(Port Moresby) Im Zuge der Vorbereitung der Bischofssynode zur Familie (2014 und 2015) gibt es von verschiedener Seite erhöhten Druck mit der Absicht, die katholische Ehelehre aufzuweichen. Weil auch viele Christen sich nicht mehr an die kirchliche Morallehre halten, solle die Lehre dem Verhalten dieser Menschen angepaßt werden. In diesem Zusammenhang ist es interessant die traditionellen Sitten nicht-christlicher Völker kennenzulernen. Deren Defizite lassen den Schatz erkennen, den die christlichen Völker besitzen. Der PIME-Missionar Giuseppe Filandia schildert die Situation auf Papua-Neuginea, genauer gesagt auf den Trobriand-Inseln. Papua-Neuguinea wurde 1975 von Australien unabhängig. Die Katholische Kirche ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges dort präsent. Die katholischen Missionare des Päpstlichen Instituts für die auswärtigen Missionen (PIME) kehrten erst 1981 dorthin zurück, wo der selige Giovanni Mazzucconi 1855 das Martyrium erlitt. Mazzucconi war 1850 zum Priester geweiht worden und für das PIME nach Ozeanien gegangen. Im Alter von erst 29 Jahren wurde er auf der Insel Woodlark von Einheimischen in odium fidei ermordet. 1984 wurde er von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Sein Gedenktag ist der 7. September. Der Aufsatz von Pater Filandia erschien 1994 in einer Missionszeitschrift.
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Der „freie Sex“ der Trobriander
Die Trobriand-Inseln in der Salomonsee liegen vor dem äußersten Südostzipfel von Papua-Neuguinea. Die Gesamtfläche der insgesamt 21 Inseln, die nicht alle bewohnt sind, entspricht in etwa jener des Fürstentums Liechtenstein. Gleiches gilt mit fast 30.000 Einwohnern für die Bevölkerungsdichte. Die Hauptinsel Kiriwina, etwa 50 Kilometer lang und sechs Kilometer breit, umfaßt fast vier Fünftel des Territoriums. Dort leben mehr als 90 Prozent aller Einwohner. Die Volkskundler, darunter Bronislaw Malinowski und Margaret Mead, nannten sie die „Liebesinseln“. Mead (1901–1978), eine Verfechterin des Kulturrelativismus, wurde mit ihren Studien über Kiriwina zur einer Wegbereiterin der sexuellen Revolution
Auf den Trobriand-Inseln ist das Fehlen jeglicher Moralregel im Verhältnis zwischen Mann und Frau fast institutionalisiert. Eltern und Verwandte sorgen dafür, daß die jungen Generationen Sexualkontakte nach Stammestradition haben. In ihrer Kultur gibt es nichts, was einer moralischen Erziehung entspricht. Die Kinder und Jugendlichen werden nicht auf die Bedeutung eines Lebens zu zweit vorbereitet. Das Sexualverhalten gilt als Spiel, das die Kinder bereits ab dem siebten, achten Lebensjahr einüben, weil sie es so von den anderen sehen und sie niemand daran hindert. Es fällt den Onkels mütterlicherseits zu, das kleine Mädchen zu finden, mit der ihr ebenso kleiner Neffe die Nacht verbringen kann. Sie nennen das Mädchen scherzhaft „die Braut“. Es kann das Mädchen eines anderen Clans sein. Es kann aber auch die eigene Schwester oder Tochter sein. Die fünf‑, sechsjährigen Kinder sehen das Verhalten der älteren Brüder und Schwestern und beginnen sie nachzuahmen. Bereits die Kleinsten nehmen an allen Dingen der Gemeinschaft teil, an den Spielen, den Gesängen, Tänzen, Festen, Erzählungen. Sie sehen alles und folgen dem, was sie sehen.
