mai 2007 stattfand. Dagegen hat sich nun einer der Initiatoren des Marsches für das Leben, der bekannte Historiker Roberto de Mattei zu Wort gemeldet. „Es werden nicht die Bischofskonferenz und die Politik sein, die die Prolife-Bewegung wieder aufrichten werden.“ Tatsache sei, daß die Familie von allen Seiten belagert und angegriffen wird. Hier die weiteren Ausführungen von Roberto de Mattei, die am 11. Juni in der Tageszeitung Il Foglio erschienen sind und indirekt auch eine Antwort an Martin Lohmann und dessen umstrittene Einladung von Donum vitae zum Marsch für das Leben in Berlin darstellen.
Das Leben von unten
von Roberto de Mattei
Die Familie steht unter nie dagewesenem Angriff, nicht nur in Italien, sondern weltweit. Dieser Prozeß, der von der 68er-Revolution ausgelöst wurde, hatte in unserem Land seinen symbolischen Anfang mit der Volksabstimmung vom 12. Mai 1974, die das Scheidungsgesetz Fortuna-Baslini von 1970 bestätigte. Der Weg war damit geebnet für die nächsten Etappen, die dann zur Legalisierung des neuen Familienrechts, der Abtreibung, der künstlichen Befruchtung und zum gerade stattfindenden Versuch führten, die homosexuelle Partnerschaft zu institutionalisieren und abweichende Stimmen mit der neuen „Straftat Homophobie“ zu unterdrücken.
Familie, in Natur des Menschen verwurzelt, entwickelt Antikörper
Die Verabschiedung der schnellen Scheidung durch die Abgeordnetenkammer, mit der die Zeiten für die Eheauflösung auf sechs Monate verkürzt werden, zeigt die Marschrichtung der Regierung Renzi an. Die Institution Familie ist zertrümmert, da sie aber direkt in der Natur des Menschen verwurzelt ist, produziert sie Abwehrstoffe.
In den vergangenen 40 Jahren haben sich weltweit spontan als Reaktion Bewegungen zu ihrer Verteidigung gebildet. Die älteste ist der amerikanische March for Life, der seit dem 22. Januar 1974 jedes Jahr in Washington Hunderttausende Teilnehmer versammelt und die Spitze des Diamanten der Anti-Abtreibungs-Bewegung in den USA darstellt.
Die jüngste ist die französische Manif pour tous, die im September 2012 in Paris entstand und in weniger als zwei Jahren Millionen Menschen auf die Straße brachte, um gegen die homosexuelle Pseudo-Ehe zu protestieren.
Diese beiden Bewegungen sind die bedeutendsten Volkskundgebungen zur Verteidigung des Lebens und der Familie.
Was den March for Life und Manif pour tous ausmacht
In Italien initiierte die Bischofskonferenz für den 12. Mai 2007 den Family Day mit dem Ziel, vom Parlament eine bessere Sozialpolitik für die Familie zu beschließen. Die Initiative war ein großer Erfolg, blieb aber folgenlos.
Seit 2011 entwickelte sich hingegen aus einer spontanen Initiative mehrerer kleiner, aber streitbarer Vereinigungen ein Marsch für das Leben, der am 4. Mai diesen Jahres in Rom 50.000 Menschen versammelte, die auf die Straße gingen, um ihr bedingungsloses Nein zur Abtreibung zum Ausdruck zu bringen, ohne Ausnahmen und ohne Kompromisse.
Was sind die Gemeinsamkeiten und was die Unterschiede dieser verschiedenen Initiativen? Die große Stärke des March for Life und der Manif pour tous liegt darin, mächtige Mobilisierungen zu sein, die obwohl völlig unabhängig von der politischen Macht oder der kirchlichen Hierarchie, einen tiefen Einfluß auf die politischen und religiösen Institutionen ihrer Länder ausüben.
