Daß es heute Katholiken gibt, die als „Traditionalisten“ bezeichnet werden, ist eine beispiellose Entwicklung in der gesamten bisherigen Geschichte der katholischen Kirche. Selbst auf dem Höhepunkt der arianischen Krise – die angemessenste Analogie zu unserer Situation – war die Kirche nicht aufgeteilt zwischen Traditionalisten und Nicht-Traditionalisten, sondern vielmehr zwischen jenen, welche die Häresie des Arius nicht angenommen hatten, und jenen, welche sie angenommen hatten.
Doch was genau ist ein Traditionalist? Ein Blick zurück darauf, wie die Dinge einst waren, könnte die Bedeutung des Begriffs wirkungsvoller vermitteln als die üblichen Versuche einer formalen Definition:
- Einst gab es keinen in die gewöhnlichen Sprachen der Welt übersetzten Ritus der Messe. Es gab nur die universale liturgische Sprache einer zeitlosen Kirche, wie man es sieht im uralten römischen Ritus, dessen organische Entwicklung beinahe umerklich seit dem fünften Jahrhundert fortschritt, oder in den ehrwürden östlichen Riten, fast ebenso alt, die überwiegend dem rasenden liturgischen Vandalismus entgehen konnten, der die wichtigste Liturgie der Kirche verwüstet hat.
- Einst gab es keine Altartische nach lutherischem Stil in unseren Kirchen, sondern ausschließlich auf Gott orientierte Hochaltäre, deren Aussehen allein den Sinn für Ehrfurcht und Andacht weckte.
- Einst gab es keine Laien als Lektoren, Laien als „Kommunionhelfer“ oder Mädchen im Altarraum, sondern nur Priester, Diakone auf dem Weg zum Priestertum und männliche Altardiener, welche die hauptsächliche Ursache für eine Generation nach der anderen mit priesterlicher Berufung waren und die Seminarien füllten.
- Einst gab es keine profane Musik während der Messe, sondern nur gregorianischen Choral oder Polyphonie, die Seele zur Kontemplation des Göttlichen bewegend – und eben nicht Klopfen mit den Füßen, Klatschen mit den Händen oder bloße Langeweile.
- Einst gab es keine weitverbreiteten liturgischen Missbräuche. Im schlimmsten Fall gab es Priester, welche die traditionelle Messe verhuscht zelebrierten, aber innerhalb eines rubrizistischen, textlichen und musikalischen Rahmens, der trotz allem das zentrale Mysterium vor jeder Möglichkeit der Profanierung schützte und die höchste Würde des Gottesdienstes vor menschlicher Schwäche bewahrte.
- Einst gab es keine „Homo-Mafia“ in den Seminarien, den Kanzleien und im Vatikan selbst, oder klerikale „Raubtiere“, die Jungen auf der ganzen Welt sexuell missbrauchen, weil die Autoritäten der Kirche die Norm anwandten, wonach „Ordensgelübde und Weihen jenen verweigert sein sollen, die geplagt sind durch schlechte Neigungen zu Homosexualität oder Päderastie …“
- Einst gab es keine leerstehenden Seminarien, leerstehenden Klöster, aufgegebenen Pfarreien und verlassenen katholischen Schulen. Es gab nur Seminarien, Klöster, Pfarreien und Schulen, gefüllt mit Gläubigen aus großen Familien.
- Einst gab es keinen „Ökumenismus“. Es gab nur die Überzeugung, daß die katholische Kirche die einzig wahre Kirche ist, außerhalb derer niemand erlöst ist. Katholiken folgten der Lehre der Kirche, wonach „es den Gläubigen nicht erlaubt ist, auf irgendwelche Weise aktiv zu helfen bei oder teilzunehmen an dem Kult von Nicht-Katholiken“, und sie verstanden, wenn auch nur implizit, worauf Papst Pius XI. bestand: „Ihr seht, ehrwürdige Brüder, wie sehr diese Frage Uns am Herzen liegt, und auch alle Unsere Kinder sollen das erfahren, so ist es Unser Wunsch, nicht nur jene, die schon zur katholischen Kirche gehören, sondern auch alle, die von Uns getrennt sind. Wenn diese in demütigem Gebet das Licht vom Himmel erflehen, dann werden sie ohne Zweifel die eine wahre Kirche Jesu Christi erkennen und werden dann in sie eintreten und mit Uns in vollkommener Liebe verbunden sein.“
- Einst gab es keinen „Dialog“. Es gab nur Evangelisierung durch Klerus und Laienapologeten, mit dem Ziel, andere zur wahren Religion zu bekehren. Und es gab in der Tat Konvertiten. Sie traten zur Kirche über in so großer Zahl, daß es den Anschein hatte, als werden die Vereinigten Staaten eine katholische Nation – schauten doch 30 Millionen Amerikaner jeden Sonntag Bishof Fulton Sheen.
- Einst gab es keinen Massenabfall von Priestern, Ordensleuten und Laien, was zu einer „schweigenden Apostasie“ in Europa und im ganzen Westen führte. Es gab vielmehr das, was ein Konzilsvater des Zweiten Vatikanums zu Beginn des Konzils beschrieb: „Die Kirche, ungeachtet der Verhängnisse, welche die Welt plagen, durchlebt ein herrliches Zeitalter, wenn man das christliche Leben des Klerus und der Gläubigen betrachtet, die Verbreitung des Glaubens, und den heilsamen allgemeinen Einfluss der Kirche in der Welt heute.“
- Einst gab es keine „katholischen Charismatiker“, „Neokatechumenalen“ oder andere „neue geistliche Gemeinschaften“, die merkwürdige neue Arten des Kultes, erfunden von ihren Gründern, vorantreiben. Es gab nur Katholiken, die auf die gleiche Weise wie ihre Vorfahren beteten, mit ungebrochener Kontinuität durch die Jahrhunderte.
- Einst gab es keine Traditionalisten, denn es bestand keine Notwendigkeit, einen Katholiken mit diesem Begriff zu beschreiben. Alle Katholiken akzeptierten instinktiv, was eine Reihe von Päpsten als Teil unseres Glaubensbekenntnisses vorschrieb: „Die apostolischen und kirchlichen Überlieferungen und die übrigen Gewohnheiten und Verordnungen dieser Kirche nehme ich fest und freudig an.“
Das sind die Dinge, wie sie einst waren. Und wann war dieses vergangene Zeitalter, von dem ich schreibe? Nicht vor Jahrhunderten, nicht einmal vor einem Jahrhundert oder einem einzigen Lebensalter, sondern vor gerade 50 Jahren, im lebendigen Gedächtnis von Millionen Katholiken heute.
Was ist also ein Traditionalist? Er ist nicht mehr oder weniger als ein Katholik, der dabei geblieben ist, den Glauben genau so zu praktizieren, wie er ihn in seiner Kindheit gelernt hat, oder der denselben unveränderten Glauben von seinen Eltern empfangen hat und ihn seinerseits seinen eigenen Kindern weitergibt. Ein Traditionalist, mit anderen Worten, ist ein Katholik, der den Glauben lebt, als hätten die kirchlichen Verhängnisse der postkonziliaren Epoche nie stattgefunden – wahrhaftig so, als hätte das Zweite Vatikanum nie stattgefunden. Und die erstaunliche Wahrheit über den Traditionalisten ist, daß nicht eine Lehre oder disziplinäre Norm der Kirche ihm verbietet, so zu glauben und Gott auf genau diese Weise zu verehren, auch wenn das große Übermacht der Katholiken dies nicht länger tut.
