(Moskau) Die Abtreibungszahlen in Rußland legen die Verwüstung eines Landes offen. Moskau versucht der Selbstzerstörung durch eine Reihe von Maßnahmen entgegenzuwirken. Eine davon ist die Einrichtung von Zentren zur Unterstützung von Schwangeren in den Krankenhäusern.
Zwischen 1960 und 1980 gab es in der damaligen Sowjetunion 4,5 Millionen Abtreibungen im Jahr. Die neuesten Zahlen liegen für das Jahr 2012 vor. Durch die Politik von Staatspräsident Putin ist die Zahl der getöteten ungeborenen Kinder auf 935.000 gesunken. Eine horrend hohe Zahl auch im Vergleich zu anderen Staaten und im Vergleich zur Einwohnerwahl von 143 Millionen. Die russischen Zahlen gelten allerdings als realistisch und ungeschönt, weil die Erfassung von Abtreibungen statistisch und gesellschaftlich nicht verpönt war. Im Gegensatz dazu gelten die Abtreibungszahlen etwa in der Bundesrepublik Deutschland als verschleiert und geschönt. In anderen Ländern, wie Österreich, versteckt man die Tötungsmaschinerie, indem erst gar keine Statistiken erfaßt werden. Die kommunistische Ideologie hinterließ ein moralisch zerrüttetes Volk. Putin bemüht sich um eine moralische Aufrüstung und stützt sich dabei unter anderem auf die orthodoxe Kirche. Der demographische Einbruch bedroht auf dramatische Weise die Grundlagen des Staates.
Der erreichte Rückgang an Abtreibungen reicht Staatspräsident Putin nicht: „Die Gesellschaft muß den Wert des Lebens wieder anerkennen“, erklärte das Staatsoberhaupt jüngst.
Gesundheitsministerin Elena Baibarina kündigte gegenüber der Presseagentur Novosti die „Einrichtung von Zentren zur Unterstützung von schwangeren Frauen“ an. Die Zentren sollen an jedem Krankenhaus eingerichtet werden. Die Frauen „erhalten dort professionelle Beratung, psychologische Hilfestellung und vor allem auch Informationen über Sozialhilfe“. Die Ministerin gab sich optimistisch: „Wir sind überzeugt, daß das der beste und menschlichste Weg ist, um die Zahl der Abtreibungen zu reduzieren!“
Seit Jahren sucht Staatspräsident Putin nach Möglichkeiten, die Zahl der Abtreibungen einzudämmen. Der Grund liegt im demographischen Kollaps, der Rußland droht. Die legalisierte Tötung ungeborener Kinder war eine der ersten Maßnahmen, die von den mit Waffengewalt zur Macht gelangten Kommunisten 1920 eingeführt wurde. Die Einführung erfolgte im Namen von „Fortschritt“ und „Befreiung“. Allein seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur bis heute sind die Menschenverluste Rußlands zweieinhalb Mal so hoch wie die Zahl der Gefallenen der Oktoberrevolution, des Ersten und Zweiten Weltkrieges zusammen.
Die russische Regierung setzte inzwischen eine Reihe von Maßnahmen, um das Massaker einzudämmen. Ein neuer Maßnahmenkatalog wurde von der Regierung bereits beschlossen und dem Parlament zugeleitet. Er sieht ein Abtreibungsverbot an allen öffentlichen Krankenhäusern vor; die Rezeptpflichtigkeit für die Abgabe der Pille danach, ein Abtreibungsverbot für Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern, ein Abtreibungsverbot für verheiratete Frauen ohne Zustimmung des Ehemannes. Zudem soll ein Kinderbonus von monatlich 2.000 Rubel (etwa 60 Euro) für die schwangeren Frauen eingeführt werden.
2013 hatte Putin bereits ein Gesetz unterzeichnet, das jede Form von Werbung für Abtreibung verbietet. Putin forderte zudem die russischen Familien auf, mindestens drei Kinder zu haben.
Die Maßnahmen zugunsten des Lebensschutzes haben die Abtreibungszahlen deutlich sinken lassen. Allein in den vergangenen vier Jahren konnte ein Rückgang von fast 23 Prozent von über 1,2 Millionen auf über 900.000 verzeichnet werden. Die Regierung ist damit aber noch nicht zufrieden. Gesundheitsministerin Baibarina sagte: „Die Zahlen sind noch immer erschreckend hoch“. Die Regierungslinie, nicht nur die Abtreibung einzuschränken, sondern auch eine lebensfreundliches Klima zu fördern, wurde von der russisch-orthodoxen Kirche begrüßt. Vom Moskauer Patriarchat kam auch der Vorschlag, an den Krankenhäusern Lebenszentren zu errichten, „um den Frauen, die allein und in Schwierigkeiten sind, in jedem Krankenhaus zu helfen“.
Steven Mosher, der Vorsitzende des Population Research Institute bestätigt die Regierungsangaben. Die Zahl der Abtreibung ist signifikant gesunken, habe aber nach wie vor „epidemische Dimensionen“: „Solange die Gesellschaft den Wert des Lebens nicht wirklich anerkennt, wird es sehr schwer sein, die angestrebte Zahl von drei Kinder je Familie zu erreichen“, so Mosher.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews