(Vatikan) Mit der Umarmung, mit der Papst Franziskus am Ende der Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Papst Benedikt XVI. grüßte, habe die Zeit der „solidarischen Kohabitation“ in der Kirche begonnen, wie Vatikansprecher Lombardi am Montag meinte. Als „Kohabitation“ bezeichnet man in den Politikwissenschaften die politische Situation, wenn in Frankreich der Staatspräsident einer politischen Gruppe angehört, die Parlamentsmehrheit aber einer anderen.
Die Anwesenheit Benedikts XVI. „hat die Heiligsprechung von Roncalli und Wojtyla zu einem präzedenzlosen Ereignis gemacht“, wie der Vatikanist Giacomo Galeazzi schwärmte: „Befreit von jedem Formalismus und von jedem Protokoll hat Benedikt XVI. die Fäden der Volkstümlichkeit wieder geknüpft, und in der kollektiven Wahrnehmung die Wunden seines Rücktritts geheilt.“
Amtierender Papst zelebrierte, emeritierter Papst konzelebrierte
Benedikt XVI. konzelebrierte gemeinsam mit mehr als 150 Kardinälen und über 1000 Bischöfen aus der ganzen Welt bei der Heiligen Messe: „In der ganzen Geschichte hat die Welt noch nie einer einzigen Messe beigewohnt, die von zwei Päpsten zelebriert wurde, von einem amtierenden und einem emeritierten“, erfreut sich der Vatikanist an neuen Superlativen. 14 Monate nach seinem letzten Auftritt anlässlich seiner letzten Generalaudienz am 27. Februar 2013 kehrte der deutsche Papst auf den Petersplatz zurück. Seit seinem Amtsverzicht nahm er nur ein einziges Mal an einer öffentlichen Zeremonie teil, anlässlich der Kreierung neuer Kardinäle durch Papst Franziskus am 22. vergangenen Februar.
Benedikt XVI. eine „Ressource für Franziskus“?
Als Benedikt XVI. am vergangenen Sonntag den Petersplatz betrat und auf den Großbildleinwänden sichtbar wurde, sprangen die Leute von ihren Sesseln auf, frenetischer Applaus setzte ein und es wurde ein Chor von „Benedetto, Benedetto“-Rufen angestimmt. Papst Franziskus war zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Peterspatz. Durch die „Benedetto“-Rufe aufmerksam gemacht, ging er sofort zu seinem Vorgänger und begrüßte ihn nachdrücklich. „Zwischen Franziskus und Benedikt XVI. gibt es eine solidarische Kohabitation“, erklärte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi gestern den päpstlichen Doppelauftritt. „Die Umarmung auf dem Platz hat jeden Zweifel zerstreut: Ratzinger ist für Franziskus eine Ressource.“ So zumindest sieht es der begeisterte Vatikanist Giacomo Galeazzi und so wiederholte es auch Vatikansprecher Federico Lombardi, der sich einmal mehr bemühte, den Eindruck zu zerstreuen, der deutsche Papst werde „isoliert“ oder „in Klausur gehalten“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: RAI (Screenshot)