(Paris) „Jede Epoche der Geschichte hat ihren repräsentativen Mann. Der heilige Ludwig IX. faßt das Mittelalter zusammen. Er war ein Gesetzgeber, ein Held und ein Heiliger. Mark Aurel verkörperte die Macht vereint mit der Philosophie, Ludwig IX. die Macht vereint mit der Heiligkeit. Und gerade letztere tritt bei ihm in den Vordergrund.“ Die Worte von François-René de Chateaubriand mögen etwas frankreichlastig sein. Ein bedenkenswerter Anstoß im Umgang mit der Geschichte und diesen repräsentierenden Gestalten sind sie dennoch.
Am kommenden 25. April jährt sich der 800. Geburtstag eines heiligen Königs, Ruhm der Kirche und der Christenheit, Vorbild eines christlichen Herrschers, wirklicher Monarch nach dem Willen Gottes: des heiligen Ludwig IX. von Frankreich (1214–1270). Ein König, der in seiner Person, die als „süßer Frühling des Glaubens“ bezeichnet wird, das christliche Mittelalter verkörpert.
Er war der Sohn von Ludwig VIII. von Frankreich und Blanka von Kastilien, der Tochter, Enkelin, Frau, Schwester und Tante von Königen. Blanka war die Tochter von König Alfons IX. von Kastilien, dem Maurenbesieger in der Schlacht von Las Navas de Tolosa (1212), die den Weg zur Reconquista der südlichen iberischen Halbinsel freimachte. Sie war die Enkelin von König Sancho III. von Kastilien, Nichte der englischen Könige Richard Löwenherz und Johann Ohneland, Ehefrau von König Ludwig VIII. von Frankreich, Schwester von König Heinrich von Kastilien, Tante von König Sancho II. von Portugal und dem heiligen Ferdinand III., König von Leon und Kastilien und Mutter von König Karl I. von Neapel und Sizilien und des heiligen Ludwig IX., König von Frankreich. Ein hocharistokratisches, europäisches Netzwerk, in dem trotz der Herausbildung von Herrschaften und Königreichen mit einer Bevölkerung unterschiedlicher ethnisch-kultureller Prägung auf Herrscherebene noch eine weitgehend intakte frühmittelalterliche germanische Einheit zum Ausdruck kam.
Geboren 1214 im Jahr der für Frankreich schicksalhaften Schlacht von Bouvines
Der heilige Ludwig wurde auf Burg Poissy etwa 30 Kilometer von Paris entfernt am 15. April 1214 geboren. Damals lebte noch sein Großvater König Philipp II. August von Frankreich, der Sieger in der für Frankreich entscheidenden Schlacht von Bouvines (1214) gegen die englisch-deutsche Koalition, in der er den Bestand Frankreichs rettete, die Ausdehnung Englands auf dem Kontinent stoppte und das Kaisertum von den Welfen auf die Staufer übergehen ließ.
Die Kindheit des heiligen Ludwig war ein Spiegelbild von Ehrlichkeit und Weisheit. Sein Vater, der mit dem Eifer für die Religion auch ritterlichen Mut vereinte, wurde mit dem Übernamen „der Löwe“ geehrt. Er war in besonderer Weise um die Erziehung seines Sohnes bemüht und gab ihm exzellente Lehrer und Erzieher zur Seite, so Matthias II. von Montmorency, der Connétable von Frankreich und damit ranghöchster Adeliger im Dienst des Königs war; Wilhelm von Barres, der Graf von Rochefort, der nach der Schlacht von Bouvines als „Tapferster der Tapfersten“ geehrt wurde und Klemens von Metz. Alle drei waren Heerführer des Großvaters und des Vaters gewesen. Sie waren aber auch gebildete Männer und erzogen den Kronprinzen in den humanistischen Fächern und vermittelten dem König vor allem die Liebe zur Kirche.
Seine Mutter, Blanka von Kastilien scheute keine Mühe, ihn zu einem Gott wohlgefälligen Leben und zu einem weisen König zu erziehen. Überliefert ist ihr Satz: „Mein Sohn, ich wünschte Dich lieber im Grab, als mit einer einzigen Todsünde befleckt.“ Gegen Ende ihres Lebens, zog sich Blanka in die von ihr gegründete Zisterzienserinnenabtei von Maubuisson zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1252 ein Leben des Gebets und der Buße führte.
