(Innsbruck) Vergangene Woche wurde bekannt, daß die Vorsitzende der kirchenrebellischen Vereins „Wir sind Kirche“ exkommuniziert wurde. Exkommunikationen sind proportional umgekehrt zur zunehmenden Verbreitung heterodoxer Lehren und zur Disziplinlosigkeit in der Kirche eine Seltenheit geworden. Der streitbare Priester Ariel Levi di Gualdo, ein jüdischer Konvertit, befaßt sich in seinem jüngsten Aufsatz mit dem Fall Martha Heizer. Mehr noch geht es ihm darum, daß die kirchliche Autorität das Instrument der Exkommunikation kaum nutzt und die Kirche unter dieser Abwesenheit der kirchlichen Autorität stöhnt.
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Die „Priesterin“ von „Wir sind Kirche“ hat sich exkommuniziert
von Ariel Levi di Gualdo
Die Fakten: Martha Heizer inszenierte zusammen mit ihrem Ehemann Gert Heizer seit drei Jahren in ihrem Haus in Absam unter Anwesenheit von Gläubigen eine regelrechte eucharistische Parodie. Nach einer gründlichen Untersuchung durch die Glaubenskongregation stellte der Bischof von Innsbruck, Msgr. Manfred Scheuer persönlich das Exkommunikationsdekret zu, das von den beiden Betroffenen zurückgewiesen wurde. Martha und Gert Heizer erklärten in den Medien, empört zu sein über das Vorgehen der „Amtskirche“ und vor allem, daß sie ihren Weg weitergehen werden.
Jeder Bischof kann exkommunizieren und sollte es im Notfall auch tun
Jenen, die mich um Aufklärung über die Exkommunizierung gebeten haben und darüber, was genau eine Exkommunikation bedeutet und wer sie verhängen kann, muß ich zunächst vorausschicken, daß es sich dabei nicht um ein päpstliches Vorrecht handelt, wie viele zu meinen scheinen. Alle residierenden Diözesanbischöfe, die über die Vollmacht zur Leitung ihrer Ortskirche verfügen, besitzen das Recht, die Exkommunikation über ihnen unterstehende Gläubige zu verhängen, und manchmal hätten sie geradezu die Pflicht, davon Gebrauch zu machen, wenn sie dies in diesen Zeiten auch nur sehr selten tun. Das Recht erstreckt sich unterschiedslos auf alle ihnen in ihrer jeweiligen Jurisdiktion anvertrauten Gläubigen ob Priester, Diakone, Ordensleute oder gläubige Laien gemäß den im Kirchenrecht festgelegten Bestimmungen.
Der Großteil der Exkommunikationen erfolgt latae sententiae wegen Tatstrafen, das heißt automatisch, weil die Betroffenen durch ihr Verhalten oder ihre verbrecherischen Handlungen, gleichgültig ob es sich dabei um einen Kleriker in sacris oder um einen Laien handelt, ipso facto exkommuniziert sind.
Versuchen wir die Sache anhand eines konkreten Beispiels zu erklären: Wenn ich als Priester beim Beichtdienst das sakramentale Siegel der Geheimhaltungspflicht breche und den Inhalt der Beichte eines Pönitenten, nämlich die von ihm gebeichteten Sünden öffentlich machen würde, wäre ich automatisch latae sententiae, im Sinne einer Tatstrafe exkommuniziert. Konkret wäre meine Exkommunikation mit einem der delicta graviora verbunden, dessen Nachlaß einzig dem Apostolischen Stuhl vorbehalten ist, während mir mein Diözesanbischof dafür keine Absolution erteilen und mir den Nachlaß gewähren könnte. Diese Form betrifft einige im Kirchenrecht festgelegte schwerwiegende Verbrechen. Den Nachlaß dafür kann mir nur die Apostolische Signatur erteilen, nachdem sie eine angemessene Buße auferlegt hat.
Die Exkommunikation latae sententiae bedeutet also, daß man sie sich selbst durch das eigene Handeln zuzieht. Die kirchliche Autorität beschränkt sich lediglich darauf, die Tat zur Kenntnis zu nehmen und dem Betroffenen, der exkommuniziert ist, diese Feststellung offiziell zuzustellen und die je notwendigen Sanktionen und Strafen zu verhängen. Im Falle eines Klerikers könnte das vom Interdikt, dem Verbot die Sakramente zu zelebrieren und zu spenden, bis zur Rückversetzung in den Laienstand in besonders schwerwiegenden Fällen reichen.
Vergleicht man das Strafrecht mit dem Kirchenrecht könnte man sagen, daß die Exkommunikation latae sententiae, der man ipso facto verfällt und der Exkommunikation, die hingegen wegen einer verbrecherischen Tat von der kirchlichen Autorität nach einer formalen Anzeige verhängt wird, der strafrechtlichen Verfolgung von Amtswegen und jener nach einer Anzeige Dritter entspricht.
Problematisches Nichthandeln der Bischöfe
Es gibt zudem eine Reihe weniger eklatanter, aber deshalb nicht weniger schwerwiegender Fälle, in denen es die Pflicht des Diözesanbischofs wäre, strenge kanonische Sanktionen zu verhängen, zum Beispiel, indem er gegen Kleriker einschreitet, die öffentliches Ärgernis geben, weil sie im Konkubinat leben, oder Unordnung und Verwirrung im Volk Gottes stiften durch ihre Schriften oder öffentlichen Aussagen voller Groll oder getränkt von unübersehbaren Schnitzern und Falschdarstellungen der Glaubenslehre, denn richtige Häresien setzen bereits ein bestimmtes Maß an Kultur und theologischer Intelligenz voraus, die bestimmten „sozialen Priestern“ wie dem berühmten Don Luigi Ciotti [bei dem sich Papst Franziskus einhängte und der seither mit höheren päpstlichen Weihen versehen gilt] selten eigen ist. Oder etwa der Genueser Priester Paolo Farinella, der so gerne in der linksradikalen und antikatholischen Zeitschrift Micromega publiziert. Das einzige Problem ist, daß sein Diözesanbischof Angelo Kardinal Bagnasco ist, jener gute Bischof, der im Mai 2013 beim Requiem für den verstorbenen Don Luigi Gallo, einen anderen „sozialen Priester“, vor politischen und polemischen Diskussionen zurückschreckte und deshalb nicht davor zurückschreckte, die Allerheiligste Eucharistie einem als Frau verkleideten Mann zu spenden, der als rabiater Verfechter des Homosexualismus bekannt ist, der sich ihm in Stöckelschuhen präsentierte und dem post communionem sogar erlaubt wurde, wahrscheinlich als eucharistische Danksagung, vom Ambo des Presbyteriums zu palavern, von dem den Christi fideles das Wort Gottes verkündet wird. Das alles während der Eucharistiefeier, der der Vorsitzende der italienischen Bischöfe als Ortsordinarius vorstand.
Ist der Hirte heute Pelikan oder Vogelstrauß?
Wenn in der alten Ikonographie des Aquinaten der gute Vater und Hirte durch den sich selbstlos aufopfernden, hingebungsvollen Pelikan dargestellt wurde, der sich mit dem Schnabel das Herz aufreißt, um seine Kinder zu nähren, müßten heute viele Väter und Hirten durch eine moderne Ikonographie als Vogelstrauß dargestellt werden, der mitnichten hingebungsvoll, sogar vor dem eigenen Schatten dermaßen erschrickt, daß der instinktiv den Kopf in den Sand steckt, dabei aber bestens sichtbar die delikateste und verletzlichste Seite seines Körpers exponiert läßt.
Um ehrlich zu sein, wundert mich noch heute, daß nicht ich bestraft wurde, wie man es mir übrigens mehrfach angedroht hat, obwohl ich keine kanonische Bestimmung verletzt hatte. „Schuldig“ gemacht hatte ich mich hingegen, in den Augen mancher, der Majestätsbeleidigung, dem obersten „Dogma“ bestimmter Prälaten, das heute weit höher steht als das Mysterium des fleischgewordenen Wortes Gottes, weil ich gestern sagte und heute bekräftige, daß der Vorsitzende der Bischofskonferenz falsch gehandelt hat und weiterhin falsch handelt, weil er einigen seiner Priester freien Lauf läßt, ideologischen Haß zu schüren und offenkundige Heterodoxien zu verbreiten.
Heizer hat sich selbst exkommuniziert
Was nun die „Priesterin“ von Wir sind Kirche betrifft, ist es letztlich nicht ganz richtig, zu sagen, der Papst habe sie und ihren ebenso progressiven Ehemann exkommuniziert. Komma 2 von Canon 1378 des Codex Iuris Canonici besagt nämlich: „Die Tatstrafe des Interdikts oder, falls es sich um einen Kleriker handelt, der Suspension, zieht sich zu, wer ohne Priesterweihe das eucharistische Opfer zu feiern versucht.“ Wer sich die entsprechenden Bestimmungen des Kirchenrechts genauer anschauen will, wird im Internet fündig.