Die Katholiken, die schlicht weiter geglaubt und gebetet haben, wie Katholiken vor dem Konzil es immer getan haben, sind dazu gekommen, Traditionalisten genannt zu werden – historisch betrachtet vollkommen unvermittelt. Daß das Wort „Tradition“ jetzt diese verhältnismäßig wenigen Katholiken von der gewaltigen Mehrheit der Kirchenmitglieder unterscheidet, ist das unbestreitbare Zeichen einer Krise, die ungleich jeder anderen ist, welche die Kirche je erlebte. Jene, die dies verneinen, müßten erklären, warum der Glaube nur innerhalb dieser transformierten gewaltigen Mehrheit, korrekt als „neo-katholisch“ beschrieben, kontinuierlich die Leute aus der Hand gibt, wobei viele in die „stille Apostasie“ abfallen, die Johannes Paul II. zuletzt beklagte, nachdem er für so viele Jahre der „konziliaren Erneuerung“ zujubelte, die in Wirklichkeit ein massiver Zusammenbruch des Glaubens und der Disziplin war.
Speziell müßten sie erklären, warum wir nur innerhalb der gewaltigen Mehrheit von „Konzilskatholiken“ die Beobachtung machen, daß
- mehr als ein Viertel aller Ehen in Scheidung enden, mit Millionen von geschiedenen und „wiederverheirateten“ Katholiken weltweit, deren andauerndem Ehebruch Kardinal Kasper entgegenkommen will, mit der scheinbaren Unterstützung des derzeit herrschenden Papstes;
- Geburten, Taufen, sakramentale Ehen, Bekehrungen und die Teilnahme bei der Messe seit dem Konzil unerbittlich abnehmen;
- es eine weitverbreitete Ablehnung der unfehlbaren Lehre der Kirche zu fundamentalen Angelegenheiten des Glaubens und der Moral gibt;
- es zu einem plötzlichen und dramatischen Verlust priestlicher Berufungen, der das katholische Priestertum etwas weniger umfangreich hinterläßt als es 1970 der Fall war, sowie seither zu einer drastischen Abnahme der Zahl von Ordensleuten kam – trotz einer Verdoppelung der Weltbevölkerung.
Sie müßten auch erklären, warum nur innerhalb der winzigen Minderheit der Katholiken, die jetzt als Traditionalisten bezeichnet werden, keines dieser Anzeichen kirchlichen Verfalls offenbar wird.
In den vergangenen Tagen scheint die kirchliche Krise, mit der wir nun seit mehr als einem halben Jahrhundert zusammenleben, einen Tiefpunkt erreicht zu haben, von dem es ohne wundersame göttliche Intervention keine Rettung gibt. Die Welt singt dem neuen Papst „Hosanna“, während sie ihn drängt zur endgültigen Vollendung – per impossibile – des Prozeßes der kirchlichen Selbstzerstörung, den Paul VI. in seinen letzten Jahren beklagte, obwohl er ihn selbst in Gang gesetzt hatte. Und doch setzt das neo-katholische Establishment seinen zuversichtlich Marsch jenseits des Punktes, von dem an es kein Zurück mehr gibt, fort, indem es die Anzeichen des Desasters weginterpretiert, während es Traditionalisten von oben herab als hartnäckige Liebhaber der Sehnsucht nach der Vergangenheit behandelt, deren Empfindungen man eine Heimat geben kann, auch wenn sie für die Zukunft der Kirche nicht länger von Bedeutung sind. Aber in Wahrheit sind die Traditionalisten die Zukunft der Kirche, wie die Geschichte über unsere Zeit vermerken wird, wenn sie geschrieben wurde.
Was genau ist ein Traditionalist? Er ist, was jeder Katholik einst war – und wieder sein wird, wenn die Krise vorüber ist.
Text: Christopher A. Ferrara/ The Remnant
Übersetzung: M. Benedikt Buerger
Bild: The Remnant
Ein großartiger Beitrag, der die Wirklichkeit gut beschreibt.
Die Modernisten, die Aufklärer, die Rationalisten versuchen mit weltlichen Mitteln zu agieren, dh Reformen der Reformen wegen, Aktionen der Aktionen wegen und das alles ohne Unterlass.
So wie das weltliche Regierungen, Organisationen auch tun mit dem Ziel ihr jeweiliges Klientel „bei der Stange“ zu halten, was natürlich nicht gelingt, sondern nur zu immer mehr neuer Probleme, Streit, Krankheiten, Katastrophen ja gar Kriegen führt.
Das Hauptproblem ist die Spaltung innerhalb der „Neuerer“ innerhalb der Kath. Kirche, es gibt die welche die Kath Kirche zerstören wollen und die naiven Mitläufer die am weltlichen orientiert sind.
Letztere verschaffen den Ersteren die Mehrheit und die Umsetzungskraft.
Alle dienen dem Fürsten der Welt, auch der mal weinende Bischof.
Sehr gute und zusammenfassende Darstellung. Im Grunde genommen will kaum jemand eine Veränderung, das sind kleine gutausgestattete Gruppen, die da ihre Forderungen, die ihnen selbst egal sind, projektieren. Die Medien spielen in der Zerstörung auch eine große Rolle.Kern des Unheils ist indes das Zweite Vatikanum, um die Dinge beim Namen zu nennen.
Was geau ist ein Traditionalist? Ganz einfach, ein Wahrer Katholik !!!
Wer den „Glaubensniedergang“ dem 2. Vatikanischen Konzil zuschreibt, übersieht die gesellschaftlichen Veränderungen, die über die westliche Welt hereingebrochen sind. Und wer glaubt, dass es in der Vergangenheit (vor dem V II) keine Homosexualität in der Kirche, in Klöstern etc. gegeben hat, hat eine rosarote Brille auf.
Wer glaubt, dass der Rückgang der Berufungen mit dem V II begründet ist, täuscht sich.
In Wirklichkeit war es früher so, dass ein Priester einen hohen Stellenwert hatte, Priester eine sichere Versorgung hatten, unerwünschte Töchter und Söhne in Klöster abgeschoben wurden, damit das Erbteil der anderen Geschwister nicht geschmälert wurde. Und in Adelskreisen war Karrieredenken ebenfalls vorhanden (Prior, Abt, Bischof …).
Tatsache ist, dass mit den Massenmedien sehr viel auf die Menschen einwirkt – sehr viel Information, Unterhaltung, Werbung, Computer, Internet – all diese Dinge rauben die Aufmerksamkeit und führen dazu, dass viele nicht mehr über Gott und das Leben reflektieren.
Das VII hat einen Aufbruch bewirkt – Kath. Aktion -, leider sind die damals Aktiven heute schon alt oder gestorben, Nachwuchs ist wenig vorhanden, da ein jeder sehr viele Verpflichtungen hat.
