(Wien) In der katholischen Topographie gibt es verstreut über das Land geistliche Zentren, die weithin ausstrahlen. Es sind nicht viele, aber es gibt sie. Einer dieser Orte ist der österreichische Wallfahrtsort Sonntagberg in der Diözese Sankt Pölten. Der Wallfahrtsort ist seit dem 15. Jahrhundert bezeugt und wird von der nahegelegenen Benediktinerabtei Seitenstetten betreut. Wenn heute der Sonntagberg als geistliches Zentrum für Exerzitien, Einkehrtage, Gebetstreffen und Sternwallfahrten bekannt ist, dann ist das allerdings nicht so sehr den Benediktinern zu verdanken, sondern der Initiative eines katholischen Laien. Der Wiener Unternehmensberater Joseph von Doblhoff übernahm 1992 von der Gemeinde Sonntagberg das seit vielen Jahren aufgelassene und heruntergekommene alte Pilgerhospiz neben der Wallfahrtskirche.
Das Hospiz stammt in seinem Kern noch aus dem 13. Jahrhundert. Von 1522–1802 hatte die ehemalige Gastwirtschaft mit Herberge dem Kloster Seitenstetten gehört, dann kam es in Privatbesitz mit häufigem Besitzerwechsel. Vor dem Ersten Weltkrieg zum Hotel ausgebaut, wurde es in der Zwischenkriegszeit als katholisches Studentenlandheim genutzt und nach dem Krieg wieder in ein Hotel umgewandelt. 1970 wurde es nach einem Konkurs notgedrungen von der Marktgemeinde Sonntagberg übernommen, die es seither im Sinne einer „nützlichen Verwendung“ zu veräußern suchte. Da kam der gläubige Katholik Doblhoff wie gerufen.
Der Aufbau eines Exerzitienhauses in schwieriger Zeit
Doblhoff, verwandt mit Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn und Vorstands- und Redaktionsmitglied von Vision 2000, begann, gefördert vom damaligen Diözesanbischof Kurt Krenn (1991–2004), mit der „mustergültigen Renovierung der Bruchbude“ (Gemeinde Sonntagberg) ein geistliches Einkehrzentrum und Seminarhaus zu schaffen. Der Sonntagberg entwickelte sich rasch zu einem geistlichen Bezugspunkt für den österreichischen Donauraum. Seit 2009 wird das Exerzitienhaus von der Gemeinschaft Foyer de Charitਠgeführt. Die 1936 von der stigmatisierten Mystikerin Marthe Robin in Frankreich gegründete Gemeinschaft zählt heute weltweit etwa 80 solcher Häuser. Geistlicher Leiter als „Foyervater“ ist Pater Ernst Leopold von Strachwitz.
Die positive Entwicklung des „Hauses am Sonntagberg“ und seine geistliche Ausstrahlung riefen innerkirchliche Neider auf den Plan. Die „konservative Prägung“ des Hauses wurde kritisiert. Und weil „konservativ“ noch ein zu bescheidenes „Schimpfwort“ ist, wußten österreichische Medien mit parteiischem Zungenschlag bald von „erzkonservativen Kreisen“ zu berichten, die den Sonntagberg zur „Prozession des traditionalistischen Lagers“ machen würden.
Von „konservativen“ Feindbildern und wie man Prügel vor die Füße legt
Damit begann der innerkirchliche Kampf zwischen „Progressiven“ und „Konservativen“. Die christdemokratisch geführte Landesregierung von Niederösterreich, stets um Distanz zu Bischof Krenn bemüht, beklagte plötzlich vordergründig, daß die Landesfördermittel für die Renovierung nicht für die Wiederbelebung eines Hotels, sondern für ein Exerzitienhaus verwendet worden seien und verlangte Rückzahlungen. 2003 konnte eine drohende Zwangsversteigerung durch eine Spendenaktion noch einmal abgewendet werden. Einige Jahre später konnte der von Doblhoff gegründete Verein der Freunde des Sonntagbergs, der auf die Unterstützung der Bischöfe hoffte, trotz großer Bemühungen, die Außenstände nicht mehr tragen. Unter Krenns Nachfolger, Bischof Klaus Küng, mit besserem Kontakt zur Landesregierung, wurde das Haus schließlich der Gemeinschaft Foyer de Charité anvertraut.