Indem Frau Martha Heizer vorsätzlich und mit Beharrlichkeit wiederholt eine Straftat beging, hat sie sich selbst exkommuniziert. Der Bischof von Innsbruck hat lediglich dafür gesorgt, ihr mitzuteilen, daß sie sich aufgrund ihres Vergehens gegen den katholischen Glaubens ipso facto aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen hat. Das heißt: Wir teilen dir mit, daß du dich selbst exkommuniziert hast und damit aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschieden bist und daß die Kirche deshalb gegen dich kanonische Maßnahmen ergreift.
Falsches Verständnis von Liebe und Barmherzigkeit – Bischöfe schweigen
Anders liegt die Sache beim genannten Genueser Priester Paolo Farinella, der alles getan hat, um für mehrere Monate von seinem Bischof das Recht entzogen zu bekommen, zu predigen, öffentlich die Heilige Messe zu zelebrieren und die Beichte zu hören, jedenfalls solange, bis nicht geklärt ist, wie er sich künftig öffentlich zu verhalten gedenkt, da sein bisheriges Verhalten der sakramentalen Würde des Priestertums großen Schaden zugefügt hat. Eine solche überfällige Maßnahme wird jedoch gegen Farinella nicht ergriffen wegen der derzeit vorherrschenden Auffassung von Liebe und Barmherzigkeit. Zumindest solange es sich nicht um die Franziskaner der Immakulata und ihren Gründer, jenen „Schwerverbrecher“ und „notorischen Häretiker“ handelt, denn dann geht das Schlachtbeil unerbittlich nieder, obwohl viele Bischöfe und Kardinäle in ihren privaten Wohnzimmern diese kommissarische Zerstörung mißbilligen. Öffentlich aber schweigen alle aus Angst, irgendein Privileg, eine Präbende oder eine Beförderung auf einen besseren Stuhl zu verlieren?
Aus diesem Grund wäre ein klares und einheitliches Verständnis des Kirchenrechts und des internen Lebens der Kirche wichtig sowie ein korrektes Verständnis der Barmherzigkeit, indem zu letzterer einzig auf einer theologischen Ebene vorgegangen wird. Denn wenn die apostolische Autorität und die christliche Gerechtigkeit fehlen, die auf der zentralen göttlichen Tugend der Liebe erbaut sind, wenn das Gute böse und das Böse gut wird, kann man weder von Barmherzigkeit noch von Vergebung sprechen, wennschon nur vom ewigen Verführer, der heute umso eifriger am Werk ist, den Affen Gottes zu spielen, wie ihn der Kirchenvater Hieronymus nannte: der Teufel, der seit jeher darauf abzielt, das Gute und Böse umzukehren, um eine andere, widergöttliche Wirklichkeit zu schaffen.
Und heute scheint ihm das, leider, meisterhaft zu gelingen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Pro Spe Salutis
Der Teufelsfuss an der Tatstrafe „latae sententiae“ ist ja die Tatsache, das viele durch das Versagen der „Konzilskirche“ alias „Die Neue Kirche“, indem diese keine oder Großteils eine antikatholische Glaubenslehre betreibt, viele nicht einmal mehr über das nötige katholische Grundwissen verfügen und so diese selber als auch deren Umfeld nicht einmal erkennen wenn sie sich diese Tatstrafe zufügen.
Und der Fall Heizers (oder besser gesagt allgemein der Verein WiSiKi) , ist einfach das Paradebeispiel für das Versagen der irdischen kirchlichen Obrigkeit, besonders die des Ö Episkopates, den die Heizers haben ja im Grunde nur das getan was „Wölfe im Schafspelz“ seit Jahren in Ö fordern, siehe die Forderungen im „Aufruf zum Ungehorsam“ der „Schüller´schen“ „Pfarrerinitiative“ welche diesen vor FASST „3“ JAHREN veröffentlichten http://www.pfarrer-initiative.at/unge.html (beachtet bitte besonders die Punkte 4 – 7 und die Ö Bischöfe als auch die zuständigen Dikasterien im VATIKAN als auch Papst früher seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI und jetzt Franziskus wissen, das diese Punkte schon lange in die Tat umgesetzt wurden) denn mit der Veröffentlichung haben mehrere der Pfarrer dies STOLZ verkündet, und nach wie vor steht SCHÜLLER zu der frevlerischen Tat der Heizers und wettert gegen die Exkommunikation http://tvthek.orf.at/program/ZIB-Magazin/5521881/ZIB-Magazin/7964204 . Daher wurden in meinen Augen die Heizers nur deshalb exkommuniziert weil sie Priestern Gehorchten, und weil eben das Ö- Episkopat zu Feige, Lau und Geldgierig ist, müßen eben die Heizers als „Bauernopfer“ für die antikatholischen, häretisch- schismatischen Diakone, Priester und Pfarrer her genommen werden um den Anschein zu erwecken das die „Zwangskirchenbeitragszahler“ nicht doch alles tun dürfen.
Und aufs irdische Bezogen kann man nur hinzufügen
„Der Fisch fängt immer beim Kopf zu stinken an“ ,
„Die Krise der Gesellschaft = Die Krise der Kirche = Die Krise der Bischöfe“
Gottes und Mariens Segen auf allen Wegen
Ich erlaube mir, hier einige Gedanken hinzusetzen, die mit dem Artikel und dessen treffenden Beobachtungen in keinerlei Beziehung stehen.
Ich möchte vielmehr an den anregenden Diskurs anknüpfen, der sich im Anschluss an den Artikel über das „Treffen“ zwischen Papst Franziskus und Bischof Bernard Fellay vom 12. Mai entwickelt hat. (Eine Diskussion von Themen im übrigen, die auch dort in keinem direkten Verhältnis mit dem Artikel mehr standen.) Ich komme erst heute dazu, @Augustinus auf seinen Beitrag vom 20. Mai zu antworten, und hätte dies gerne an Ort und Stelle getan; dies ist aber, wie es scheint, nicht mehr möglich.
An dieser Stelle möchte ich auch einmal die Frage in den Raum werfen, ob nicht partiell eine andere Strukturierung der Website von Vorteil wäre, so dass Diskussionen von besonderem Interesse nicht gleichsam zum „Absterben“ gezwungen wären, wenn das entsprechende Thema von der „Start“-Seite verschwindet. Ich denke, da gäbe es verschiedene Möglichkeiten – bis hin zu einem eigentlichen, anmeldepflichtigen Forum, wo bestimmte Themen weiterverfolgt bzw. neu eingebracht werden könnten…
Nun zu meinem eigentlichen Posting zum Thema Kant/Bernard d’Espagnat. Alle, die sich nicht dafür interessieren, bitte ich, meinen „Einschub“ einfach zu ignorieren!
@ Augustinus:
Vielen Dank für Ihre Antwort; ich hoffe, Sie mit meiner Replik an veränderter Stelle noch zu erreichen.
Sie haben natürlich recht, dass meine Formulierung einer „vom menschlichen Bewusstsein unabhängigen empirischen Wirklichkeit“ verunglückt und missverständlich war. Für sich alleine gelesen ist sie widersprüchlich, klar. Ich habe in meinem Beitrag (vom 19.5.) aber erklärt, wie sie gemeint war: „Diese empirische Wirklichkeit ist also, obgleich nicht durch unser Bewusstsein KONSTITUIERT, und DIESBEZÜGLICH von uns unabhängig, nicht die an sich seiende Realität“. Natürlich findet Erfahrung stets im Bewusstsein statt, aber die Frage ist eben, ob das Bewusstsein die Gegenstände der Erfahrung a priori konstituiert. Es ist nicht widersprüchlich, davon zu sprechen, dass die empirische Wirklichkeit DIESBEZÜGLICH, in dieser Hinsicht, vom Bewusstsein unabhängig sein kann.
Nachdem ich im Internet mich etwas kundiger gemacht habe, was Bernard d’Espagnat betrifft, kann ich Ihnen natürlich zustimmen, dass dies seinem Denken so nicht entspricht! Wenngleich ich Ihnen darin widersprechen würde, dass mein Modell das eines transzendentalen Realismus ist. Denn ich ging eben nicht von einer von uns unabhängigen Realität aus, die im wissenschaftlichen Fortschritt nach und nach klarer in Richtung ihres An-sich erkannt werden könnte. Mein Versuch war es, dem, was uns als empirische Wirklichkeit erscheint, ein verborgenes Bezugsgeschehen zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem inhärent zu denken – aber auf einer von uns unhintergehbaren, seinshaften Ebene – ohne dass unser Bewusstsein konstitutiv daran beteiligt wäre.
Ich nehme hier die Gelegenheit wahr auf Augustinus, GW aus der früheren Diskussion zu antworten, falls dies noch ankommt:
Also gut, GW sagt, die Quantentheorie ist frei von Antinomien. Die Quantennatur ist so, wie wir sie beobachten. Paradoxa entstehen, weil unser gesunder Menschenverstand die Andersartigkeit der Quantennatur nicht versteht. Das müssen wir annehmen, weil wir nun mal so beobachten.