Woher wissen Sie das?
Woher wissen Sie, dass eine aufrechte, treue, der Wahrheit verpflichtete Kirche nicht genau der Gegenpol gewesen wäre, den die Welt und das Christentum gebraucht hätten?
Der Kommentar von @Mim hat selbstverständlich auch seine Wahrheit. Man darf die „Schuld“ nicht nur auf einer Seite suchen. Und doch ist die wahre Katholische Kirche das Heil der Welt oder das Zünglein an der Waage. Denn die Katholische Kirche wurde von Gott gestiftet, um die Menschheit mit sich zu versöhnen und sie unter dem gleichen Glauben zu einen. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott dies selbst mit dem kleinen Rest Traditionalisten fertig bringt.
Satans Einfluss wirkt auf beiden Seiten: ausserhalb der Kirche, wie auch innerhalb der Kirche. Könnte Satan nur die materielle Welt beeinflussen, hätte er Macht über die Kirche? Die heutige Generation Priester und der gesamte Klerus entstammt dieser Gesellschaft. Könnte Satan hingegen nur die Kirche beeinflussen wäre dann alles in Ordnung? Der Klerus trägt es in die Welt.
Ich denke, wer wirklich erkennen will, in welcher Zeit wir leben, muss sämtliche Teile (alle Zusammenhänge wie Fatima, La Salette, Garabandal, Politik, Wirtschaft, Papstwechsel, Gesetze, Machtwechsel, Kriege, Unruhen, Naturkatastrophen, Offenbarung des Johannes etc.) wie bei einem Puzzle zusammenfügen. Nur dann erkennt man das ganze Bild.
Nein, das VK2 hatte eben keinen Aufbruch bewirkt. Ohne Zweifel gab es eine Aufbruchsstimmung. Die war aber (ausdrücklich) eine in Richtung Welt. Und so ist es auch gekommen. Hochgefühle können täuschen, erst recht, wenn sie in Massen auftreten. Eine Aufbruchstimmung kann – und dies geschieht mit Regelmäßigkeit – zum Abbruch führen. Man kann le Bons Erkenntnisse zur Psychologie der Massen auch verstehen, ohne sie zu mißbrauchen.
Ihre Beschreibung der Problemlage ist ja durchaus richtig, ich verweise auch immer auf die beiden schrecklichen Weltkriege hin, die die Welt erleben mußte. Doch wäre all dies nicht Grund genug, dieser geschundenen und sich schindenden Welt in heilsbringender Manier zu begegnen? In der Kirche liegt das Heil, nicht in der vermeintlich frischen Luft da draußen. Da wimmelt es nur so von falschen Verheißungen. Hätte man das gesunde Fundament der Tradition nicht noch verstärken müssen, um der Welt in den Stürmen dieser Zeit Fels zu sein? Hat die Kirche nicht schon vor dem Konzil zu viel zugelassen und verändert und hätte nicht die Reißleine gezogen werden müssen, das Gute in der heilsbringenden Kirche gesucht werden können – und nicht das Heil in einer Massenflucht ins Weltliche? Nein, da ist ganz gehörig etwas schiefgelaufen. Und spätestens heute sollte man dies einsehen und korrigieren. Es ist nie zu spät und es ist auch nichts unumkehrbar, wenn es zum Heil und zum Guten ist.
Vielen Dank für diesen Beitrag. Ja, dann bin ich also ein „Traditionalist“ und das ist gut so. Es wird in den kommenden Jahren enormen Mut, Nerven aus Stahl, eiserne Beharrlichkeit im Glauben, viel Kraft und insbesondere den Beistand vom Himmel benötigen, wenn jene tapferen Katholiken Gott treu bleiben wollen. Ich glaube zweifelsfrei an das Buch der Wahrheit das uns Gott sogar mit diesem Titel in der Bibel (Dan 10,21;12,4.9) für die Zeit des Endes versprochen hat. Meine Ängste sind weg. Ich habe seither grossen Trost und einen tiefen inneren Frieden gefunden. Und am Ende wird das unbefleckte Herz Mariens triumphieren.
Dilemma! Die Sache ist nämlich, dass die (vorkonzilliaren) „Traditionalisten“, wie es sich für gute Katholiken gehört, den Beschlüssen der Konzilien Folge leisteten. Denn in den Kozilien wirkt der Heilige Geist, der in eines jeden Menschen Herz wohnt. Welchen „Traditionalisten“ steht es also zu, ein Konzil nach Gutdünken anzuerkennen oder abzulehnen? Wer nämlich entscheidet, welches Konzil richtig und welches falsch war, der begibt sich auf einen Weg der Beliebigkeit, in der sich nun scheinbar jeder „wahre Katholik“ aussuchen kann, welcher Konzilsbeschluss (von welchem Konzil auch immer) recht oder unrecht ist.
Stimmt genau, die V2 Zertsoerer fordern von den Traditionalisten immer „Treue“, die sie selbst mit Fuessen treten.
Was Sie hier anmahnen, tendiert mir zu sehr in eine Richtung, die heute sowohl im „konservativen“ wie auch „progressiven“ katholischen Raum oft zu sehen ist: der des Kadaver-Gehorsams. Von den Progressiven wird er immer dann eingefordert, wenn es ihnen gerade „in den Kram passt“, bei den Konservativen, wenn „Irritierendes“ – sofern es überhaupt als solches gesehen wird – aus Rom à tout prix zurechtgebogen werden muss.
Es ist dies letztlich aber nichts anderes als ungeistiger, sinnarmer Formalismus – und nicht einmal das, da man auf einer Form besteht, die, im strengen, rechten Sinn, actualiter gar nicht mehr existiert, zumal die hierarchische Struktur der Kirche heute demokratisch zersetzt, das Autoritätsprinzip durch die Lösung von der Lehre tausendfach missbraucht ist.
Sie übersehen zudem, dass das letzte Konzil kein dogmatisches, sondern ein pastorales sein wollte, seine Geltung in allen kritischen Punkten diskutiert werden muss, kann und darf – aber leider gilt diesbezüglich innerkirchlich noch der Konjunktiv.
Und offenbar haben Sie eine Automaten-Vorstellung vom Wirken des Heiligen Geistes. Wie auch bei einer Papst-Wahl der Heilige Geist auf die angewiesen ist, welche Ihn auch vernehmen wollen/können, so gilt dies selbstverständlich auch für ein Konzil. Wie oft beruft man sich heute – reichlich leichtsinnig, unwürdig, kitschig – überhaupt auf den „Heiligen Geist“, ohne dessen wahrhaft inne zu sein, was das bedeutet: Dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit!
Nein! Das ist bloß die Falle, in die man die Konservativen zu lenken sucht, als die man auch die Traditionalen ansieht. Tatsächlich gibt es gar kein Dilemma. Neue Erkenntnis wird schlicht daran geprüft, ob sie im Einklang mit allem bisher Erkannten steht. Ergänzt oder vertieft sie diese, dann ist es gut. Widerspricht sie dieser, dann taugt sie nichts.