Salbung und Krönung im Alter von zwölf Jahren
Durch den frühzeitigen Tod des Vaters, der im Alter von 40 Jahren in Montpellier auf dem Rückweg vom Kreuzzug gegen die häretischen Albigenser starb, bestieg der junge Heilige den Thron noch minderjährig. Die Regentschaft führte seine Mutter. Der Treue von Matthias II. von Montmorency, dem Oberbefehlshaber der Armee, war es zu danken, daß in dieser kritischen Phase der Thron nicht gegen einen aufmüpfigen Adel verlorenging, die interne Konflikte anzettelten, um die Jugend des Königs für ihre Machterweiterung auszunützen.
Am 30. November 1226 wurde Ludwig IX. in Reims im Alter von nur zwölf Jahren zum König gesalbt und gekrönt. Ludwig ging aus den internen Kämpfen siegreich hervor und erwarb sich durch seinen Mut und seine Klugheit schnell Respekt.
Glückliche Ehe mit Margarete von der Provence
Am 27. Mai 1235 heiratete er Margarete von der Provence (1221–1295), die Tochter von Raimund Berengar V., Graf der Provence und Enkel König Alfons II. von Aragon. Ihre Mutter war Beatrix von Savoyen, die Tochter von Graf Thomas I. von Savoyen und von Beatrix von Genf. „Die Gnade Gottes und die Natur“, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt, hatten die Königin in jeder Hinsicht mit Perfektion beschenkt. Im Laufe eines langen und harmonischen Ehelebens wurden dem Königspaar elf Kinder geboren, sechs Söhne und fünf Töchter.
Margarete begleitete ihren jungen Mann auf seine erste Afrika-Expedition, den nach deutscher Zählweise Sechsten Kreuzzug. Nach dem Tod ihres Mannes zog sich die Königin 1270 in ein Klarissenkloster ihrer heimatlichen Provence zurück, wo sie am 20. Dezember 1295 im Ruf der Heiligkeit starb. Bekannt wurde sie als „Mutter der Armen“. Ihr Leichenzug zur Abtei Daint Denis, der Grablege der Könige, wo sie an der Seite ihres Mannes beigesetzt wurde, wurde von einer großen Menge von Bettlern und Armen begleitet, die sie verehrten.
Erziehung der Kinder im Glauben
Der heilige Ludwig erzog seine Kinder gemeinsam mit Margarete persönlich. Im Mittelpunkt seiner Erziehungstätigkeit stand die Verachtung weltlicher Eitelkeiten und die Liebe zu „Beau Sire Dieu“. Die königliche Familie nahm täglich an der Heiligen Messe teil und betete das marianische Stundengebet. Nach dem Abendessen wurde in der Kapelle gemeinsam die Komplet gebetet, anschließend versammelte der König die Familie in seinem Zimmer und gab eine geistliche Unterweisung. Jeden Freitag hielt die königliche Familie das Fastengebot der Fleischlosigkeit und der Abstinenz vom Alkohol. An Freitagen trug der König nie seine Krone, weil Jesus Christus zum Spott die Dornenkrone tragen mußte.
Eine Reihe von geistlichen Schriften des Königs sind erhalten geblieben, darunter Anleitungen an seine Tochter Isabella, die Königin von Navarra. Diese Texte gelten als so vorbildliche geistliche Unterweisungen, daß sie in einige Handbücher der Moraltheologie übernommen wurden.
Weiser Herrscher
Ludwig war nicht nur ein weiser Erzieher seiner Kinder, sondern auch ein bewundernswerter Herrscher, der mit großer Klugheit die Regierungsgeschäfte führte. Während seiner Herrschaft erlebte Frankreich eine lange Periode des Friedens und des Wohlstandes. Er leitete eine moralische Erneuerung seines Landes sein, indem er sich bemühte Lebenswandel und Sitten zu heben. Fehlverhalten stellte er unter strenge Strafe, besonders das Fluchen. Die Strafen dafür waren so streng, daß Papst Klemens IV. den König um Abmilderung ersuchte. Er bemühte sich die Unsitte des Duells auszumerzen, die meist der Eitelkeit und anderer Nichtigkeiten wegen sinnloses Blut forderte. Gleiches versuchte er gegen das Glücksspiel, das ganze Familie in schlimmste Not stürzte, gegen die Freudenhäuser und andere Übel, durch die er die Seelen seiner Untertanten vergiftet sah.