Befassen wir uns mal mit diesem Beobachter:
Das beobachtende Subjekt beobachtet das Objekt, also den physikalischen Prozess ohne ihn zu stören. Das ist das Kriterium der Objektivität. Verlängert der Beobachter seine Sinneswahrnehmung in den Quantenbereich, dann wir der Beobachter selbst Teil des Prozesses, und die Objektivität geht verloren. Im irdischen Labor stellt der Beobachter objektiv die Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit fest. Im Kosmos stellt der Beobachter fest, dass bei der siderischen Aberration die Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit nicht mehr gilt, jedoch antinomienfreie Theorien stellen die Konstanz sicher. Freiheit von Antinomien ist notwendig zur Richtigkeit von wissenschaftlichen Resultaten aber nicht hinreichend wahr. Das ist des Pudels Kern, des Schliessens letzter Schluss, des Philosophierens letzte Tat, das Ende des Jakobinertums, des Idealismus und schliesslich das Scheitern der Aufklärung, an dessen Spitze Kant steht.
Halten wir fest:
Im Quantenbereich ist die Natur so, weil wir sie so beobachten, wie GW sagt.
Im Kosmos ist unsere Beobachtung falsch, weil die Natur anders ist als wir beobachten. Das sind Tatsachen.
Das muss ein ziemlicher Schlag ins Gesicht von Kant und seinen Jüngern sein, die man gern auch als Kant-ianer bezeichnet. Ohne jetzt auf die Zirkelschlüssigkeit einzugehen, die in der Kantschen Relativierung der Sinneswahrnehmung verborgen liegt, ist aus dem Kantschen Ding an sich durch dieses falsche Denken das Un-ding an sich hervorgegangen: das Atom. Die Atombombe als sichtbares Resultat kann niemand leugnen und sie funktioniert. Nicht Hegel oder Schopenhauer mit dessen Vorstellungswelt sich Kant wunderbar widerlegen lässt, hat schliesslich Kant zum eindimensionalen Denken des heutigen Materialismus geführt. Hier ist nicht der Platz und die Zeit diesen Kantschen Zirkel darzulegen. Vielleicht noch zu erwähnen, Sinneswahrnehmungen (und auch Offenbarungswahrmehmungen) sind intelligibel, durch reines Denken nicht beweisbar, beweisbar sind lediglich Wahrnehmungen des Geistes im Bereich der Logik und Mathematik, die Teil der Logik ist und Wahrnehmungen des Herzens im Bereich der Moral dank der Gesetze, die Gott in unsere Köpfe und Herzen geschrieben hat. Diese intelligible Beweisführung nennt Kant Erkenntnis a priori.
Also bleibt von Kant selbst nicht gerade viel übrig, da auch der kategorische Imperativ in der Bibel grundgelegt ist durch die Goldene Regel und ein allgemein gültiges Prinzip in dem damals noch christlichen Leben in Europa nicht schwer als solches zu erkennen war. Die Vetreter der Geisteshaltung des heutigen Materialismus sehen dies nicht, weil es nicht gerade ins Auge springt einen Zirkel einzusehen, oder die Einsichtigsten wollen diese Zirkel nicht zu Ende denken, weil sie sich dann selbst verleugnen müssten und so drehen sie sich lieber in materialistischen Zirkelschlüssen bis der Tod dem Sein ein Ende setzt. Dass die Ergebnisse der Quantenphysik Kant recht geben, ist nun ja klar, da diese aus dem Denkansatz Kants hervorgegangen ist, also genauso ein Zirkelschluss.
GW spricht von Hochmut, wer die Wirklichkeit nicht annimmt, die so ist, wie sie ist, weil wir sie so beobachten. Wenn ich in der Quantenphysik, den zu beobachtenden Prozess, so präpariere, dass herauskommt, was ich beobachte, ist es eben dieser Zirkelschluss der Beobachtung. Dann diese der Natur und Schöpfung Gottes zuschreiben, ist der wissenschaftliche Hochmut jenes Zirkels der demjenigen Hochmut vorhält, der nicht eins ist mit ihrem Hochmut, ein Zirkel.
Das Mysterium Gottes ist nicht quantenphysikalische Magie, dessen der gesunde Menschenverstand nicht fähig ist zu erkennen. Diese Magie ist eher ein Werk Satans, der sein will wie Gott, aber nur durch Magie zu verzaubern vermag. Gott ist kein Zirkel, sondern Realität, Vernunft und nicht Unvernunft. Den aufgeklärten Nachkommen erscheint auch Unvernünftiges als vernünftig dank ihrer Beweiskraft, weil sie das zu Beweisende mit Hilfe des zu Beweisenden „beweisen“. Das ist doch logisch vernünftig, sonst würde man den intelligiblen Gesetzen des Denkens widersprechen, selbst der eingefleischte Materialist würde dies erkennen.
Nicht Gott hat uns in diese Magie der Zirkelschlüssigkeit geführt, der Generationen in fast naiver Manier bis zur höchsten Wissenschaft gefolgt sind, dabei hätte es bloss des Fingerzeiges eines vernünfigen Kindes auf den nackten Kaiser genügt, um nicht zum Opfer zu werden, sondern der Mensch hat uns dahin geführt, der sich in der Finsternis der Aufklärung als mündig gegenüber Gott erklärte und die Gesetze Gottes unabhängig von Gott, selbst herausfinden wollte. Möge das Licht des Evangeliums diese Finsternis überwinden, aus der der Mensch aus eigener Kraft, wie diese aufgeklärte moderne Wissenschaft und Philosophie zeigt, nicht herausfindet. Möge das Licht des Evangeliums wieder leuchten für die irregeführten wissenschaftsgläubigen Laien, Oekonomen, Theologen und Wissenschaftler, welche als Totengräber tief unter der Erde mit ihren Gedankenzirkeln die Zirkel ihrer Teilchen verfolgen.
Es ist jedem Menschen auch dem Wissenschaftler erlaubt über sein Gebiet hinaus zu denken und religiös zu sein. Das genügt aber nicht. Es ist zwar notwendig aber nicht hinreichend für die Wahrheit. Die Wissenschaft fragt nach dem Wie. Wie funktioniert die Natur, wie ist letztendlich die Welt beschaffen. Die Philosophie oder auch philosophierende Wissenschaftler fragen nach dem Was, was ist Wahrheit, was ist die Wahrheit, die in der Natur steckt. Und Jesus. Er sagt ich bin die Wahrheit. Die Wahrheit ist eine Person. Als Pilatus Jesus fragte: „Was ist Wahrheit“, schwieg Jesus und ging hinaus, weil die Frage falsch gestellt war. Sie erwähnen d’Espagnat , dass auf höchster wissenschaftlicher Stufe wieder Raum geschaffen wird für das Mysterium. Damit stellt er gerade die Wahrheit vom Kopf auf die Füsse. Denn nicht die Wissenschaft schafft Raum für das Mysterium, sondern das Mysterium ist das Umfassende und stellt den Raum für die Philosophie und Wissenschaft. Sie müssen Teil werden des Mysteriums, sonst bleiben sie ausserhalb. Am Anfang steht Gott und nicht am Schluss der Wissenschaft und Philosophie wie Max Planck es falsch gesagt hat. Natürlich, auch am Schluss steht wieder Gott, was keine Legitimität der Wissenschaft darstellt.
Und Christus sagt ein hartes Wort über die Weisen und Klugen. „Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dieses vor Weisen und Klugen verborgen, vor Unmündigen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir.“(Mt 11,25)
Wenden wir uns lieber der stärksten Kraft zu, dem Gebet für Erkenntnis der Wahrheit Jesu und für unsere Kinder!
Danke, werter Johann, daß Sie auch auf das, was ich da geschrieben hatte, noch eingegangen sind! Tja … ich kann jetzt gar nicht viel dazu sagen – oder es wäre eigentlich noch ganz viel dazu zu sagen, aber ich muß nachdenken … und noch einiges mehr dazu lesen. Auf jeden Fall kann ich Ihnen in so einigem nur zustimmen (in anderem weniger, zBsp würde ich die QM – oder die subatomare Wirklichkeit selbst – nicht als ‚Magie‘ bezeichnen; es ist ja Seine, Gottes, und nicht Satans, GUTE Schöpfung! und es MUSZ auch so sein, oder – wäre die Welt rein-Newton’sch, dann dürfte es nicht einmal feste Materie geben! damit wir Menschen also so sein können, wie wir sind – und so, wie Gott will, daß wir ge- und beschaffen seien, jedenfalls physikalisch / chemisch, muß die Natur gerade so sein, wie sie ist; submikroskopisch eben nicht-klassisch, sondern quantenphysikalisch; vielleicht sind die ‚Paradoxien‘ der Preis dafür …!? das wäre jedenfalls eine Art ‚anthropischer Erklärung‘ für die so ‚absurde QM‘!). – Für mich persönlich ist auf jeden Fall mein Glaube DAS Fundament meines ganzen Denkens, dieser hat oberste Priorität; die Offenbarungswahrheiten, absolut irrtumsfrei, da ihr Garant, ihr Ursprung, die göttliche Wahrheit und Weisheit selbst ist, stehen für mich auf jeden Fall über den naturwissenschaftlichen ‚Wahrheiten‘ (was aber keinerlei Probleme bereitet, keinen Widerspruch verursacht, ja gar nicht verursachen kann!), zumal ‚Wahrheit‘ in der Physik (anders vlt., als bei der experimentell ja nicht überprüfbaren Evolutionstheorie) bedeutet ja immer nur, daß ein formuliertes Naturgesetz ‚bis jetzt (noch) nicht falsifiziert‘ ist (aber evtl. später, bei sehr viel genaueren Messungen, prinzipiell falsifiziert werden könnte); es sind also, wenn man so will, prinzipiell „noch-Wahrheiten“ (was die Naturwissenschaft prinzipiell etwa von der „Esoterik“ oder der „Homöopathie“ unterscheidet). Insofern bin ich da ganz „Popperianer“. – Auf jeden Fall werde ich mich, zumindest mal „nebenher“ / immer wenn Zeit, weiter mit diesem äußerst interessanten, spannenden Themengebiet beschäftigen.