Auch das Konzil von Trient ist so vorgegangen. Es hat keine Neubewertung gemacht, sondern eine Altbewertung geleistet. Dies ist katholisch und es ist sehr gut.
Für alle modernen weltlichen Etatisten mag man dies vielleicht so ausdrücken: Die Tradition ist die Verfassung der Kirche. Sie beschränkt die Herrschaft der heute Mächtigen. Und die Tradition der Kirche macht dies besser als jede irdische Papierverfassung. Selbst da noch, wo man sie, die Tradition, bekämpft.
Benedikt hat dies offensichtlich erfaßt, Franziskus macht einen auf pubertierenden (euphemistisch frühlingshaften) Revoluzzer. Gott allein weiß, wozu dies gut sein mag.
Danke für diesen erleuchtenden Beitrag. Nur ein Traditionalist ist ein wahrer Christ, das kann man ruhig sagen.
@Mim:
Das Eine führt zum Anderen. Da ist es schwer genau zu sagen, welche Dinge zur heutigen Lage geführt haben was die Gesellschaft insgesamt angeht. Aber in der Kirche haben im Artikel aufgezählte Veränderungen mit Sicherheit zum negativen Wandel geführt.
Im Grunde scheint es ja einfach – wenn weniger Menschen in die Kirche gehen, sich stattdessen mit Weltlichem beschäftigen, ist sehr wohl ein Zusammenhang Gesellschaft-Kirche möglich. Das Abwandern der Katholiken aus den Kirchen wurde ja oftmals mit den Änderungen erklärt, die das 2. Vatikanische Konzil gebracht hat – für mich gut vorstellbar.
Ich befürchte ehrlich gesagt, dass die Haltung der Kirche nach dem Vat. II sogar ursächlich manchen allgemeinen gesellschaftlichen Niedergang vorangetrieben hat.
Wenn nach dem Konzil plötzlich all diese Niedergänge in der Kirche sichtbar wurden, dann gehört eine gepfefferte Blindheit dazu, da keinen Kausalzusammenhang erkennen zu wollen. Damit ist natürlich keine umfassende Diagnose gestellt, aber eine grobe schon, und dies mit voller Berechtigung.
Beispiel: Wenn eine Liturgiereform das Messopfer durch eine verschwiemelte Eucharistisches-Mahl-Theologie ersetzt – wie soll dann ein Priester wissen, wozu er in der alten Lebensform des Priesters noch da ist? Wie soll er Priester bleiben wollen, wenn er nicht mehr weiß, dass er Christus handgreiflich sichtbar machen darf? In persona-Christi handeln darf bei der Wandlung, bei der Beichte und ideel auch sonst?
Wenn dann von außen noch sexuelle Reize in hohem Maße dazukommen, wird es umso schwerer. Aber auch die katholische Ehe hat ihren Sinn verloren, wenn man ihr nicht zugrunde legt, dass das Paar (+Nachkommen) sowohl die Trinität als auch die Liebe zwischen Christus und Kirche abbildet in je spezifischen Rollen, der Mann sich wie Christus für die Kirche für Frau und Familie in Liebe hingeben soll, die Frau ihn dafür aber auch hochachten und sich ihm unterstellen soll, und so auch in gegenseitiger Hingabe und Unterordnung mit Christus ein Neues Zeitalter, das uns einen Weg, die Sünde zu überwinden, alte Unterwerfungs- und Machtspiele hinter uns zu lassen, eröffnet ist, der nicht mehr hintergehbar ist (von wegen Geschlechterkrieg, Scheidung, Wiederverheiratung – das geht nicht mehr, wenn man einmal die Liebe Christi selbst erfahren hat!).
Ja, es war und ist ein göttlicher Anspruch an Menschen, IHN selbst sichtbar zu machen! Es ist ein übermenschlicher Anspruch, wenn ein Mann eine Frau so lieben soll, wie Christus die Kirche liebt! (das heißt, er muss für sie fast alles aufgeben, sogar sterben!). Und es ist umgekehrt ein übermenschlicher Anspruch, wenn eine Frau das von Gott sichtbar machen soll, was in der Vulgata beides mal „adiutor“ genannt wird – sowohl hinsichtlich Gottes für uns Menschen als auch der Frau für den Mann. Die Frau ist „adiutor“, und nicht nur des Mannes, sondern auch Gottes selbst in Maria, des „adiutors“ par excellence, der Gott sogar gebären und aufziehen durfte! Das alles ist dermaßen „hoch“, dass es nicht auszudenken ist! Aber es zeigt, was Gott dem Menschen in SEINER Liebe eigentlich zugedacht hat – und das ist katholisch!
Und so könnte man fortfahren – es ist das Konzil, das mit seinen „Neuerungen“ der katholischen Denkart den Sinn und Kern geraubt hat. Was ohne Kern ist, bricht jedoch bald als leere Hülse zusammen und das ist unser derzeitiger Zustand, auch wenn ein Darsteller noch Papst spielt, und ein Großteil der Kleriker und Ordensleute, von den Laienräten gar nicht zu reden, nur noch mehr oder weniger sogar grottenschlechte Kirchendarsteller sind…
Ich nehme an, dass Sie damit sogar recht hatten, weil nämlich Kultur von Kult kommt.
Und ja, wenn der Boden sozusagen der Kult eben mager ist, dann kann da nichts üppiges drauf wachsen.
jedoch muss man folgendes bedenken, es gab in den 20ern schon die gleichen kulturellen Entgleisungen, die später nach 1968 als die wahre Kunst vorgestellt wurden.
Und der große Kulturbruch fand schon früher, nämlich 1933 ff , und davor 1914- 1917 statt.
Dass das alles sehr komplexe Dinge sind, ist klar, und es ist auch bekannt, dass die wirklich „bekennenden“ Gläubigen beider Konfessionen schwer bedrängt wurden, und so weiter.
Aber ich wehr mich dagegen, so zu tun, als sei das Geschehen der Jahre 1968 ff in Kirche und Welt der Einbruch des Bösen in eine bis dato absolut gute, sichere, fromme, gläubige Welt.
Ich habe nicht gemeint, dass plötzlich und unversehens ein „Bruch“ geschehen ist – so etwas wäre ja gar nicht möglich! Natürlich grummelte es seit der französischen Revolution. Aber das Papsttum hielt das irgendwie auf, das muss man objektiv feststellen.
Was Sie mit verschiedenen gesellschaftlichen Revolutionen meinen, verstehe ich. Es ist, als hätte das Böse seine Fratze schon im 1. WK (und davor natürlich auch: Kulturkampf, Bismarck – das war kein Held! – überhaupt das 19. Jh mit seinem Nationalgedanken, dem leider die traditionellen Katholiken ohne Geschichtskenntnisse in hoher Zahl frönen, als sei das je kirchliche Lehre gewesen, die Entstehung des Kommunismus, aber auch eine Versklavung des Menschen sondergleichen durch die technische „Revolution“ und ab da dann auch die Entwertung der Frau und Mutter mit all ihren zuvor geachteten Tätigkeiten und ihrer hohen Stellung etc. etc.).
