(Vatikan/Buenos Aires) Nach einigem Zögern bestätigte der Vatikan das Telefongespräch von Papst Franziskus mit der Argentinierin Jaqueline Lisboa Sabetta (in ersten Berichten wurde der Familiennamen mit Zabeta angegeben). Am Dienstag machte die Nachricht die Runde, Papst Franziskus habe eine wiederverheiratet geschiedene Frau angerufen und ihr gesagt, sie könne entgegen der kirchlichen Lehre problemlos die Kommunion empfangen. Aus diesem Grund wurde die Echtheit zunächst bezweifelt und sogar spekuliert, die Frau sei das Opfer eines Witzboldes geworden, der sich als Papst ausgegeben habe. Die Realität ist jedoch ernüchternder.
Das Presseamt des Vatikans verweigerte zunächst jede Stellungnahme zum Telefonat. Es wurde weder bestätigt noch dementiert. Grund dafür war, daß dem Presseamt selbst keinerlei Informationen dazu vorlagen.
„Privates pastorales Gespräch“, daher keine offizielle Stellungnahme
Zwischenzeitlich wurde offenbar nachgefragt. Beim heutigen Pressegespräch bestätigte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi das Telefonat indirekt. Die päpstlichen Sonderaktionen bringen den Vatikan, vor allem die Presseabteilung in immer neue Verlegenheit. Um den Schaden unkontrollierter Medienberichte über angebliche Papstaussagen, die in offenem Widerspruch zur kirchlichen Lehre stehen, zumindest etwas einzudämmen, muß der Vatikan zu akrobatischen Strategien greifen.
Da der Papst die Argentinierin tatsächlich angerufen hatte, kann diese Tatsache nicht geleugnet werden. Vatikansprecher Lombardi versucht daher die Bedeutung der päpstlichen Telefonitis möglichst herunterzuspielen. Die Telefongespräche des Papstes seien „persönliche“ und daher „private pastorale Gespräche“ des Papstes, die in keinem Zusammenhang mit „seinem öffentlichen Wirken als Papst“ stünden. Die Lehre der Katholischen Kirche sei davon in keiner Weise betroffen, weshalb es für den Vatikan keinen Anlaß und keine Notwendigkeit gebe, „offiziell dazu Stellung“ zu nehmen.
Verwirrende angebliche Aussagen des Papstes bleiben unwidersprochen im Raum
Die Argumentation, zu der Pater Lombardi notgedrungen Zuflucht nimmt, wirkt ziemlich konstruiert. Kann es eine Privatperson Papst Franziskus geben, dessen Aussagen und Handlungen mit seinem Amt und seiner Würde als Stellvertreter Christi auf Erden nicht zu tun haben? Wie läßt sich sein „privates“ Handeln von einem „öffentlichen“ unterscheiden? Vor allem aber: Unterscheiden die Menschen zwischen „privaten“ und „öffentlichen“ Aussagen des Papstes? Was zumindest die Opportunität solcher Aktionen aufwirft.
Dessen scheint man sich im Vatikan durchaus bewußt zu sein und ist davon ziemlich unangenehm berührt. Es laut auszusprechen wagt jedoch kaum jemand. „Er ist der Papst“. Ein bekannter argentinischer Theologe, José Carlos Caamano, der von argentinischen Medien bereits gestern zu dem umstrittenen Telefonat befragt wurde, reagiert auffallend zögerlich, sobald er hörte, daß der Anrufer Papst Franziskus gewesen sei. Die Hemmschwelle öffentlich dem Papst zu widersprechen, ist in der Kirche groß. Sie dient konkret jedoch nicht der Klarheit.
Vatikan überläßt Interpretationshoheit dem Ehepaar Sabetta und den Medien
Unterm Strich wird dem Ehepaar Sabetta die alleinige Auslegungshoheit über das Telefongespräch und angebliche Aussagen des Papstes überlassen. Für die Sabettas ist Papst Franziskus ein „Superstar“. Sie behaupten ziemlich wirre und verwirrende Dinge. Der Papst habe sich über glaubenstreue Priester lustig gemacht und sie „päpstlicher als der Papst“ herabgewürdigt. Er habe entgegen der kirchlichen Lehre behauptet, daß wiederverheiratet Geschiedene problemlos die Heilige Kommunion empfangen könnten. Daß es wichtig sei, in diesem Sinn die Diskussion in den Vatikan hineinzutragen, mit der offenkundigen Absicht, etwas zu verändern. Und die „pastorale“ Empfehlung an wiederverheiratet Geschiedene, denen von einem Priester gemäß Kirchenrecht die Kommunion verweigert wird, einfach zu einem anderen Priester zu gehen.
Päpstliches Lehramt wie Treibsand?
Traditio Catholica schrieb zum Vorfall: „Die katholische Welt scheint an der Schnur eines Telefons zu hängen. Hat der Papst wirklich das Telefonat geführt und gesagt, was behauptet wird? In dieser Osterwoche müssen Katholiken mit Tränen in den Augen mitansehen, auf welche Stufe das Pontifikat hinabgesunken ist. Ob das Telefonat nun stimmt oder nicht, ist nicht entscheidend. Schlimmer ist, daß solche verwirrenden Nachrichten überhaupt möglich sind und jeder den Papst und das kirchliche Lehramt dazu beliebig auf seine Seite ziehen kann. Welche Leistung aber sollte es sein, aus dem päpstlichen Lehramt eine Sandkiste zu machen? Man greift nach der Lehre, doch sie zerrinnt zwischen den Fingern wie Treibsand.“
Warum klärt Presseamt „Mißverständnisse“ nicht auf?
Vatikansprecher Lombardi weigert sich, den Inhalt des Telefonats zu klären und kommentieren. Medienberichte darüber würden „in die Irre führen“ und seien „Quelle von Mißverständnissen“. Wenn dem so ist, dann bestünde die objektive Notwendigkeit, die Angelegenheit zu klären. Genau das aber geschieht nicht. Warum eigentlich nicht? Was kostet es den Vatikansprecher die kirchliche Lehre zur Frage kurz zusammenzufassen und zu bekräftigen? Kann es einen Widerspruch zwischen der kirchlichen Lehre und dem geben, was der Papst als Seelsorger sagt und tut?
Umstrittene Art, wie Papst Franziskus sein Pontifikat ausübt
Oder geschieht die Richtigstellung nicht, weil die behaupteten Aussagen tatsächlich vom Papst so gesagt wurden und daher ohne Gesichtsverlust für den Papst nicht dementiert werden können? Oder weil Papst Franziskus gar kein Dementi wünscht, weil das Gesagte seiner Überzeugung entspricht, die er in der Kirche durchsetzen will?
Eine bestimmte Art und Weise, wie Papst Franziskus sein Pontifikat ausübt, stößt immer neu an seine Grenzen. Mehr noch, es durchbricht sie auf unkontrollierbare Weise. Klare Dementi und unmißverständliche Klarstellungen durch das Presseamt des Vatikans wären ein Gebot der Stunde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Capital (Screenshot)