Nachtrag – ich lese gerade dieses Kant-Zitat: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit[?]. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern[?] zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen[?]. ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‘ ist also der Wahlspruch der Aufklärung“ – na, so dermaßen neu hört sich das nicht an!?
Diesen Anspruch – wohl nicht ohne eine gewisse Spitze besonders gegen die katholische Kirche (oder vielmehr ein Cliché derselben!), die Theologie, die ‚Alte Weltordnung‘ – verstehe ich absolut nicht! Nehmen wir doch die ersten Anfänge der ‚abendländischen Naturwissenschaften‘ im Mittelalter (also von den Griechen, der Antike jetzt bewußt abgesehen), dann haben wir die Scholastik, etwa mit dem hl. Albertus Magnus, der als Erster das Arsen beschrieb, oder mit Roger Bacon; oder die scharfe Naturbeobachtung einer hl. Hildegard von Bingen. Im Spätmittelalter etwa einen Nikolaus von Kues. Die gesamte christlich-byzantinische Wissenschaft, die 1453 allerdings ein jähes Ende fand, nicht ohne vorher vieles an uns Westeuropäer weitervererbt zu haben (wobei jedoch wohl noch sehr viel mehr einfach verloren ging). In der beginnenden Neuzeit dann den Astronomen und Kanoniker Kopernikus; die gregorianische Kalender-Reform; den protestantischen Astronomen Johannes Kepler; die Grundlegung der Physik durch den gläubigen Katholiken Galilei; der ganz große Durchbruch von dem tiefgläubigen (wenn auch heterodoxen) Newton – das Fundament der modernen, europäischen Wissenschaft wurde also von gläubigen Christen gelegt (die im Bezug auf die Wissenschaft allerdings ihrerseits auf einem Fundament standen, an dem auch große vor- und nichtchristliche Denker mitgebaut hatten, das will ich nicht verschweigen). Und in der Mathematik etwa der große Leonhard Euler, ein gläubiger Protestant; und der ganz Große, Carl Friedrich Gauß, pflegte, so lese ich gerade in dem Wikipedia-Artikel, zu sagen: Ὁ Θεὸς á¼€Ïιθμητίζει – ‚Gott arithmetisiert‘; sehr atheistisch hört sich das jedenfalls nicht an. – Also, ist es wirklich wahr, daß erst ‚die Aufklärung‘ den Wissenschaften ‚die Emanzipation‘ ermöglichte und ihnen endlich zum großen Durchbruch verhalf – oder ist das nicht vielmehr ein von den ‚Aufklärern‘ selbst geschickt konstruierter (und leider bis heute von vielen unhinterfragt geglaubter) Mythos? Welchen großen Beitrag (zumindest zu den Naturwissenschaften – den eigentlichen „Motoren der Neuzeit“) haben sie selbst geleistet? – Spontan fallen mir jedenfalls nur d’Alembert und Laplace ein …
… die große ‚Aufklärung‘ – der vielleicht nur konstruierte (oder zumindest im Nachhinein übermäßig verklärte) Gründungsmythos des „modernen Europa“ gegen eine (angeblich!) so „wissenschaftsfeindliche Kirche“?
(Fortsetzung)
(Dabei hatte ich stets die konstitutiven Leistungen, wie Kant sie sieht, im Blick, d.h., dass Raum und Zeit apriorische Anschauungsformen unseres Bewusstseins sind und unsere Verstandesbegriffe die Erscheinungswirklichkeit a priori bestimmen.)
Der Unterschied meiner Idee, die, spontan geäußert, natürlich keinerlei Wahrheitswert beansprucht, zum Denken d’Espagnats liegt nun, wie ich glaube, in Folgendem: d’Espagnat sieht sehr wohl auch unser Bewusstsein in diesen Prozess, dieses verborgene Bezugsgeschehen, involviert; aber – und hier sehe ich dann wieder die Nähe zu meinem Gedanken – in einem anderen Sinn als Kant!
Nicht in einem subjektivistischen, idealistischen Sinne.
Im Internet habe ich eine sehr interessante Rede d’Espagnats gefunden, die sein Denken knapp, aber doch um einiges besser und genauer beschreibt, als der Artikel, der unserer Diskussion als Grundlage diente: http://uip.edu/en/articles-en/the-actual-english-title-goes-here. Ich zitiere daraus:
„Let me add however that on one issue I part company with Kant (…). The point is that, while my analysis of physics keeps me away from materialism it does not turn me into an idealist philosopher. I totally agree with the majority of my scientist colleagues in rejecting the view that finally all boils down to ideas we have.“
Wenn d’Espagnat in derselben Rede beteuert, dass es ihm plausibel erscheine, dass wir die Wahrnehmungsgegenstände so sähen, wie sie uns erscheinen, „because the structure of our senses makes us perceive the Real in this form“, wenn er darauf hinweist: „it meets with the views of outstanding contemporary neurologists specialized in cognition theory“, so zeigt dies seinen im Vergleich zu Kant veränderten Ansatz. Ich glaube jedenfalls nicht – soweit ich das bis jetzt beurteilen kann – dass er Raum und Zeit einfachhin als sinnliche Anschauungsformen des Subjekts fassen wollte, wenngleich er sie, rekurrierend auf quantenphysikalische Erkenntnisse, natürlich nicht in einem realistischen Sinn deutet. Der oben zitierte Abschnitt macht aber vor allem deutlich, dass er nicht wie Kant Verstandesbegriffe, die Kategorien, als gegenstandskonstitutiv hält. Das sind entscheidende Differenzen.
Nach der Lektüre von Kants Kritiken war ich recht lange wie Sie der Ansicht, man müsste auch heute noch an seinen transzendentalen Standpunkt anknüpfen. Allerdings las ich ihn dann lieber durch die erkenntnistheoretische Brille Schopenhauers, der in seinem Hauptwerk Kants ganzen gegenstandskonstituierenden Kategorienapparat auf die Kausalität reduziert. Mir hat es an Kants Erkenntnistheorie intuitiv nie behagt, dass es unsere Verstandesbegriffe sein sollen, welche die Erscheinungswirklichkeit ursprünglich konstituieren.
(Fortsetzung)
Wie es Walter Hoeres in der aktuellen Ausgabe (Mai/Juni) von „Theologisches“ plastisch auf den Punkt bringt: „Wenn die Erkenntnis immer nur bis zu der Welt der Erscheinungen vorstößt, die das denkende Ich selber aus dem Rohmaterial, das ihm die Sinne liefern, mit seinem eigenen Erkenntnis-Apparat konstruiert, dann sind es immer nur diese seine eigenen Konstrukte, denen es als „Welt“ begegnet, hinter denen sich die wahre Wirklichkeit wie hinter einem Wandschirm für immer verbirgt.“
Der auf Kant folgende Deutsche Idealismus hat dann auch noch Kants „Ding-an-sich“ für die Vernunft vereinnahmt und diese somit vermessen zum Seinsganzen aufgespreizt: Fichte, Schelling, Hegel brachten die absolut undurchdringliche Mauer, die Kant zwischen der Erscheinung und dem „Ding-an-sich“ errichtet hatte, gleich wieder zum Einsturz – und zwar zu einem allzu weitreichenden, zu einem vollständigen: mit unredlichen Mitteln.
Dagegen ist die Erkenntnistheorie Schopenhauers ohne Zweifel redlicher – und, wenn ich richtig sehe, in gewisser Hinsicht näher sogar dem Denken eines d’Espagnat als Kant selbst. Denn bei Schopenhauer ist die Erscheinungswirklichkeit, anders als bei Kant, gleichsam „verschleierte Realität“ (Worte d’Espagnats), und es sind die Platonischen Ideen, die in intuitiver Erkenntnis – sei es der Kunst oder des Philosophen – erahnt werden können. Wobei diese Ideen nach Schopenhauer die primären Objektivationen dessen sein sollen, worin er das „Ding an sich“ erkannt zu haben glaubt: jenes ominösen blinden und – Schopenhauer war ja Atheist – von keinem Gott gestifteten Willens zum Leben, der dann Nietzsches Denken beeinflussen sollte.