Was die Kunst betrifft, finde ich, dass viele Traditionalisten sich ohne Kenntnis und ohne echtes Verständnis mehr oder weniger ins Epigonale, Manirierte und Oberflächliche flüchten. Dieser Gestus, der in der Kunst eine willfährige Dirne sieht, die jeweilige Bedürfnisse zu befriedigen hätte – hier im Falle der Traditionalisten sehr oft einfach bloß eine Heile-Welt-Sehnsucht – verkennt, dass die Kunst stets ein Spiegel dessen ist, was sich in den seelen einer Gesellschaft abspielt.
Die moderne Kunst drückt wesenhaft den Zustand aus, in dem wir leben, verursacht ihn jedoch nicht. Dass schon in den 20er Jahren die Künstler nicht mehr das Kitschbedürfnis der Zeitgenossen bedienten, ist nur der sensible Seismograph für die massiven unterirdischen Strömungen…
Es ist eine der größten Verkennungen, wenn man glaubt, man könne oder müsse sogar einfach im Stile X weitermachen. Ich weiß, dass Pius X. mit solchen Gedanken operierte, sich aber auch überraschend eines Besseren belehren ließ.
Kunst wird zum bloßen Kunsthandwerk ohne Seele, wenn sie ideologisch festgefroren wird.
Es ist mein Metier, und ich kenne eine große Zahl zeitgenössischer Künstler, arbeite auch mit ihnen und muss sie verteidigen.
dazu könnte ich sehr viel sagen, und vielleicht tue ich es mal in einem Aufsatz.
„Einst gab es keine Altartische nach lutherischem Stil in unseren Kirchen, ….“
Damit tut man der überwiegenden Anzahl der lutherischen Kirchen unrecht, denn dort wurden diese Tische häufig erst nach rk Vorbild eingebaut.
Bauliche Kirchenschändung ist leider in erster Linie ein katholisches Problem.
Die Tische sind eine Sitte der reformierten Protestanten (Zwingli, Calvin)
@ Hannes
Grundsätzlich haben Sie recht. Katholiken können sich nicht aussuchen, welches Konzil ihnen „passt“ oder nicht.
Doch das 2. Vatikanische Konzil hat mit dem 2000jährigen Glauben der katholischen Kirche gebrochen. Es hat ihn nicht organisch weiter entwickelt durch Vertiefung von Glaubenswahrheiten, sondern den Glauben verändert.
Zu dem Schluss kommen und kamen progressive und konservative Katholiken. Nach dem geoffenbarten katholischen Glauben ist dies nicht möglich. Es ist ein Bruch.
Wenn Katholiken klar geworden ist, dass diese Veränderung stattgefunden hat, sind sie nicht mehr zum Gehorsam verpflichtet. Es ist eine Notsituation. Die überwunden werden muss. Durch Gebet, Leiden und harte Arbeit. Die Konzilsirrtümer müssen überwunden werden. Von allein lösen sie sich nicht auf.
Der eigentliche Bruch wird erst kommen, wenn das Messopfer in der derzeitigen Form abgeschafft wurde. Pater Pio hat das in den 70er Jahren vorhergesagt. Die Welt könne eher ohne die Sonne überleben, als ohne das tägliche Messopfer hat er gesagt.
@ dhmg
Meinen Sie das Messopfer vor der Liturgiereform oder das jetzige nach dem Novus Ordo?
Im Moment ist das Messopfer ja noch voll gültig. Aber wenn die Wandlungsworte geändert werden wird dadurch das Messopfer ungültig.
Auf dieses Zeichen soll man achten, von da an sollen Katastrophen auf der Erde folgen, weil nirgends mehr Sühne geleistet wird für die Sünden der Welt.
Verstehe: aber das im deutschen Sprachraum heißumkämpfte „pro multis“ ist ja bereits schon ungültig mit „für alle“ übersetzt, jedenfalls kann man darüber unsicher sein…
Aber vielleicht haben Sie recht und es muss wirklich ganz deutlich verdreht werden…
„Das ist mein Blut“ und „Das ist mein Leib“ sind für die Transsubstantiation entscheidend. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ und dass das Leib und Blut Christi „zur Vergebung der Sünden“ aufgeopfert wird ist ebenso wichtig, damit die Bedeutung der Eucharistie gewahrt bleibt.
Diese Ermunterung wird wenig nützen, aber ich hoffe dass sie immer noch besser ist als nichts: Haltet durch ihr an der Traditionfesthaltenden, ihr einzig wahren Katholiken.
Selbst dieser verseuchte billige Abklatsch von katholischer Kirche ist noch immer wirklich besser als alles andere, durch Euch!
Und die Lehre ist herrlich, selbst diese blassen Spuren, die heute noch vorhanden sind, lassen einen ehrfürchtig niederknien und staunen. Selbst unser offen ketzerischer Priester, der nie eine andere Kirche als die Nachkonziliäre kennengelernt hat, unterscheidet sich von der übrigen Welt aus der ich komme in dieser Weise: Er nimmt mich, einen Konvertiten aus Urprotestantischer Tradition, an, die ich durch das Zeugnis der Vorkonziliären Kirche zu der einzig wahren Kirche Christi gefunden habe. Obwohl er weiß, dass ich der traditionellen Lehre verbunden bin, stößt er mich nicht weg. Wie es genau weitergehen wird weiß ich nicht,
dass nur ein kleiner Rest die Endzeit überstehen wird, bis der Herr wiederkommt, aber dieser Rest wird sein aus der katholischen Kirche!
das Konzil selber stellt nicht unbedingt einen Bruch dar!
Wenn man will, kann man die Dekrete durchaus katholisch verstehen.
Und davon mal abgesehen ist das 2te Vatikanum ein „pastorales Konzil“ gewesen, das überhaupt nichts verbindlich beschlossen hat!
Was man aber getan hat, ist die Dinge der Kirche plötzlich in einem anderen Licht gesehen und interpretiert.
Und weil die Änderung der Sichtweise weltweit erfolgt ist und ach so vernünftig und unmittelbar einsichtig ist, werden seit dem die Dinge schief.
hat man früher alles versucht von Gott her zu verstehen, also den Menschen und seine Beziehungen zueinander und zur Umgebung sozusagen von der Warte „Gott ist und Gott liebt den Menschen“ her gesehen, so sieht man nun den Gott von der Warte des Menschen her. Der Mensch ist gut! ist das Grundaxiom und die Folge lautet weil Gott gut ist, dann soll seine Kirche dafür sorgen, dass es dem Menschen noch besser geht.
War früher der Mensch für Gott da, so ist nun Gott für den Menschen da und das ist die farbige Lampe die man in die Fassung „Licht der Völker“ eingeschraubt hat, die die Sicht der Dinge verändert hat.
Es ist alles richtig, die Fassung, die Position der Dinge, die Technik der Lampe, nur die Farbe ist verkehrt!
Manches ist traditionelle Lehre, aber einiges – und dies an gravierenden Stellen – widerspricht der Tradition fundamental, und kein Mensch kann ohne Verdrehung der betreffenden Sätze daraus noch etwas „Katholisches“ ablesen.
Der vollmundige Pfarrer Milch hat das ja immer wieder wortgewaltig, allerdings tatsächlich auch zu Recht aufgegriffen und gezeigt.