Selbstmorde und Sextouristen
Trotz dieses „erzieherischen“ Vorbildes sind nicht alle Mädchen und Frauen einverstanden, zum Lustobjekt ihrer Brüder, ihres Vaters, Großvaters oder Sohnes zu werden. Die Folge sind Selbstmorde, indem sich sie sich von hohen Kokospalmen in die Tiefe stürzen. Die Insulaner geben die Schuld dafür bösen Geistern.
Es wird verständlich, daß es für einen christlichen Missionar in einem solchen kulturellen Kontext nicht leicht ist, über die Reinheit und die Keuschheit zu sprechen, und die Vorbereitung auf die christliche Ehe ein besonders steiniger Weg ist. Die Sache wird um so schwieriger, wenn Touristen die Inseln besuchen, angelockt von der „sexuellen Freizügigkeit“, und sich als Christen ausgeben, obwohl sie in Wirklichkeit keine sind. Sie erwecken unter den Trobriandern den irrigen Eindruck, daß Christstein mit dem Verhalten von Sextouristen deckungsgleich sei.
Und doch verändert sich auch die ungewöhnliche Kultur dieser Inseln, wenn der Missionar im festen Vertrauen auf die Gnade Gottes und die Kraft des Evangeliums sein Leben einsetzt, damit auch auf diesen Inseln am Ende der Welt die Familie der Grundstock wird, das Reich Gottes zu errichten.
Euphemismus „Liebesinseln“
Trotz des Euphemismus „Liebesinseln“, den westliche Ethnologen erfanden, erfolgen auf den Inseln Hochzeiten nicht aus Liebe, sondern aus reinem materiellem Interesse. Eine Frau heiraten, bedeutet für den Mann wirtschaftliche Sicherheit. Für die Frauen reduzieren sich die Gründe für eine Hochzeit auf den Faktor Sicherheit und darauf, daß sie so zu ihrem eigenen Häuschen und einem Herd kommt, die ihr „Reich“ sind. Eine Erziehung der Kinder gibt es nicht. Der Vater überläßt diesbezüglich alles seinen Schwägern, wie es die Stammestradition vorsieht, und die Schwäger kümmern sich, ebenso nach Stammestradition, nicht darum. Die Kinder wachsen daher ohne Moralgrundsätze und ohne Werte völlig zügellos auf. Sie tun, was sie wollen und werden von niemandem dafür gemaßregelt. Die Stammestradition ist sehr freizügig zu dem, was wir das Böse nennen, etwa Rache, Arroganz, Diebstahl, Betrug, Täuschung, Selbstjustiz und jede andere Form von unmoralischem Verhalten.
Der Mann hat keine Kinder
Laut den Stammesvorstellungen hat der Mann keinen Anteil an der Geburt der Kinder. Es seien besondere Geister, die den Frauen die Kinder geben und zwar über deren Köpfe. Aus dem Grund empfindet der Mann auch keinerlei Verantwortung oder Anteilnahme an der Fortpflanzung, Geburt, Versorgung und Erziehung der Kinder. Der Mann hat keine Kinder. Männer, die manchmal arbeitsbedingt für Jahre von ihrer Frau getrennt sind, wundern sich daher nicht, daß die Frau bei ihrer Rückkehr zwei, drei Kinder mehr hat. Für die Versorgung sorgen die Brüder, sie müssen die Hälfte der Ernte für ihre Schwestern abliefern (und damit deren Kinder mitversorgen).
Ich weise auf das Elend dieser Menschen in den Beziehungen zueinander hin, um – sollte es notwendig sein – aufzuzeigen, wie wunderbar unsere katholische Moral ist, die eine sichere Verteidigung des Lebens in jeder Lebensphase ist, die Liebe ist in der Beziehung von Mann und Frau und die mit der Familie einen stabilen, generationenübergreifenden Ort schafft. Es löst Mitleid aus, unsere Jungen und Mädchen von Trobriand zu sehen, die blindlings bestimmten Stammessitten folgen, ohne je zu verstehen, was wahre Liebe, der Sinn des Lebens und das Einswerden im Fleisch ist.