Als diese primären Objektivationen bestehen die Ideen bei Schopenhauer aber noch jenseits von Raum, Zeit und Kausalität: was, nebenbei, ziemlich genau jenem „Übergangsbereich zwischen Erscheinung und Ding an sich“ entspräche, den Sie, @Augustinus, in einem Ihrer Beiträge (16. 5.) der quantenphysikalischen Wellenform der Materie zuweisen…
In seiner atheistischen Willensmetaphysik ist Schopenhauer gewiss nicht zu folgen, sie war ein genialer Wurf, von wahrhaftigen künstlerischen Intuitionen geleitet, aber in der Wurzel unwahr; im Gegensatz zu Kant lässt sich ihm – wie auch d’Espagnat – aber nicht vorwerfen, dass er die Erscheinungswirklichkeit gegen die „Realität-an-sich“ gleichsam „abgedichtet“ hätte, so dass uns hienieden kein Strahl höherer Wirklichkeit erreichen könnte. Für ihn gilt nicht, was sich – noch einmal mit Walter Hoeres – über Kant sagen lässt: „Das Bild für die Erkenntnis ist nicht mehr wie im Anklang an den tabula-rasa-Gedanken des Aristoteles das eines Spiegels, der die Welt so reflektiert, wie sie ist, sondern das eines Konstrukteurs, der die Welt nach seinen eigenen, immer schon mitgebrachten Planskizzen erzeugt.“
(Fortsetzung)
(Kennen Sie Goethes Wort über Kant, das uns Schopenhauer überliefert hat? „Wenn ich eine Seite von Kant lese, wird mir zumute, als träte ich in ein helles Zimmer.“ Diese Empfindung trifft es meines Erachtens genau auf den Punkt: Eine ungeheure Helligkeit – aber – es ist ein Zimmer!)
Demgegenüber gälte für Bernard d’Espagnats Denken, unsere Erkenntnis betreffend, vielleicht das Bild eines tief verschleierten Spiegels: in manchen Intuitionen mag sich der Schleier um ein Weniges lüften, die Realität-an-sich ahnungshaft aufblitzen, nur hat gerade die Wissenschaft nicht das Monopol auf solche Erkenntnisse: d’Espagnat schafft, auf der Höhe präzisesten naturwissenschaftlichen Denkens, wieder Raum für das Mysterium. Sein Denken scheint mir deshalb, gerade auch von einem religiösen Standpunkt aus, von höchstem Interesse, und ich danke Ihnen nochmals, dass Sie uns alle auf ihn aufmerksam gemacht haben!
Da haben Sie ja wieder tiefschürfende Gedanken eingebracht, deren erschöpfende Entgegnung ganze Bücher füllen könnte. Ich will daher nur in geraffter Form einige Aspekte herausgreifen.
Dass Raum und Zeit apriorische Anschauungsformen der Sinnlichkeit sind, hat gerade Schopenhauer, auf den Sie sich berufen, vehement verteidigt und dies herausgefunden zu haben, als das Hauptverdienst Kants bezeichnet. (Im übrigen halte ich Schopenhauers Philosophie keineswegs für Atheismus, sondern für negative Theologie, aber das ist eine andere Baustelle.)
Wenn Raum und Zeit hingegen absolute Realität hätten, würde die Welt zu einer selbstständigen Grösse im Sinne eines dualistischen Gegenprinzips zu Gott. Um eine Eingriffsmöglichkeit in eine solche, an sich seiende Welt zu haben, müsste Gott selbst in äusseren Verhältnissen existieren und etwa Räumlichkeit und Materialität als eigene Seinsformen annehmen, woraus Spinozismus und damit ein materialistischer und deterministischer Pantheismus mit der Konsequenz des Fatalismus folgen würde.
Würde die Welt nur vom Subjekt so abgebildet, wie sie ist, also Ding an sich sein, wie der von Ihnen zitierte Walter Hoeres offenbar meint, hätte dies zudem freiheitsvernichtende Konsequenzen, wäre Willensfreiheit nicht möglich, entsprechend Kants Formulierung „… denn sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, ist Freiheit nicht zu retten“.
Alles wäre Natur und würde den Naturgesetzen unterliegen und somit auf einen biologistischen, materialistischen Determinismus, wieder mit der Folge des Fatalismus hinauslaufen.
Kant hat dies sehr schön in der Kritik der praktischen Vernunft aufgezeigt:
„Nimmt man nun die Bestimmungen der Existenz der Dinge in der Zeit für Bestimmungen der Dinge an sich selbst, (welches die gewöhnlichste Vorstellungsart ist,) so läßt sich die Notwendigkeit im Kausalverhältnisse mit der Freiheit auf keinerlei Weise vereinigen; sondern sie sind einander kontradiktorisch entgegengesetzt. Denn aus der ersteren folgt: daß eine jede Begebenheit, folglich auch jede Handlung, die in einem Zeitpunkte vorgeht, unter der Bedingung dessen, was in der vorhergehenden Zeit war, notwendig sei. Da nun die vergangene Zeit nicht mehr in meiner Gewalt ist, so muß jede Handlung, die ich ausübe, durch bestimmende Gründe, die nicht in meiner Gewalt sind, notwendig sein, d.i. ich bin in dem Zeitpunkte, darin ich handle, niemals frei. Denn in jedem Zeitpunkte stehe ich doch immer unter der Notwendigkeit, durch das zum Handeln bestimmt zu sein, was nicht in meiner Gewalt ist, und die a parte priori unendliche Reihe der Begebenheiten, die ich immer nur, nach einer schon vorherbestimmten Ordnung, fortsetzen, nirgend von selbst anfangen würde, wäre eine stetige Naturkette, meine Kausalität also niemals Freiheit.“
Bereits aus diesem Grunde können Erscheinungen keine Dinge an sich selbst sein, weil sonst die Materie über den Geist herrschen würde.
Eigentlich hätte ich dazu noch sehr viel mehr Fragen (aber ich kann ja nicht erwarten, daß Sie mir – und vielen anderen Lesern – „mal so eben“ in Form von Kommentaren „den Kant beibringen“); also stelle ich nur mal diese hier, denn den Punkt verstehe ich nicht; Sie schreiben:
„Wenn Raum und Zeit hingegen absolute Realität hätten, würde die Welt zu einer selbstständigen Grösse im Sinne eines dualistischen Gegenprinzips zu Gott. Um eine Eingriffsmöglichkeit in eine solche, an sich seiende Welt zu haben, müsste Gott selbst in äusseren Verhältnissen existieren und etwa Räumlichkeit und Materialität als eigene Seinsformen annehmen […]“ – wieso ist das so? Also, „für mich“ haben Raum und Zeit absolute Realität; die Raumzeit ist eine physikalische Realität, die sich mathematisch beschreiben läßt (Allgemeine Relativitätstheorie); sie gehört also zu der geschaffenen Welt, ist ’nicht-Gott‘. Gott steht ganz außerhalb, ist nicht in unserem Universum, ist nicht ein „Teil“ desselben, und ist auch nicht das Universum selbst; Pan- und Panentheismus sind mit unserem Glauben nicht vereinbar. Aber Gott hat die Macht, sozusagen ‚von außen‘ an jedem Punkt der Raumzeit, an jedem Punkt innerhalb unseres Universums zu wirken, wobei Er nicht beschränkt ist durch die Gesetze, die Er ja selbst ‚erlassen‘ oder diesem Seinem Universum auferlegt hat. Er kann, wenn man so will, beliebig (insbes. lokal / partiell) von diesen Gesetzen ‚dispensieren‘ – wenn so etwas geschieht, dann nennen wir das ‚Wunder‘. Ich sehe da auf den ersten Blick egtl. keine Probleme, … oder? Allerdings kann ich mir in keiner Weise vorstellen, wie Er das tut; durch welchen ‚Mechanismus‘ Er in unsere – Seine – Welt ‚eingreift‘. Mein Glaube sagt mir, daß Er dabei nicht einmal an die Energieerhaltung gebunden ist (die ansonsten strengstens gilt!); Er hat also zBsp die Macht, an jedem Punkt im Raum ein Teilchen – buchstäblich aus dem Nichts – entstehen zu lassen, und zwar mit einem beliebigen Impuls (Masse mal Geschwindigkeit). Müßte denn Er selbst dazu „Räumlichkeit und Materialität als eigene Seinsformen annehmen“? Nein, das widerspricht ja unserem Glauben; Er bleibt Sich gleich, Er bleibt ganz außerhalb (Einschränkung: der Leib Christi in der Gestalt des Brotes und Weins!). – Um aber etwas über das ‚Wie?‘ herausfinden zu können, müßten wir sozusagen „hinter die Kulissen“ sehen können, müßten uns … ins Jenseits, nach außerhalb begeben, also unser Universum verlassen (d.h. zumindest ‚von hier aus‘ irgendwie, zBsp meßtechnisch, Zugang dazu haben). Was uns aber prinzipiell nicht möglich ist. Also stoßen wir hier an eine absolute Grenze, die wir von uns, von hier aus prinzipiell nicht überschreiten können; diese Frage nach dem ‚Wie?‘ des Eingreifens Gottes in die Welt (die m.E. letztlich identisch ist mit der Frage des Urknalls und mit der Frage, ‚in was‘ unser Universum womöglich ‚eingebettet‘ ist), ist uns prinzipiell nicht beantwortbar. Darüber müssen wir also schweigen.