Es kann sein, dass wir heute so verwirrte Begriffe haben, dass wir – als Jüngere, womöglich kirchenfern aufgewachsen – das nicht realisieren. Ich habe selbst auch lange gebraucht, bis ich das erfasst habe, selbst ein Mensch dieser Zeit, durch mehrere Studiengänge wie durch eine modernistische Mühle gedreht, es ist daher absolut notwendig, sich wohl oder übel durch alte lehramtliche Texte zu beißen, Kirchenväter und auch durch die Literatur v.a. der weiblichen Lehrerinnen zu arbeiten (Theresa v.A. etc.) – erst dann hat man ungefähr eine Gesamtschau darüber, was wirklich Lehre und Begrifflichkeit der Kirche war. Und man wird mit Staunen feststellen, dass in der absoluten Treue eine wesentlich größere „Kreativitätsspanne“ möglich ist, als im temerären modernistischen „Kreativseinwollen“.
Ich würde auch keineswegs behaupten, dass ich da nicht auf einem langen, langen Weg bin, der noch vor mir liegt.
Aber ohne diese Mühe geht es heute nicht mehr. Das wollte ich sagen. Jeder und jede ist heute verpflichtet, intellektuell und auch spirituell wirklich jede erdenkliche Mühe aufzuwenden, um hier Land zu sehen, alles zu prüfen, weil man niemandem mehr unbesehen vertrauen kann – es fehlt eben ein lebendiges Lehramt!
Diese – offensichtlich ja mögliche – Entwicklung, einmal didaktisch aufzubereiten, um sie fördern zu können und Dritten diese Entwicklung leichter zu machen, wäre eine ganz besondere Herausforderung. Auch die sukzessive Begriffsklärung gehört da hinein. Es gilt da mehr als eine neue Sprache zu lernen, aber soviel als dies, ist es Voraussetzung, eben darüberhinaus zu gehen.
Uff!
Mir scheint, das vermag kein Mensch – es ist am Ende wirklich die reine Gnade Gottes, wenn ER es uns doch ermöglicht, die subtile Umdeutung und Zerdeutung der Begriffe und Ideen zu erfassen, die vor niemandem, auch nicht vor den „Traditionalisten“ Halt macht.
Und natürlich darf am ernstgemeinten Sendungsbewusstsein auch der Traditionalisten nicht einfach gezweifelt werden. Es ist Wahres mit Falschem so verheddert, dass man im Prinzip jeden einzelnen Strang auseinanderlegen muss.
Sie haben aber insofern Recht, als es sicher auch wieder ein Talent ist, vielleicht auch geschult durch bestimmte Studien, ob „offiziell“ oder „privat“ (nur fachlich/sachlich kompetent und begnadet muss es sein!), hier eine „Didaktik“ zu entwickeln.
In mir löst dieser Anspruch ehrlich gesagt aber heftige Fluchtimpulse aus – eben weil man in größter Gefahr steht, dann gleich in die nächste „rechtgläubige“ Ideologie – eben weil das Lehramt fehlt – abzurutschen.
Uff.
Seufz.
Oh ja! Sie haben es erfaßt.
Ihnen beiden, @zeitschnur und MisterX, meine volle Zustimmung! Die Herausforderung an heutige Priester, Katecheten, Gelehrte läge eben darin, aus dem vollen Reichtum der alten Kirche zu schöpfen und ihn didaktisch fürs Heute aufzuschließen – ganz ohne Anbiederung an Äusserlichkeiten des Zeitgeschmacks.
Hierzu braucht es in der Tat eine neue Sprache – eine Sprache, welche wohl gerade die am ehesten entwickeln werden, welche nicht in katholischen „Reservaten“ groß geworden sind, vielmehr die „modernistischen Mühlen“ am eigenen Leib erfahren und durchlitten haben und aus freier Erkenntnis in den Weg zur alten Kirche, den Weg der Wahrheit zurückfinden. Sie werden am behendesten den Sprung und Spagat zwischen beiden Welten, zwischen der Verstricktheit in die Zersetzung der pluralistisch gebrochenen „Welt von heute“ und der Konzentration auf das wahre Heilmittel, das aus der Tiefe ergriffene katholische Leben schaffen, der nötig ist und nicht gescheut werden darf, um die rechten Mittel, die rechte Sprache zu ermitteln, die alten Schätze mit phantasievoller Sensibilität für die kaleidoskopische Seelenlage der zeitgeistig „Verstrickten“ zu erschließen.
Die alte, wahre Kirche ist es, die auf die brennenden Tiefenbedürfnisse des von der Moderne enttäuschten postmodernen Menschen, gerade auch vieler Agnostiker und Atheisten, die rechten, ja insgeheim ersehnten Antworten hätte; leider ist die postkonziliare Kirche altmodisch genug, zäh ihrem muffig-abgetakelten „Aufbruch in die Moderne“ nachzuhängen, statt mit dem entschiedenen Griff in die eigene Schatztruhe den Sprung in die Zukunft zu wagen.
„Und man wird mit Staunen feststellen, dass in der absoluten Treue eine wesentlich größere „Kreativitätsspanne“ möglich ist, als im temerären modernistischen ‚Kreativseinwollen‘.“ Genau diese Grunderfahrung, diese Erschütterung, dieses Staunen, gilt es in seinem die Seelentiefen des postmodernen Menschen umgrabenden, durchpflügenden Wert breiteren Kreisen zu erschließen.
Man sollte nicht in Eile, zwischen Tür und Angel, zuviel auf einmal sagen wollen; Unklarheit und Stilblüten sind nolens volens gern die Folge. Leider gilt dies auch für meinen Kommentar von gestern.
Um etwas klarer zu machen, worum es mir ging, noch einige Ergänzungen. Ich glaube, die beste „Didaktik“ zur Vermittlung der kirchlichen Lehre ist schlicht das persönliche Zeugnis; die Glaubwürdigkeit und die Leidenschaftlichkeit des Glaubens. Wenn die traditionelle Lehre in ihrem unschätzbaren Wert einem größeren Kreis vermittelt werden soll – Katholiken, aber auch sinnsuchenden Agnostikern und Atheisten – dann wird das m. E. nicht so sehr durch Ausarbeitung „systematischer“ Didaktiken, wie etwa im modernistischen Religionsunterricht mit seinen meist erbärmlichen Lehrmitteln, geschehen können. All dieser krampfhaften Pädagogik gilt es zu widerstehen, und ja, es ist wichtig, was @Zeitlos so häufig anmahnt: die traditionellen Katechismen, allen voran der Catechismus Romanus und der kleine/große von Pius X., bilden eine solide Grundlage.
