(Bern) Mit deutlicher Mehrheit lehnte das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative „Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache – Entlastung der Krankenversicherung durch Streichung der Kosten des Schwangerschaftsabbruchs aus der obligatorischen Grundversicherung“ ab. 70 Prozent der Wähler wollen, daß auch weiterhin die Krankenkassen die Bezahlung von Abtreibungen in der Pflichtversicherung miteinschließen. Dagegen hatte eine Initiative von Lebensrechtlern mehr als 110.000 Unterschriften gesammelt. Genug um eine Volksabstimmung zu initiieren. Am Sonntag, den 9. Februar fand die Abstimmung statt.
„Abtreibung selbst bezahlen“ – Keine „Mittäterschaft“ durch Versicherungsprämien
Die Initiative beanstandete, daß durch die geltende Regelung alle Krankenversicherten mit ihren Beiträgen gezwungen werden, die Abtreibungen mitzufinanzieren und damit auch jene Bürger, die aus Gewissensgründen die Tötung ungeborener Kinder ablehnen, zu „Mittätern“ am Kindermord werden. Sie forderten daher, daß die Frauen, die ihr Kind töten lassen wollen, die Abtreibung selber finanzieren oder Zusatzversicherungen bei Krankenkassen abschließen müssen. Die Bezahlung der Abtreibungen über die Prämien für die Pflichtversicherung stelle noch einen weiteren „Mißbrauch“ dar: „ein ungeborenes Kind, ist nicht etwas, das wie eine Krankheit beseitigt werden muß“ und als Kosten für die „Gesundheit“ von den Krankenkassen zu tragen ist, so der Nationalratsabgeordnete Peter Föhn von der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Christliche Volkspartei schlug sich auf Seite der Abtreibungsbefürworter
Die Initiative der Lebensschützer wurde zwar von Politikern der christlichen und bürgerlichen Parteien mitgetragen, fand aber insgesamt wenig Unterstützung. Die Abtreibungsbefürworter stilisierten die Volksinitiative zum „Angriff“ auf das geltende Abtreibungsgesetz. Die linken und liberalen Parteien mobilisierten gegen die Initiative. Unterstützt wurde die Initiative von der konservativen Schweizer Volkspartei (SVP), der Evangelischen Volkspartei (EVP) und der Eidgenössischen Demokratischen Union (EDU). Doch selbst die Christliche Volkspartei (CVP), historisch die Partei der Schweizer Katholiken, lehnte auf einem Parteitag am 11. Januar eine Unterstützung der Initiative mit 80 Prozent der Delegiertenstimmen ab. „Die Initiative gefährdet den Solidaritätsgedanken im Krankenversicherungssystem“ und bei nicht mehr obligatorischer Finanzierung seien „Schwangerschaftsabbrüche in Hinterzimmern zu befürchten“, was „Risiken“ berge und „deshalb auch aus ethischen Gründen nicht tolerierbar“ sei, lauteten die CVP-Positionen, die sich kaum von jenen linker und liberaler Parteien unterschieden. Ethisch nicht vertretbar sei eine behauptete, hypothetische, aber nicht bewiesene Gefahr für Mütter. Der reale, tägliche Mord an ungeborenen Kindern ist dagegen für die Christliche Volkspartei ethisch durchaus vertretbar.
Schweizer Bischofskonferenz verweigerte Unterstützung
Selbst die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) verweigerte der Initiative ihre Unterstützung. Bischof Markus Büchel von St. Gallen und Abt Martin Werlen aus Einsiedeln mit dem Rang eines Bischofs, beide für ihre progressive Haltung bekannt, ließen frühzeitig ihre Ablehnung erkennen. Bischof Büchler argumentierte mit der Sozialkeule: reiche Frauen könnten sich die Abtreibung bezahlen, arme Frauen wären dann benachteiligt. Bischof Vitus Huonder von Chur bemühte sich als einziger vernehmbar um eine Unterstützungserklärung für die Volksinitiative. Ohne Erfolg. Die ungeborenen Kinder sind für die Mehrheit der Schweizer Bischöfe kein Thema. Auf mehr als eine salbungsvolle-gewundene Erklärung konnten sich die Bischöfe nicht einigen. Bischof Huonder unterstütze darauf im Alleingang die Volksinitiative. Mit ein Grund, weshalb er derzeit als zu katholischer „Störenfried“ unter Beschuß der anderen Bischöfe und von Kirchenfunktionären des Staatskirchenwesens geraten ist. Abtreibungsbefürworter und Lebensschützer verstanden die Erklärung gleichermaßen als Distanzierung von der Volksinitiative. Entsprechend enttäuscht waren die Initiatoren der Volksinitiative, während linkskatholische Kreise ihre Genugtuung äußerten.
Nur im katholischen Appenzell-Innerrhoden Mehrheit für Initiative
Die Volksinitiative scheiterte nicht nur an der Mehrheit des Stimmvolkes, sondern auch am Ständemehr, der zweiten Hürde für eine Volksabstimmung. Eine Initiative muß nicht nur von der Mehrheit der Abstimmenden auf Bundesebene gutgeheißen werden, sondern auch in der Mehrheit der Kantone. Die Initiative Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache fand lediglich im katholischen Halbkanton Appenzell-Innerrhoden eine Mehrheit.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Volksinitiative Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache (Screenshot)