Die Voraussetzung, von der Sie ausgehen enthält bereits einen Widerspruch.
Sie behaupten die absolute Realität von Raum und Zeit, bezeichnen diese aber gleichzeitig als geschaffen.Wenn sie geschaffen sind, sind sie bedingt. Dem Bedingten kommt aber im Gegensatz zum Unbedingten, das keine Bedingungen hat, das Attribut des Absoluten nicht zu.
Raum und Zeit sind nur empirisch real, nicht absolut real. Sie können in der Anschauung die Materie derselben, also die Gegenstände der Erfahrung, ohne weiteres wegdenken. Raum und Zeit können Sie aber nicht wegdenken. Sie können sich nicht vorstellen, dass kein Raum und keine Zeit ist. Daran können Sie erkennen, dass Raum und Zeit allgemeine und notwendige Formen der inneren und äusseren Anschauung sind, die jeglicher Wahrnehmung zugrunde liegen. Diese reinen Formen der Anschauung müssen also bereits vor aller Erfahrung im Gemüt bereit liegen, sozusagen als Grundausstattung des Menschen, um Erfahrung überhaupt erst zu ermöglichen. Raum und Zeit haften somit dem Subjekt an und nicht dem Objekt. Durch die dem Subjekt immanente Raum- und Zeitvorstellung sind Mathematik und Geometrie als exakte Wissenschaften möglich.
Würden Raum und Zeit aus der Erfahrung stammen, wären Mathematik und Geometrie nur Erfahrungswissenschaften und könnten nur zu Hypothesen, nicht aber zu apodiktischen Gewissheiten führen.
Dass dem Subjekt immanente Formen der Anschauung auch ohne Anschauung und unabhängig vom Subjekt existieren, ist ebenfalls ein Widerspruch.
Genau das will uns ja auch d’Espagnat sagen, wie folgende Zitate aus dem entsprechenden Artikel belegen:
„Das Reale ist nicht in den Dingen“, sagt d’Espagnat. Es ist aber auch nicht in den Gegenständen der Physik oder auch nur in ihren messbaren Eigenschaften – noch nicht einmal in ihren mathematischen Beschreibungen oder auch nur in Strukturen wie den vielbeschworenen Symmetrien, die den fundamentalen physikalischen Gesetzen zugrunde liegen.
Das, von dem die Physik handelt, ist nach d’Espagnat nur eine empirische Realität, nicht die sogenannte ontologische Realität, also die „Wirklichkeit, wie sie wirklich ist“.
„Der einzige Weg, den Realismus der Quantentheorie zu retten, ist also, die Relativitätstheorie nichtrealistisch zu interpretieren.“ Diese Dilemma lässt für ihn nur den einen Schluss zu: den Realismus aufzugeben. Was wir wahrnehmen, mit was für einem apparativen Aufwand auch immer, gibt es ohne uns und unsere Apparate nicht. Zur Realität als solcher schweigt die Physik.“
Die Objektivität von Raum und Zeit ergibt sich daraus, dass alle Menschen die gleiche Raum- und Zeitvorstellung haben.
Sie sollten wirklich langsam anfangen, Kant im Original zu lesen.
Geben Sie mir ganz viel extra-Zeit 😉 – wie Sie ja schon mal geschrieben hatten: man muß ja dann wirklich „ran“, und nicht einfach „so nebenher“ lesen, sondern wirklich konzentriert durcharbeiten – oder man läßt’s am Besten ganz; und das braucht eben Zeit, viel Zeit …
Ich habe diese Seite (wie auch die vorherige, den ‚Beginn des Dialogs‘) abgespeichert, werde es nochmal in Ruhe lesen und nachdenken. – Ach ja, zu dem Begriff ‚absoluter Raum‘: ich meinte das in dem Sinne, als der Raum (und die Zeit) ja unabhängig von unserer Vorstellung sind, sie existieren also ’selbständig‘ – jedoch nicht in dem Sinne, als besäßen sie ein ‚absolutes, ungeschaffenes Sein‘, denn das kommt nur Gott zu. Und daß die Vorstellung von Raum und Zeit (wie auch von Kausalität) ganz tief in unserem Verstand, in unserem Gehirn, verankert sind, stimmt ja, insofern kann man wirklich von einem ‚a priori‘ sprechen (über die interessante Frage, was man sich, jedenfalls prinzipiell, ‚wegdenken‘ kann und was nicht, muß ich ebenfalls noch intensiv nachdenken). – Aber nun stellt sich mir die Frage: wie kommen diese Vorstellungen, diese … ‚Ur-Intuition‘, eigentlich hinein in unser Gehirn? Und da fällt mir das ein: sie sind uns ‚eingeschaffen‘, und zwar durch die evolutive Entwicklung unseres Sensoriums und Gehirns! Unser Nervensystem hat sich eben im Laufe von vielen Jahrmillionen in einem drei-dimensionalen Universum entwickelt; flapsig gesagt, die Affen, die permanent vom Ast fielen, weil sie noch eine defizitäre Koordination und räumliche Vorstellung hatten, sind eben nicht unsere Vorfahren. Die Grundbedingungen unseres Universums, zBsp die Dreidimensionalität (und lokale Euklidizität) des Raumes sind tief in unser Gehirn eingeprägt, genetisch verankert; unser Gehirn bildet eben in gewisser Weise die Welt ab, in der es sich – nach Seinem Willen – entwickelt hat. Ein Stichwort ist, glaube ich, die ‚Evolutionäre Erkenntnistheorie‘ (über die ich allerdings nur mal einen Artikel gelesen hatte – dessen Grundgedanken ich aber recht überzeugend fand); sehr spannend! – Ach ja, und noch ein Hinweis: bei yt und google mal ‚William Lane Craig‘ recherchieren – lohnt sich! Er ist ein theistischer Philosoph (und auch anti-Dawkins-Apologet; leider wohl mehr Richtung US-Evangelikalismus neigend^^ – aber seine Gedanken sind so grundsätzlich, daß eigentlich jeder gottgläubige Mensch davon profitieren kann); er hat sich zBsp auch sehr intensiv mit der Zeit befaßt, diesem Mysterium, von welchem Augustinus ja (sinngemäß) sagte, „wenn mich niemand danach fragt, habe ich das Gefühl, eine Ahnung davon zu haben, was die Zeit sei; wenn mich aber einer direkt danach fragt, ist diese Ahnung leider sofort dahin…“
(Fortsetzung)
Hinsichtlich d’Espagant ist mir noch aufgefallen, dass Sie ihn einmal verkürzt zitiert haben.
Sie zitieren aus seiner Rede wie folgt:
„it meets with the views of outstanding contemporary neurologists specialized in cognition theory“,
Im Zusammenhang hat er aber folgendes gesagt:
„On the one hand it meets with the views of outstanding contemporary neurologists specialized in cognition theory. And on the other one it obviously bears quite a definite relationship with the main Kantian views, which were adhered to by a great many philosophers as well as by some physicists such as Henri Poincaré.“
Zu den „main Kantian views“ gehört aber ganz grundlegend die transzendentale Ästhetik über Raum und Zeit als reine Anschauungsformen, die nur empirisch, also relativ real sind.
Sie schreiben weiter:
„Mir hat es an Kants Erkenntnistheorie intuitiv nie behagt, dass es unsere Verstandesbegriffe sein sollen, welche die Erscheinungswirklichkeit ursprünglich konstituieren.“
Aus dem Wort (Begriff) ist bekanntlich alles geworden. Da die Seele Abbild des Logos ist, muss sie auch die Schöpfungsideen enthalten. Wenn ich z. B. etwas als schön erkenne, dann ist das nur möglich, weil ich die Idee der Schönheit als Masstab a priori in mir habe, da Gleiches nur von Gleichem erkannt werden kann.
Kant hat jahrelang darüber gebrütet, wie sich reine Verstandesbegriffe auf Gegenstände an sich beziehen können und insoweit das transzendentale Schema gefunden, ein Erkennungsmuster dass meines Erachtens die platonischen Ideen enthält.
Durch den Schematismus erkennt der transzendentale Verstand das diesen affizierende Ding an sich (in einem uneinholbaren, nie ins Bewusstsein tretenden a priori) und verwandelt dieses in sinnlich wahrnehmbare raumzeitliche Erscheinung.