Aber darüber hinaus braucht es Persönlichkeiten, welche die Seelenlage der Zeitgenossen intuitiv einzuschätzen wissen und den Mut, die Spannkraft, den Geist besitzen, dem tiefen Graben zwischen heutigem „common sense“ und der Hl. Wahrheit nicht auszuweichen, sondern ihn in aller Schärfe zu thematisieren – und zwar mit der glaubenssicheren „Verführungskraft“ dessen, der beide Seiten des Grabens kennt. Wen man in der Kirche heute zu selten findet (Ausnahmen bestätigen die Regel), das sind die großen Persönlichkeiten, die „Naturen“, der Geistesadel, die echten Künstler. Solche speziellen Begabungen waren in der alten Kirche ungleich zahlreicher – verwunderlich ist es nicht. Wenn die Kirche selbst nicht mehr primär durch die Manifestation und Explikation der Wahrheit wirken möchte, sondern durch pastorale Aktivitäten nach dem Geschmack des Zeitgeists, darf sie sich nicht wundern, wenn sie die geistig tiefer Bohrenden nicht mehr anzusprechen vermag.
Besonderer Persönlichkeiten aber bedarf auch die „Tradition“, um ihren Wirkungskreis zu erweitern, um missionarischer werden zu können. Es gibt sie – auch das überrascht nicht; man denke an einen Pfr. Georg May, einen Martin Mosebach, Walter Hoeres, Robert Spaemann. Ein Pfarrer Milch gehörte dazu, ein Erzbischof Lefebvre. Gott wird es – wie wir vertrauend hoffen dürfen – so lenken, dass in der jungen Generation, gerade auch unter den Priestern, neue „Leuchttürme“ erstehen, Hirten, welche die ungetrübte Lehre atmen, aber auch die „potentiellen“ Schäfchen kennen, deren postmodern verstrickte Seelen, Hirten, die durch ihr Beispiel ebenso bewegen wie durch ihre Geistesschärfe oder durch ästhetisch-künstlerische Kraft in der Verkündigung.
(Fortsetzung)
Wenn von einer „neuen Sprache“ die Rede war, welche gefunden werden sollte, so sehe ich sie in den Händen solcher Einzelner; nein, es wird keine neue Sprache sein, vielmehr die alten Begriffe, aber in Christo mit besonderer Phantasie, Kraft und Sensibilität für die Not der Stunde vorgebracht, erklärt und aufgeschlossen.
Ich habe Ihre Kommentare, @MisterX und zeitschnur, in der Eile einseitig interpretiert, zumal es Ihnen – wie auch Ihre abschließenden Statements zeigen – mehr um die „sukzessive Begriffsklärung“ denn um eine besondere Art der Verkündigung zu tun ist. Aber ich denke auch in der Tat, dass extensive Begriffsklärung gar nicht das vordringlichste Gebot der Stunde ist.
In der Messe aller Zeiten ist die gesamte wahre Gestalt der Kirche gleichsam kondensiert. Wer die Messe in ihrer Unerschöpflichkeit tiefer und tiefer zu erfahren und zu verstehen lernt, wer zudem die Eckpfeiler der Lehre, wie sie in den Katechismen zu finden sind, kennt und lebt, ist mit der Gnade Gottes in die Bahn der Wahrheit gerückt. Mag er auch theologische Begriffe nicht restlos verstehen oder teilweise inadäquat deuten. Das hat es immer gegeben, auch auf Seiten der Verkündigung. Selbstverständlich ist die Gefahr von Missverständnissen bzw. eines eingeschränkten Blickwinkels heute, ohne lebendiges Lehramt, ungleich höher. Aber die Kraft der Heiligen Messe ist ungeheuer groß, unterschätzen wir sie nicht. Wenn die Eckpfeiler stimmen, trägt uns der Heilige Geist auch über die Untiefen von Fehldeutungen, unseres eingeschränkten Blickwinkels hinweg, und sei es dadurch, dass das Herz weiß, was der Verstand nicht oder im Zerrbild versteht.
Natürlich soll der Einzelne, je nach dem Grad seiner Gelehrsamkeit, und heute mehr denn je, nach intellektueller Durchdringung der alten Lehre streben: fides quaerens intellectum. Aber ich halte es für überspitzt zu sagen, JEDER sei heute verpflichtet, intellektuell „jede erdenkliche Mühe aufzuwenden, um hier Land zu sehen, alles zu prüfen“. Vielen ist das, aus den unterschiedlichsten, auch rein praktischen Gründen, gar nicht möglich. (Insofern war meine „volle Zustimmung“, @zeitschnur, gestern im Wortsinn vor – eilig.) Und Gott verlangt nichts über die Kräfte des Einzelnen.
Deshalb ist es auch so gefährlich, Gemeinschaften wie der FSSPX rechtgläubige „Ideologie“ vorzuwerfen, etwa weil man meint, aufgrund extensiver Studien eine bessere Übersicht über die Katholizität zu besitzen. Einmal abgesehen davon, dass man sich täuschen könnte, wäre auch der – sehr gut mögliche – Fall, dass die katholische Weite der alten Kirche dort nicht voll repräsentiert wird, noch kein Grund, auf Ideologie zu schließen, d. h. die bewusste Verschleierung und damit Legitimierung glaubensfremder Machtinteressen.
Wo der Heilige Geist wirkt, sind wohl menschliche Verzerrungen, Verkürzungen, auch ideelle Verhärtungen möglich, aber gerade vor Ideologie bewahrt er.
(Fortsetzung)
Ich glaube, es kann nicht schaden, in diesem Zusammenhang – und auch im Rückblick auf manche hier geführte Diskussion um „Frontlinien“ und Ideologien – einen Ausschnitt aus „Mediator Dei“ Pius XII. zu zitieren: „(…) so mögen sich alle klar vor Augen halten, daß es in der streitenden Kirche nicht weniger als in der himmlischen viele Wohnungen gibt, und daß die Aszese nicht von einem einzelnen für sich in Anspruch genommen werden darf. Ein Geist ist, der jedoch weht, wo er will, und die durch die Mannigfaltigkeit seiner Gaben und Führungen erleuchteten Seelen zur Heiligkeit geleitet. Ihre Freiheit und das übernatürliche Wirken des Heiligen Geistes in ihnen sollen als unantastbares Gut betrachtet werden, das keiner, unter was immer für einem Vorwand, stören oder verdrängen darf.“
Nun ist doch wieder vieles zusammengekommen, und auch in aller Eile – hoffentlich ohne die genannten Nebenwirkungen.
Ich schrieb von der reinen Gnade Gottes. Dabei würde ich es gerne belassen. Wozu dieses rhetorische Feuerwerk, das in keinem Zusammenhang zu meinem Posting oben steht?
Der Geist weht in der Tat, wo er will…und der Moment, in dem Menschen auftreten und sagen: wir wahren die Tradition, und unsere Gallionsfigur samt anderen Gallionsfiguren, m u s s irgendwann als ein zweiter Athanasius heiliggesprochen werden, dann ist bereits eine ideologische Frontlinie gezogen.
Nur pflegen Ideologen sich niemals als solche zu erkennen…im Gegenteil, wer ihnen widerspricht, wird keinen Frieden mehr haben…
Sagt nicht unser Herr, dass viele, die hier die ersten zu sein scheinen, vor IHM die letzten sind? Warten wir also getrost ab, wen Gott beruft… ER wird aber den Lehrer Lämpel nicht um seine erlauchte kleinliche Meinung fragen…
Wie tief haben wir verstanden, wie sehr der Hl. Geist in jedem, der es will und sich nach allen Kräften müht, wirkt, auch dann, wenn das Lehramt total versagt? Alles ist Gnade, die aber ohne unser Wollen und Mittun nicht fruchtbar werden wird.