Der neue Abt: Hochaltar „paßt nicht in heutige Zeit nach dem Konzil“
Mit der im März 2013 erfolgten Wahl von Petrus Pilsinger zum neuen Abt von Seitenstetten bekam der Konflikt um den Sonntagberg eine neue Dimension. Der Abt erklärte die „Modernisierung“ des Sonntagberges zu einem seiner Hauptziele. Die Benediktinerabtei ist wegen ihres progressiven „Geistes“ bekannt.
Der Vorgänger Pilsingers, Abt Berthold Heigl (1984–2013), war ein strammer Krenn-Gegner. Als „Sternstunde“ seiner Amtszeit nannte Heigl einen „gemeinsamen Gottesdienst mit Moslems, die eine Sure aus dem Koran lasen“. Wegen der enormen Erhaltungskosten für das Kloster sind auch die Seitenstettener Äbte um gute Kontakte zur Landesregierung, zu den Medien und einen breiten Konsens in der Bevölkerung bemüht, weil von dort das Geld kommt. Das verlangt, daß sie sich öffentlich immer neu von dem distanzieren, was als kirchlich „konservativ“ gilt.
Der neue Abt Pilsinger, von Medien als „offen“ und „nicht dogmatisch“ gelobt, will den „konservativen“ Einfluß am Sonntagberg zurückdrängen, indem die Benediktiner als „Hausherren“ das Heft selbst in die Hand nehmen. Dazu gehören umfassende Renovierungen in der barocken Wallfahrtskirche, die der Abt umgehend in Auftrag gab. Anlaß ist das Doppeljubiläum im Jahr 2014: 400 Jahre Gnadenbild und 50 Jahre Erhebung zur Basilika minor. In die Renovierungsarbeiten versteckt sind auch einige tiefgreifende Umbauarbeiten.
Kommunionbank herausgerissen, Altar aus dem Altarraum hinausgestellt
Wer den Sonntagberg besucht, kann die „Narben“ der herausgerissenen Kommunionbank sehen, die den Altarraum vom Kirchenschiff abtrennte.
Für Abt Pilsinger paßt der Hochaltar „nicht mehr in die heutige Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil“, wo der Priester den Gläubigen „den Rücken zukehrt“. Er schrieb deshalb „einen Wettbewerb“ zur Neugestaltung des Altarraumes aus. Wenn der Hochaltar von Melchior Hefele, der von 1750 bis 1769 das Innere der Wallfahrtskirche gestaltete, erhalten bleibt, ist es mehr dem österreichischen Bundesdenkmalamt zu danken als dem Benediktinerabt. Dabei steht schon seit Jahrzehnten ein beweglicher „Volksaltar“ im Altarraum.
Nun aber wird der Altar ganz aus dem Presbyterium herausgenommen und in das Kirchenschiff hineingerückt. Am 15. Juni soll der neue „Volksaltar“ eingeweiht und damit, laut Abt Pilsinger, die „Distanz zu den Gläubigen“ verkürzt werden. Mit dem neuen Altar „soll zum Ausdruck kommen, daß wir alle gemeinsam den Gottesdienst feiern“, so der altarraumzertrümmernde Abt. Umbauaktivismus soll eine geistliche Leere und Sprachlosigkeit kompensieren. Gott hat sich durch seine Menschwerdung, sein Opfer am Kreuz und die Einsetzung des Altarsakraments auf maximale Weise dem Menschen genähert und die „Distanz verkürzt“. Einen minimalen Schritt auf Gott zu, muß aber der Mensch setzen. Er kann durch Umbauarbeiten nicht „verkürzt“ werden.
„Kirchen werden gegen den Willen der Gläubigen ruiniert“
Im vergangenen Januar schrieb die katholische Montagszeitung Der Dreizehnte: „Die Kirchen werden gegen den Willen der einfachen Gläubigen ruiniert. Vom Sinn der Ostung des Hochaltars haben offensichtlich unsere Priester keine Ahnung mehr“.
Der Altarraum, den die Ostkirchen als heiligen Ort bis heute hinter einer Ikonostase verbergen, verliert am Sonntagberg durch das Hinausrücken zur Gänze seine Bedeutung. Die Renovierung kostet „einige Millionen“ wie Abt Pilsinger gegenüber den Medien erklärte. Daß dabei auch Geld für unnötige, entsakralisierende Umbauarbeiten verschwendet wird, stört den Abt nicht. Er sieht darin vielmehr eine Aufgabe. Eine Zusammenarbeit mit dem „zweifelsfrei konservativen“ Foyer de Charité will er suchen, denkt aber auch darüber nach, den großen Pfarrhof in eine eigene „Pilgerherberge“ umzubauen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Seitenstetten/Giuseppe Nardi