Bereits bei Plotin ist die Welt eine Emanation der Seele.
„Wenn ich z. B. etwas als schön erkenne, dann ist das nur möglich, weil ich die Idee der Schönheit als Masstab a priori in mir habe, da Gleiches nur von Gleichem erkannt werden kann“ – ja, das leuchtet ein. Wir haben Verstand von Seinem Verstand – also, ich selbst halte die (recht verstandene und interpretierte!!!) Darwin’sche Evolutionstheorie für ‚im Wesentlichen zutreffend‘ (allerdings ist bis heute nicht wirklich geklärt a) die Entstehung des Lebens selbst / die präbiotische Entwicklung; und b) die Emergenz des Bewußtseins, eben die Menschwerdung selbst), ohne darin jedoch irgendeinen Widerspruch zu meinem Glauben zu sehen (kann ja auch gar nicht!); es ist eben Sein Weg, die Welt zu erschaffen, und darin schließlich uns Menschen. Ich halte den Kreationismus für völlig falsch und auch „überflüssig“ – die Evolutionstheorie kann nur den in die Brédouille bringen, der eine völlig falsche Auffassung von der Hl. Schrift hat (insbes. ’sola scriptura‘ in Verbindung mit dem Postulat[!] der Verbal-Inspiration). Aber ich persönlich glaube, daß Gott dieses Universum IMMER, ja, ‚in seiner Exsistenz hält‘; Er hat nicht das Universum ein für alle mal geschaffen, in einem Augenblick (‚Urknall‘), so daß es ab dann völlig unabhängig, ja ‚autonom‘ von Ihm und ganz sich selbst überlassen wäre (das wäre ja die Position des Deismus!?), und ich glaube, daß Er auch die Evolution immer … sozusagen ‚geführt‘ hat, und ich glaube, daß Er den Menschen (tatsächlich EIN Urpaar – Monogenese, genau wie in der biblischen Schöpfungsgeschichte!), also daß Er den Menschen dann noch (schwer zu formulieren) ‚in besonderer Weise‘ geschaffen hat – nach Seinem Ebenbild –, und uns mit dem Bewußtsein, dem Verstand und dem Freien Willen versehen hat, wirklich Geist von Seinem Geist. Also, das wäre dann m.E. nicht mehr rein[!]-naturwissenschaftlich, rein innerweltlich, zu erklären. – Jedenfalls, zwischen recht verstandener und richtig (und nicht über-) interpretierter Naturwissenschaft und unserem Glauben kann es – schon ganz prinzipiell – niemals einen Widerspruch geben; geht gar nicht: es ist Derselbe, der das Universum mit den Eigenschaften (Naturgesetzen!), die wir beobachten, erschaffen hat, und uns Menschen, und zwar mit dem Verstand, mit dem wir sowohl Ihn erkennen können (Vaticanum I), als auch die Gesetze, mit denen Er dieses Universum ausgestattet haben wollte. Da kann es gar keinen Widerspruch geben; wenn ein solcher einmal (scheinbar) doch besteht, weiß man sofort, daß irgendwas falsch gelaufen ist, daß man intensive Fehler-Analyse betreiben muß. – Und so erklärt sich auch die in gewisser Weise ziemlich bemerkenswerte, wenn nicht unverständliche oder (ansonsten) unerklärliche Tatsache, daß die Naturgesetze, das Galilei’sche ‚Buch der Natur‘, wirklich in der ‚Sprache der Mathematik‘ geschrieben sind – und auch, auf der grundlegenden Ebene, von im Grunde sehr einfacher, klarer Struktur.
Ich danke Ihnen, @GW, dass Sie an anderer Stelle nochmals auf dieses Thema aufmerksam gemacht und so die interessanten Beiträge von @Augustinus, @Johann und Ihnen selbst erst ermöglich haben.
@ Augustinus: Durch eine längere Reise verhindert, komme ich erst heute dazu, nochmals auf Ihre fundierten Gedanken zu antworten, wobei auch ich nur Einzelnes kurz herausgreifen kann.
Schopenhauer hat sich selbstverständlich immer als Schüler Kants gesehen und, wie Sie zurecht betonen, Raum und Zeit (anders als die Kategorien!) im Kantischen Sinne gedeutet (Schopenhauer sieht darin, einen scholastischen Begriff in subjektivistisch-transzendentalem Sinn gebrauchend, ja das principium individuationis).
Aber das enthebt natürlich nicht der Frage, ob man Kant wie Schopenhauer hierin auch heute noch folgen soll.
D‘Espagnat sagt in seinem „Opus Magnum“, auf das Sie schon hingewiesen haben, „On Physics and Philosophy“: „Everybody knows that idealism, in either one of its two versions, is grounded on the following remark. If objects exist of which we may acquire direct—hence sure—knowledge (it is by no means certain that there are any), these objects can only be of a mental nature: ideas, raw sense data, etc. They cannot be elements of the outside world since knowledge of the latter results from operations of the senses, and senses are likely to deceive us. Idealism claims therefore that we merely have access to representations, that is, to “phenomena,†and that the only legitimate purpose of science—and of knowledge in general—is the investigation and ordering of the said representations. It is along such lines of reasoning that Kant claimed space, time, and causality are but a priori forms (of our sensibility as regards the two former and our understanding concerning the latter).“ (Siehe http://press.princeton.edu/chapters/s8329.html)
Fügen Sie dieses Zitat zusammen mit jenem, das ich schon gebracht habe: „Let me add however that on one issue I part company with Kant and perhaps also Poincaré as well. The point is that, while my analysis of physics keeps me away from materialism it does not turn me into an idealist philosopher. I totally agree with the majority of my scientist colleagues in rejecting the view that finally all boils down to ideas we have.“
Und ziehen Sie nun die Schlüsse. Ich glaube mit Recht vermuten zu dürfen, dass d’Espagnat zwar Kants transzendentalen Standpunkt aufgreift (das wollte ich auch durch kein „verkürztes Zitat“ bestreiten!), aber, wie ich sagte, eben NICHT in einem idealistischen, subjektivistischen Sinn. Und das kann letztlich auch nicht verwundern, sind es doch gerade die physikalischen Erkenntnisse des 20. Jh., die Kants Subjektivismus als überholungsbedürftig erweisen. Wenn ich nicht irre, haben Sie sich zu den Fragen, die @GW noch im ursprünglichen Thread (Fellay-Franziskus) gestellt hatte, nicht geäußert.
(Fortsetzung)
@GW hatte gefragt: „Was mich interessieren würde: was hätte Kant wohl zu den beiden „Revolutionen [unschönes Wort^^] der Physik“ Anfang des 2o. Jhds. wohl gesagt, zur (Allgemeinen) Relativitätstheorie und zur Quantenmechanik, diese mit ihrer ‚intrinsichen Akausalität‘ (so nenn ich das mal), jene mit der Erkenntnis, daß Raum und Zeit (besser: die Raumzeit), nicht nur (wie nannte er’s?) ‚Formen der Anschauung‘ sind (oder jedenfalls Raum und Zeit ein ‚a priori‘), nicht nur einen unbeweglichen Rahmen darstellen, sondern physikalische Realität besitzen, so daß die Raumzeit selber auf Massen ‚wirkt‘, und diese wieder auf die Raumzeit (bzw. auf die ‚Krümmung‘ derselben) …“
Das sind Fragen, wie sie die Wissenschaft heute mit Recht an Kant stellt, und welche mit genuin Kantischen Argumenten (welche Sie z.B. in Ihrem Posting vom 3. Juni zur Verteidigung der subjektiven Anschauungsformen einbringen) wohl nicht befriedigend beantwortet werden können. Das ist, wenn ich recht sehe, auch der überwiegende Konsens im zeitgenössischen philosophischen Diskurs, sofern er auf Kant rekurriert.
Wenn aber in der Natur kein „Kausalitätsautomatismus“ herrscht (bzw., um es in ein Bild zu bringen, das vielleicht dem Denken d’Espagnats nahe kommt, nur an der naturwissenschaftlich erklärbaren äußersten Oberfläche der Erscheinungswirklichkeit, die mit der Quantentheorie nun auf eine etwas tiefer liegende, nur mehr beobachtbare „Oberfläche“ hin erweitert wurde), ist Ihr (Kantisches) Argument, dass sich Freiheit/Geist und (deterministisch verstandene) Natur unversöhnlich gegenüberstehen, letztlich nicht mehr haltbar. Dass auch die Natur gleichsam mit „Geist- und Freiheitsgranen“ versehen ist, war insbesondere Schellings (wertvolle) Intuition, nur dass er gegen Kant erneut meinte, mit Vernunftbegriffen deren An-Sich aufschließen zu können.