Oberster Richter und gerechter Verwalter
Der heilige Ludwig IX. legte besonderen Wert auf Ehrlichkeit in der Verwaltung des Staates und der Anwendung der Gesetze. Den von ihm ernannten Richtern und Amtsträgern verbot er den Erwerb von Staatsbesitz und die Anstellung von Kindern und engen Verwandten. Der König schuf einen neuen Gerichtshof von ihm ausgewählten Richtern, deren Aufgabe darin bestand, Urteile der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu überprüfen, um Unrecht zu vermeiden. Sollte ein Irrtum oder ein Mißbrauch geschehen, legte er sich zunächst selbst als oberstem Richter des Reiches eine Buße auf und bestrafte dann die Schuldigen. Er zwang sie eine eventuelle res furtiva zurückzuerstatten oder jenen Schadenersatz zu leisten, die zu Unrecht verurteilt worden waren. Schuld war für den König immer eine persönliche Schuld. Wenn ein Richter oder Amtsträger ein untadeliges Verhalten in seinem Amt unter Beweis stellte, wurde er umgekehrt vom König ausgezeichnet und belohnt.
Wenn er in eine Gegend kam, kam es mehrfach vor, daß der König selbst zu Gericht saß, um seinen Richtern zu zeigen, was ein gerechter und weiser Richter ist.
Eifer für den rechten Glauben
Der König bemühte sich nicht nur darum, moralische Zerrüttung zu beheben, sondern auch die Häresie auszumerzen und den Glauben zu verteidigen. Ludwig war ein großer Freund und Förderer der jungen Orden der Dominikaner und der Franziskaner, die er für ein Instrument der Vorsehung betrachtete, um die Seele der Menschen vor dem Glaubensabfall zu retten. Er selbst schloß sich als Tertiare dem Franziskanerorden an. Im Verborgenen ohne nach außen Sichtbarkeit zu zeigen, trug er unter den Königsgewändern bis zu seinem Tod die grobe Kutte des Heiligen Franz von Assisi. Häufig und gerne lud er große Theologen und Heilige zum Abendessen wie den heiligen Thomas von Aquin und den heiligen Bonaventura.
Er erwarb von Kaiser Balduin II. von Konstantinopel die Reliquie der Dornenkrone. In Paris ließ er für ihre würdige Aufbewahrung die Sainte Chapelle errichten, die ein Juwel gotischer Baukunst ist.
Der Sechste Kreuzzug
1245 erkrankte Ludwig so schwer, daß sein baldiger Tod bereits als sicher galt. In ganz Frankreich wurden Bittgebete für den König angestimmt. Mit Heiligen Messen, Gebetsvigilen, Bittprozessionen und anderen geistlichen Übungen wurde der Himmel für die Gesundheit des Königs bestürmt. Der König selbst lebte ein Gelübde ab, ins Heilige Land aufzubrechen, um das Heilige Grab zu befreien. Tatsächlich trat seine unerwartete Genesung ein und so brach 1248 nach Lyon auf, wo er Papst Innozenz IV. traf und von diesem den Apostolischen Segen erhielt. Von Aigues-Mortes aus stach er zusammen mit seinem Kreuzzugsheer in See Richtung Orient. Es war der 25. August.