Sagt nicht das Vat. I: „Denn in seiner übergroßen Güte kommt der Herr den Irrenden mit seiner anregenden und helfenden Gnade entgegen und gibt ihnen die Kraft, dass sie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4) die Er aber bereits aus der Finsternis in sein wunderbares Lichtreich berufen hat (vgl. 1 Petr 2,9) die festigt Er mit seiner Gnade, damit sie in diesem Licht verbleiben, Er, der keinen verlässt, wofern Er nicht selbst verlassen wird.
Deshalb sind jene, die sich durch das Himmelsgeschenk des Glaubens der katholischen Wahrheit angeschlossen halben, durchaus nicht in der gleichen Lage wie jene, die von Menschenmeinungen irregeführt, Anhänger einer falschen Religion sind.“ (Dei Filius)
Mit wenigen, prägnanten und reifen Sätzen ist hier die rechte Richtung gesagt.
@zeitschnur:
„Wozu dieses rhetorische Feuerwerk, das in keinem Zusammenhang zu meinem Posting oben steht?“
Meine Überlegungen (wenn Sie darin primär Rhetorik sehen wollen, sei das Ihnen überlassen) entzündeten sich an Ihrem sehr wahren und wichtigen Wort, dass in der Treue zur vollen Katholizität „eine wesentlich größere ‚Kreativitätsspanne‘ möglich ist, als im temerären modernistischen ‚Kreativseinwollen‘“. Auch im Blick auf MisterX‘ „didaktischen“ Gedanken, wollte ich dies weiter konkretisieren und auf den Status quo bzw. mögliche Desiderate der Verkündigung anwenden. Dass sich dabei weitere Gedanken ergaben, die nicht direkt mit Ihrem Posting zu tun haben – sollte das verboten sein? Was mir auffällt, ist, dass Sie theoretisch gegen das „Psychologisieren“ angehen, in nicht wenigen Ihrer Entgegnungen aber persönlich werden und recht derb psychologisieren.
„Ich schrieb von der reinen Gnade Gottes. Dabei würde ich es gerne belassen.“
Nein, Sie schrieben eben nicht nur von der reinen Gnade, sondern auch von so etwas wie deren „Vorbedingungen“: „Jeder und jede ist heute verpflichtet, intellektuell und auch spirituell wirklich jede erdenkliche Mühe aufzuwenden“. Demgegenüber habe ich betont, dass extensive Begriffsklärung für die Mehrzahl der Gläubigen auch heute nicht das vordringlichste Gebot der Stunde sein kann, solange sie mit Inbrunst die Messe aller Zeiten besuchen und sich um die katholische Lehre, sei es durch einen guten Katechismus, sei es durch weitere Lektüre, bemühen.
Im übrigen ist das mit der „reinen Gnade“ so eine Sache. Auch bei denen, die über das theologische Rüstzeug verfügen, sich „jede erdenkliche Mühe“ zur Klärung der Begriffe zu geben, und dies auch tun, werden die Resultate nicht zwingend aus „reiner Gnade“ sein. „Alles ist Gnade“ – das sagt eine Hl. Therese von Lisieux auf ihrem Sterbebett; wir aber sollten damit vorsichtig sein – gerade um die Wirklichkeit echter Gnade nicht zu nivellieren.
Keine Nivellierung, aber auch keine „Vorbedingungen“ also: Nur Gott kennt die Herzen – und der Geist weht, wo er will. Der Geist macht auch nicht vor „Frontlinien“ und „Ideologien“ halt – schon gar nicht vor virtuellen. Sedisvakantismus scheint mir, im Gegensatz zur Position einer FSSPX, wenn nicht Ideologie, so zumindest ideelle Exzentrik zu sein. Dennoch wäre es töricht und verblendet, zu behaupten, dass sich Gott nicht auch der gläubigen Inbrunst eines Sedisvakantisten annimmt, ihm viele Gnaden, gerade auch Verstandesgnaden, schenkt. Pfarrer Milch hat in Nietzsches Dechiffrierung der vielen möglichen Verlogenheiten eines religiösen Lebens das Walten des Heiligen Geistes gesehen: das nenne ich mir einen weitherzigen, weitsichtigen „Traditionalisten“.
(Fortsetzung)
„(…) der Moment, in dem Menschen auftreten und sagen: wir wahren die Tradition, und unsere Gallionsfigur (sic) samt anderen Gallionsfiguren, m u s s irgendwann als ein zweiter Athanasius heiliggesprochen werden, dann ist bereits eine ideologische Frontlinie gezogen.“
Ich weiß nicht, auf wen Sie sich beziehen? Mir ist nicht bekannt, dass dies „Muss“ die allgemeine Haltung der FSSPX wäre, noch wäre sie die meine – der ich, übrigens, weder Pius- noch Petrus- noch sonst ein „Jünger“ bin.
„Nur pflegen Ideologen sich niemals als solche zu erkennen… im Gegenteil, wer ihnen widerspricht, wird keinen Frieden mehr haben…“
Wieder: auf wen spielen Sie an? Doch nicht etwa auf all jene, die Ihren intellektuellen Konsequenzen, die Sie bis zu oder hart vor den Sedisvakantismus führen, nicht folgen?
„Sagt nicht unser Herr, dass viele, die hier die ersten zu sein scheinen, vor IHM die letzten sind? Warten wir also getrost ab, wen Gott beruft… ER wird aber den Lehrer Lämpel nicht um seine erlauchte kleinliche Meinung fragen…“
Ganz mit Ihnen einverstanden, wenn Sie dieses wunderbare Wort unseres Herrn nur nicht gegen die Natur, die „Naturen“, die gottgeschenkten großen Begabungen richten wollen – wie es gerade unter den Verantwortlichen des modernistischen Kirchgemeindelebens so gern geschieht, um die eigene (nicht nur intellektuelle) Dürftigkeit in den „Glorienschein“ muffiger „Auserwähltheit“ zu kleiden.
Es geht mir um keine Galionsfiguren und, danke, ich glaube auch kein Lehrer Lämpel zu sein, aber darum geht es: dass die Gnade auf der Natur aufbaut und die Kirche auch jene stärker wieder anziehen muss (wie sie es früher überreich tat), die von Gott mit besonderen natürlichen Gaben gesegnet sind. Man braucht nur offenen Sinnes durch Rom zu gehen und zu sehen, wie sich die gute alte Kirche dort durch die Jahrhunderte manifestiert und verkörpert hat, um das Wort des hl. Thomas, „gratia supponit naturam et perficiat eam“, als ein Grundwort der Katholizität in seiner Tiefe auf dem Weg der Anschauung zu erfassen.
Des Hinweises, dass das I. Vatikanum „mit wenigen, prägnanten und reifen Sätzen“ die „rechte Richtung gesagt“ habe, hätte es bei mir nicht bedurft. Und natürlich kann ich zwischen den Zeilen lesen. Ihr zarter Wink war unnötig, da ich meine in Eile dahingeschriebenen Forumszeilen durchaus nicht überschätze.