Die deutschen Idealisten würde d’Espagnat, wie es schon Schopenhauer getan hat, auf Kant verweisen, der die Begriffe der Erscheinung zuordnet – nur dass d‘Espagnat, wenn ich mich nicht sehr täusche, diese Erscheinungswirklichkeit anders als Kant eben nicht als idealistische „Konstruktion“ aus rein subjektiven Anschauungsformen und Kategorien deutet: „I totally agree with the majority of my scientist colleagues in rejecting the view that finally all boils down to ideas we have. I consider it obvious that something resists us : a ground of things that, however, lies so much beyond our concepts, be they familiar or mathematical, that the phenomena – those we directly perceive as well as those science describe – do not enable us to decipher it.“
(Fortsetzung)
Wenn Sie im übrigen Schopenhauers Philosophie im Sinne einer negativen Theologie interpretieren wollen (bzw. in Richtung einer solchen, zumal sie als Philosophie ja ein anderes Feld bestellt, die Probleme der Theologie nur berührt), so hätten Sie – was ich Ihnen nicht zu sagen brauche – nicht sein Einverständnis. Aber ich gehe mit Ihnen einig, es besteht ein Interpretationspotential: Wenngleich Schopenhauers Lehre von der Verneinung des Willens sich bekanntlich stärker noch fernöstlichen als christlichen Inspirationsquellen verdankt – und mit der katholischen Wahrheit, dass die Gnade auf der Natur aufbaut (um es nur an einem Punkt festzumachen, der aber viel impliziert) schlechterdings nicht vereinbar ist. Aber im Gegensatz zu seinen idealistischen Kollegen hat Schopenhauer der christlichen Mystik das Recht, den überschwenglichen, alles Begriffliche unendlich übersteigenden Rang gelassen, der ihr gebührt. (Insofern könnte man von negativer Theologie sprechen, womit sein Hauptwerk endet.) Aber er hat dies reichlich formal und vereinfachend getan, indem er christliche, buddhistische und hinduistische Mystik als unterschiedliche Ausprägungen derselben Verneinung des Willens zum Leben begriff: christliche Mystik hat er damit arg nivelliert, ja verfehlt. Und gerade deren theologische Implikationen sieht er nur als überholte Bilder aus altjüdischer Tradition, welche der Wahrheit der christlichen Mystik (die er durchaus preist) jene Klarheit eintrüben sollen, die er stärker im Hinduismus/Buddhismus zu finden meint… Insofern gilt eben doch: keine negative Theologie – wenn man Schopenhauer nicht radikal weiter- bzw. umdenkt.
Aber man muss Schopenhauer zugestehen: anders als der, vordergründig, weit „christlichere“ Deutsche Idealismus, anders als Fichte, Schelling und Hegel hat er nicht versucht, die christliche Mystik für philosophische Begriffsarbeit zu vereinnahmen, derart, dass sie in der entwickelten Dynamik bzw. Dialektik des Begriffs aufginge. Letztlich ein katastrophales Unterfangen, wie der dialektische Materialismus im Gefolge Hegels gezeigt hat. Wenn Gott auf den Begriff reduziert wird, wenn die Logik die „Gedanken Gottes vor der Erschaffung der Welt“ sein sollen (Hegel), ist der Schritt nicht mehr weit, auf Gott ganz zu verzichten und sich am Begriff genüge zu tun – nun aber in Diensten des Materialismus.
(Fortsetzung)
In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen gestehen, dass ich Ihren Satz für höchst problematisch halte: „Aus dem Wort (Begriff) ist bekanntlich alles geworden.“ Die Klammer ist das Problem: Sie setzen den göttlichen Logos, das lebendige Wort, Gottes Sohn, durch den der Vater alles geschaffen hat – unendlich über uns und unsere beschränkten Erkenntnismittel erhaben – mit „Begriff“ gleich? Das aber wäre doch so etwas wie die rationalistische Ur-Gedankensünde des Deutschen Idealismus (Hegels im besonderen, der Schellings Ansätze bei aller dialektischen Kunstfertigkeit nivelliert hat) – und als solche auch nicht im Sinne Kants.
Eine Stärke von Schopenhauer ist es, dass er die Platonischen Ideen als prä- und überbegrifflich, anschaulich jenseits von Raum, Zeit und Kausalität fassen will. Er wird damit in gewisser Weise dem mystischen Zug des platonischen/neuplatonischen Denkens gerecht, umgeht damit aber (im guten wie im schlechten) auch die dem Platonismus inhärente Problematik des Begriffsrealismus.
Kants transzendentale Schemata aber sind m.E. ganz und gar nicht mit den platonischen Ideen in Verbindung zu bringen, zumal sie ja als „Zeitbestimmungen a priori“ nur zwischen den Sinnendaten (nicht dem Ding-an-sich!) und den ordnenden Kategorien vermitteln, d.h. vollkommen der Ebene der Erscheinung zugehören!
Der Innsbrucker Bischof hätte diese Maßnahme also von sich aus entscheiden und nicht bloß den Postboten spielen müssen?
Dies spräche dann nicht für seine Führungsstärke – allerdings auch nicht für den Papst, sich Kompetenzen und Pflichten eines Mitarbeiters quasi „zurückdelegieren“ zu lassen.
Ein zumArtikel passender Auszug aus einer Abhandlung von Hw Pater Engelbert Recktenwald von der Petrus-Bruderschaft:
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[.…]
„Schließlich kann man auch sündigen durch Mitwirkung bei Sünden gegen den Glauben. Formen der Mitwirkung sind Anstiftung zur Sünde, Ermunterung, Gutheißung, Zulassung. Mitwirkung zur Sünde ist auch dann gegeben, wenn man schweigt und gewähren läßt, wo man aufgrund seines Amtes die Pflicht hätte, Einhalt zu gebieten. Prof. Dr. Georg May hat in einem mutigen Artikel auf diese Prinzipien hingewiesen und sie auf die heutige kirchliche Situation angewendet: „Bischöfe, die Irrlehrer wirken und das Volk vergiften lassen, machen sich mitschuldig an fremden Sünden durch Einwilligung. Bischöfe, die zu den Irrlehren von Theologen schweigen, obwohl ihr Amt sie verpflichtet zu reden, machen sich dadurch mitschuldig an dem Ruin zahlloser Seelen, der durch die Theologen hervorgerufen wird“ („Fremde Sünden“, in: „Ausgewählte Aufsätze“, S. 190).
Aus Liebe zu den Seelen war die Kirche immer auf den Schutz des Glaubens bedacht. Alle glaubensschützenden Maßnahmen der Kirche einschließlich der Maßregelungen einzelner Theologen sind deshalb nicht unmenschliche Akte gegen die Freiheit der Theologie, sondern Akte der Liebe gegenüber den Gläubigen. Denn die Gläubigen haben ein wahres und eigentliches Recht darauf, daß die Kirche ihnen den wahren Glauben verkündet. Diesem Recht entspricht auf Seiten der Kirche die Pflicht, dafür zu sorgen, daß im Namen der Kirche auch nichts anderes als der wahre Glaube gelehrt und verkündet wird.
Die heutige Situation der Gläubigen
Heute sind die Gläubigen in eine eigenartige Situation geraten. Irrlehrer bestimmen weitgehend das Klima in der Theologie, die theologischen Fakultäten sind laut Erzbischof Dyba zersetzt (cf. „Erzbischof Dyba und die Staatstheologen“, in: E. Recktenwald, „Harter Geist und weiches Herz“, S. 69), Religionsunterricht und Verkündigung befinden sich in einer schweren Krise. Die Schar jener, die noch am Glauben festhalten, ist in eine Minderheitensituation geraten. Nicht selten werden sie als „Fundamentalisten“ abqualifiziert. Das Schweigen und tatenlose Zuschauen etlicher Oberhirten bei der systematischen Glaubenszerstörung (vgl. Bischof Georg Eder, „Wie lange noch Wölfe unter uns?“, in: Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus Nr. 31) hat viele Gläubige verunsichert und mutlos gemacht. Wenn sie zur Selbsthilfe schreiten und alternative Bewegungen gründen (z.B. die KPE im Bereich der Jugendarbeit), werden sie als Störenfriede angesehen. Im schlimmsten Fall geht man gegen sie vor, im besten Fall mahnt man sie wie kleine Kinder zum Frieden. Der Hirte sieht seine Aufgabe nicht mehr darin, angesichts der Gefahr durch die Wölfe sein Leben für die Schafe hinzugeben, sondern Wölfe und Schafe zum Dialog miteinander zu führen. Der Glaube ist aber nicht verhandelbar, und das Recht auf den Glauben auch nicht. Es ist alarmierend, wenn vielerorts die Forderungen der Kirchenvolksbegehrer mehr Aufmerksamkeit erfahren als die Hilferufe der Gläubigen, die vor Ort den Niedergang des Glaubens erleben müssen. Ein Blick auf die letzten Katholikentage zeigt, daß der Glaube zu einem Farbtupfer in einem vielfältigen Angebot herabgesunken ist. Er ist nicht mehr das allseits anerkannte Prinzip innerkirchlichen Handelns. Er ist nicht mehr die unbestrittene Richtschnur der Ausübung der Hirtengewalt. Er ist nicht mehr die Norm für das, was in der Kirche erlaubt ist oder nicht.“
[.…]
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