Begleitet wurde Ludwig IX. von seiner Ehefrau Margarete und seinen beiden Brüdern Robert von Artois und Karl von Anjou. 1249 gelang ihm die Eroberung der wichtigen ägyptischen Hafenstadt Damiette im Nildelta. Allerdings folgte 1250 die Niederlage in al-Mansura, die durch ein ungeschicktes Manöver seines Bruders Robert von Artois verursacht worden war. Der König geriet in demütigende Gefangenschaft. Nach 31 Tagen wurde er durch Zahlung von 200.000 Golddukaten freigelassen, begünstigt durch den unerwarteten Tod von Sultan Turan Schah, der von seiner mamelukischen Leibgarde ermordet worden war. König Ludwig IX. blieb weitere vier Jahre im Orient, wo er aufgrund seiner Weisheit und seiner ausgleichenden Haltung auch von den Moslems große Wertschätzung erfuhr. Einige moslemische Teile wollten ihn sogar zum Sultan erheben. Seine Frau Margarete war immer an seiner Seite. Wegen der Geburt eines Sohnes und der Nachricht vom Tod seiner Mutter Blanka, kehrte das Königspaar von Akkon aus nach Frankreich zurück, wo es am 5. September 1254 eintraf. Im Heiligen Land hatte sein Kreuzzug den Status quo nicht zugunsten der Christen verändern können.
Siebter Kreuzzug und Tod des Königs
Im Juli 1270 brach Ludwig noch einmal von Aigues-Mortes zu einem Kreuzzug auf, der ihn nach Tunis führte. Pest und Ruhr dezimierten jedoch das christliche Heer noch bevor es richtig zum Einsatz kommen konnte. Am 25. August fiel ihnen auch der König zum Opfer. Bevor sein Bruder Karl von Anjou die Reste des Kreuzfahrerheeres nach Sizilien zurückführte, schloß er mit dem moslemischen Kalifen von Tunis ein Abkommen, das ihm den Besitz von Malta und der vor der tunesischen Küste gelegenen Insel Pantelleria sicherte.
Die Reliquien des Heiligen Ludwig IX.
Die sterblichen Überreste des Königs wurden von Sizilien nach Frankreich gebracht und dort von seinem Sohn Philipp III. in Empfang genommen. Sein Herz allerdings blieb auf Sizilien und wurden im Normannendom von Monreale bei Palermo beigesetzt. 1297 wurde Ludwig IX. von Papst Bonifaz VIII. heiliggesprochen. Für die Heiligsprechung ausschlaggebend war vor allem auch das Zeugnis von Johann von Joinville, Seneschall der Normandie. Johann war ein Vertrauter und Kampfgefährte Ludwigs. 1299 veröffentlichte er auf Wunsch von Ludwigs Großnichte, Königin Johanna von Navarra eine Biographie des heiligen Königs, die als erste französischsprachige Biographie im modernen Sinn gilt.
Während Chateaubriand bei Mark Aurel die Verbindung von Herrschergewalt und Philosophie sah, schrieb er Ludwig IX. eine Verbindung von Herrschergewalt und Heiligkeit zu. Das macht Ludwig zur emblematischen Gestalt des Mittelalters, von dem Papst Leo XIII. sagte, daß damals „die Philosophie des Evangeliums die Staaten regierte“. Dem fügt Hélio Viana in seinem Lebensbild des heiligen Ludwig hinzu: „Nie ist der Staat größer, als wenn er im Dienst der Kirche steht. Nie erfüllt die Kirche vollkommener ihren Auftrag, als wenn sie eine Kultur formt.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Ars Cristiana
Heiliger König Ludwig IX bitte inständig für das heutige Frankreich und dessen Machthaber,die Guten möge der Herr bewahren in seiner Güte, die Bösen mache Er gut in seiner grossen Barmherzigkeit!
Ausgezeichneter Artikel über einen großen Herrscher, der seine Berufung als Laie in der Welt vorbildlich lebte. Sollte – auf heutige Umstände übertragen – nachgeahmt werden.
In diesem Zusammenhang sei auch auf das grandiose Werk SIRE von Jean Raspail verwiesen, das letztes Jahr bei nova et vetera auf Deutsch erschienen ist.
Raspail läßt darin im Jahr 1999 einen jugendlichen Bourbonen im Geheimen zum König Frankreichs gesalbt und gekrönt werden. Sehr originell, sehr spirituell und sehr humorvoll.
Das französische Königtum hätte, würde es so ausgeübt werden wie vom hl. Ludwig IX., eine hohe Mission und eine große spirituelle Kraft.