Wenn die Bischöfe der USA weltweit zu den entschlossensten Verteidigern des Lebens gehören bis hin, katholischen Abtreibungsbefürwortern die Kommunion zu verweigern, dann ist dies der Tatsache geschuldet, daß sie vom March for Life so massive Rückendeckung erhalten und sie gleichzeitig auch zum Bekenntnis gezwungen sind. Die Manif pour tous ist konfessionell und politisch ungebunden, wie der March for Life, erfährt aber auf individueller Ebene die Unterstützung vieler Bischöfe. Das hat dazu beigetragen ein psychologisches und kulturelles Klima zu schaffen, das zur vernichtenden Niederlage Hollandes bei den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament führte.
Unabhängig von Politik und Bischofskonferenz
In Italien hingegen, wo es eine fest verwurzelte christdemokratische Tradition gibt, für die die ersten Ansprechpartner die Bischöfe sind oder die Parteien sind, waren alle Initiativen, die im Laufe der Zeit entstanden, fast immer Ausfluß der politischen oder kirchlichen Strukturen. Das Forum der Familienverbände, das offiziell den Family Day 2007 organisierte, war direkt von der Bischofskonferenz abhängig. Es genügt daran zu erinnern, daß der Leiter des Amtes für Familienpastoral der Bischofskonferenz oder seine Vertreter laut Statuten eingebunden sind. Ebenso bekannt ist die Bindung des Movimento per la Vita von Carlo Casini an die Bischofskonferenz, von der der MpV, laut Nuova Bussola Quotidiana, 600.000 Euro im Jahr erhält und damit fast die Hälfte des Gesamthaushaltes.
Der Family Day 2007, der vor allem der politischen Intelligenz von Kardinal Ruini zu verdanken war, ist innerhalb eines Jahres entstanden und wieder gestorben, gerade weil es sich um eine Initiative von oben handelte, der die Wurzeln im katholischen Volk und dem katholischen Vereinswesen fehlten.
Bannerträger nicht verhandelbarer Werte
Der Erfolg des Marsches für das Leben rührt vom Einsatz einer Vielzahl von kleinen und großen Realitäten her, die in allen lebendigen Verästelungen der Gesellschaft präsent sind, von den Pfarreien bis zum Internet. Ohne die Unterstützung der politischen Parteien, der Bischöfe oder der größten katholischen Bewegungen von Comunione e Liberazione bis zum Neokatechumenat, kann der Marsch für das Leben eine kompakte und zahlreiche Streitmacht ins Feld führen. Es ist eine Basis, die verlangt, von freien und unabhängigen Männern und Frauen vertreten zu werden, die Bannerträger der nicht verhandelbaren Grundsätze und damit von Ideen und nicht von Machtinteressen sind. Das ist die Kraft des Marsches für das Leben.
Nicht von oben, durch politische oder kirchliche Verhandlungen kann man etwas wirklich Solides für die Verteidigung des Lebens und der Familie aufbauen, sondern von unten mit der Hilfe jener Myriade von Gruppen, Vereinigungen und Kreisen, die meist unbekannt und von den Medien unbeachtet sind, die es aber gibt und die zusammengeführt, einen kompakten Block bilden. Innerhalb dieser Bewegung und nicht als Alternative dazu, existiert und kann sich eine ernsthafte Opposition entwickeln, die nicht bloß Fassade ist, die sich jenen entgegenstellt, die die Familie zerstören wollen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Schade das sich der katholische Widerstand gegen Abtreibung und für die Familie in deutschsprachigen Raum noch nicht einmal ansatzweise so zusammengerauft hat wie in Italien und in Frankreich, aber wie es scheint kocht jeder hier lieber sein Eigenes Süppchen in der Meinung „Meine Meinung ist die einzig Richtige, und daher kann ich mich eben keinen anderen anschließen“, siehe die Diskussion die in einen anderen Tread hier über Martin Lohmann geführt wird. Ich nenne so etwas STURHEIT.
Gottes und Mariens Segen auf allen Wegen