(New York) Ein Video über Jesus sorgt unter Juden für Aufregung. Messianische Juden von Jews for Jesus veröffentlichten ein dreiminütiges, historisierendes, fiktives Video über Jesus im NS-Konzentrationslager Auschwitz mit dem Titel: „Dieser Jude starb für dich“. Das Video zeigt Jesus mit seinem Kreuz in der Schlange der Todeskandidaten. Ein Mann der SS-Wachmannschaft schickt ihn bei der Selektion nach links in die Gaskammern. Das Video versteht sich nicht als historische Dokumentation, sondern als religiöser Denkanstoß.
Anti-Defamation League: „zynischer Mißbrauch des Holocaust“
Gegen das Video läuft die jüdische Anti-Defamation League (ADL) Sturm. ADL-Direktor Abraham Foxman sprach von einem „zynschen Mißbrauch des Holocaust“ mit dem Ziel, Gläubige abzuwerben. Laut Anti-Defamation League beleidige das Video alle Juden, die im Holocaust Angehörige verloren haben. Es beleidige aber „auch Christen“, da es Jesus „für Propaganda- und Schockzwecke“ mißbrauche.
Jews for Jesus ist eine Organisation des messianischen Judentums. Das 1973 in den USA gegründete Missionswerk bemüht sich Juden zum Christentum zu bekehren. Die Mitglieder von Jews for Jesus kommen aus dem Judentum und teilweise aus den Reihen der Evangelikalen.
Messianische Juden, eigenständige Richtung im Judentum
Die Messianischen Juden werden von jüdischen Organisationen nicht als Juden anerkannt. Vielmehr reagiert das offizielle Judentum gereizt auf diese Richtung. Sie werfen ihnen vor, eine christliche Sekte zu sein, die mit dem Judentum nichts zu tun habe. Mit dem Ziel der Judenmission hätten sie Elemente des Judentums mit dem Christentum vermischt. Der kanadische B’nai B’rith bezeichnete die messianischen Juden sogar als „antisemitisch“.
Die messianischen Juden beharren hingegen darauf, eine eigenständige Richtung im Judentum zu sein. Messianische Juden sind Juden, die Jesus Christus als Messias anerkennen, an Teilen des jüdischen Kultes festhalten, es aber ablehnen, sich als Christen zu bezeichnen. Sie sehen sich selbst, wenn auch ohne direkte Verbindung, in der Tradition der Judenchristen in der Frühzeit des Christentums.
Messianische Juden werden von übrigem Judentum abgelehnt
Die erste messianische Synagoge entstand Mitte des 19. Jahrhunderts unter bessarabischen Juden. Heute sind sie vor allem in den USA verbreitet. In Israel wird die Zahl der messianischen Juden auf 10–15.000 in etwa 100 Gemeinden geschätzt. Nach einem langen Rechtsstreit entschied der Oberste Gerichtshof (Oberrabbinat) Israels 2008, daß auch messianische Juden automatischen Anspruch auf die israelische Staatsbürgerschaft haben wie andere Juden. Laut israelischem Recht hat jeder, der nachweislich ein Jude ist, Recht auf einen israelischen Paß. Das Symbol der messianischen Juden aus Menora, Davidstern und Ichthys (für Christus) ist im Heiligen Land wegen seines synkretistischen Charakters an allen Souvenirläden zu sehen. In den vergangenen Jahren kam es in Israel neben der allgemeinen Ablehnung der messianischen Juden auch zu gewaltätigen Angriffen ultraorthodoxer Juden gegen messianische Juden (siehe Bericht Messianische Juden und Ultraorthoxe Juden – Richtungskampf im Judentum?).
Die Gesamtzahl der messianischen Juden wird weltweit auf 300.000 oder zweieinhalb Prozent aller Juden geschätzt. Im deutschen Sprachraum gibt es unter anderem mit Juden für Jesus einen Ableger der Organisation Jews for Jesus.
Katholische Kirche hält sich wegen jüdischer Empfindlichkeit auf Distanz
Gute Kontakte unterhalten messianische Juden zu Baptisten und Evangelikalen. Das hat seine Gründe. Sowohl die protestantischen Landeskirchen als auch die Katholische Kirche tun sich mit den messianischen Juden schwer. Aus Rücksicht auf die Empfindlichkeit des Judentums haben sie mehr oder weniger offiziell auf jede Form der Judenmission verzichtet. Aus diesem Grund bemühen sie sich auch um Distanz zu messianischen Juden, die als Belastung des christlich-jüdischen Dialogs empfunden werden. Messianische Juden finden sich daher zwischen allen Stühlen wieder. Sie werden vom Judentum als Bedrohung wahrgenommen und teils aggressiv bekämpft und vom Christentum nicht anerkannt, sondern verlegen ignoriert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Video (Screenhot)