Die Familie von Trobriand ist zwar monogamisch, aber damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten mit der christlichen Familie. Der König, seine engsten Verwandten und die Stammesältesten haben das Privileg, sich mehrere Frauen zu nehmen. Ihr Reichtum ergibt sich zwangsläufig aus den Abgabepflichten der Brüder für ihre Schwestern. Die Dorfältesten müssen sich mit zwei Frauen begnügen. Wenn der polygame König ein Mädchen zur Frau haben will, kann sich ihm niemand widersetzen. Auf Widerstand steht die Todesstrafe.
Nur wenige zur Kommunion zugelassen
Rache erfolgt nicht in der Öffentlichkeit, sondern über obskure, geheime Wege, vor allem mittels Gift und Schadensmagie. Wenn die jungen Leute entscheiden, zu heiraten, hätten sie – zumindest theoretisch – heute die Pflicht, sich die Treue zu schwören und damit von ihren gewohnheitsmäßigen Sexspielen abzulassen. In der Theorie geschieht es auch so, doch der Ehebruch ist noch immer weitverbreitet und akzeptiert. Bestenfalls wenn öffentlich gegen jemanden wegen Ehebruchs Anklage erhoben wird, inszeniert man etwas öffentliches Spektakel, um das Gesicht zu wahren, der Schuldige zahlt ein Bußgeld und dann geht alles wieder seiner Wege.
In diesem Umfeld versuchen wir das Evangelium zu verkünden und in die Herzen und Köpfe der Menschen eindringen zu lassen, damit es die menschenfeindliche alte Stammeskultur überwindet. Die örtlichen Verhältnisse bedeuten auch, daß nur ganz wenige das Sakrament der Ehe eingehen und die Heilige Kommunion empfangen können. Angesichts fehlender geistlicher und moralischer Werte scheint es uns völlig unangemessen, ja geradezu leichtsinnig, sie eine Ehe schließen zu lassen, von der von vorneherein klar wäre, daß sie gebrochen würde. Die Evangelisierung ist schwierig. Wir bemühen uns Kurse abzuhalten, um die ganze Familie zu formen. Meist nehmen nur sehr wenige daran teil, weil ihnen das Verständnis für Sinn und Notwendigkeit fehlt.
Die Katholische Kirche ist seit 50 Jahren wieder auf den Inseln präsent. Das ist eine verhältnismäßig kurze Zeit, zu kurz, um Stammestraditionen zu verändern. Wir säen, ohne wahrscheinlich die Früchte zu sehen.
„Liebesinseln“ eine menschliche Wüste
Die „Liebesinseln“, sind trotz des verlockenden Namens in Wirklichkeit eine menschliche Wüste, die nur jene nicht sehen können, die sich auf dieselbe instinktgeleitete Ebene der zwischenmenschlichen Gleichgültigkeit begeben. Eine Gefahr für Menschen aus dem Westen, die auf die Inseln kommen, weil sie nur einen „spannenden“, weil kurzen Ausstieg aus dem Alltag sehen, in den sie dann zurückkehren.
Wer die triste Realität der Trobriand-Inseln kennt, sollte sich glücklich schätzen, in einer christlichen Familie leben zu dürfen. Darum bitte ich alle Leser um ein Gebet für unser Volk hier auf den Inseln und insgesamt in Papua-Neuguinea. Auf Trobriand herrscht keine christliche Kultur. Die zersetzenden Auswirkungen sieht man nicht auf den Touristenkarten und findet sie auch nicht in den Romanen und Fernsehdokumentationen, sehr wohl aber im konkreten Alltag eines Volkes, das das Evangelium noch kaum kennt. Wie glücklich müssen sich die Völker schätzen, die es kennen und weit weg sind vom Elend des Heidentums.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
Ein sehr interessanter Bericht. Unsere Kirchenfürsten werden aber kaum aufzuhalten sein, die Ehe zu demolieren. Bergoglio wird sicher damit einverstanden sein.