(Annecy/Treviso) Mit einem vorbildlichen Glaubensstreiter und feinfühligen Seelenhirten befaßt sich der traditionsverbundene Historiker Roberto de Mattei in seinem jüngsten Aufsatz. Er erzählt darin die bewegte Geschichte, die das unverweste Herz des Heiligen nach dessen Tod erlebte und wie es in die norditalienische Kleinstadt Treviso gelangte, wo es noch heute aufbewahrt und von den Schwestern der Heimsuchung Mariens, dem vom heiligen Franz von Sales gegründeten Orden verehrt wird. Ein Heiliger als Beispiel und Vorbild für Bischöfe, Priester und das gläubige Volk.
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Ein heiliges und wundertätiges Herz
von Roberto de Mattei Der Heilige Franz von Sales ist in der ganzen Welt bekannt, in manchen Ländern, so in Italien, genießt er einen besonderen Bekanntheitsgrad, nicht zuletzt dank des heiligen Johannes Bosco, der das Gedenken an den Heiligen aus Hochsavoyen und dessen Spiritualität bewahren wollte, indem er den Salesianerorden gründete. Nicht wenige Katholiken wissen, daß sich der Körper des heiligen Franz von Sales in Annecy befindet. Nur wenige wissen jedoch, daß sein unversehrtes, unverwestes Herz in der kleinen norditalienischen Stadt Treviso aufbewahrt wird. Dorthin gelangte es nach einer bewegten Reise.
1622 starb der heilige Franz von Sales an Herzversagen
Am 28. Dezember 1622 starb der große savoyische Heilige in Lyon im Alter von erst 54 Jahren an einem Herzversagen. Als sich die Nachricht verbreitete, strömten die Gläubigen zusammen, um seinen Leichnam zu verehren. Das gläubige Volk wollte ihn nicht mehr aus seiner Stadt fortlassen. Erst nach einem langen Ringen wurden die sterblichen Überreste nach Annecy überstellt, wo er als Bischof residiert hatte, nachdem der Bischofssitz aus dem calvinistisch gewordenen Genf in die knapp 40 Kilometer entfernte Stadt in Savoyen verlegt worden war. Hier in Annecy hatte er zusammen mit der heiligen Johanna von Chantal den Orden der Schwestern von der Heimsuchung Mariens gegründet, die auch als Salesianerinnen bekannt sind. Das Herz, das zum Zeitpunkt der Einbalsamierung des Körpers „groß, gesund und vollständig“ vorgefunden wurde, blieb zum Dank bei den Schwestern der Heimsuchung Mariens in Lyon, die den Heiligen in den letzten Tagen seines irdischen Lebens gepflegt hatten. Das nach der heiligen Maria von Bellecour benannte Kloster der Schwestern in Lyon war 1615 gegründet worden. Msgr. Denis-Simon de Maruquemont, der Erzbischof der Stadt und spätere Kardinal hatte jedoch die ursprüngliche Idee des heiligen Franz von Sales verworfen, eine apostolische Frauenkongregation ohne Klausur ins Leben zu rufen.
Gehorsam und Blüte eines Ordens
In seiner uneingeschränkten Fügsamkeit unter die Vorsehung, die seine Spiritualität auszeichnet, akzeptierte es der Heilige, die ursprüngliche Ordensregel zu ändern. Die Schwestern der Heimsuchung Mariens wurden 1618 in einen Frauenorden mit feierlichen Gelübden und päpstlicher Klausur umgewandelt. Der nun kontemplative Orden war aufgrund seiner außergewöhnlichen Blüte dazu bestimmt, im 17. und 18. Jahrhundert auf kontemplativer Ebene für die Kirche jenen Dienst zu leisten, den zur selben Zeit auf erzieherischer und kultureller Ebene der Jesuitenorden leistete. Den Ordensschwestern von Lyon, dem „zweiten“ Kloster der Heimsuchung nach jenem von Annecy, kam die Ehre zu, das Herz ihres Gründers aufzubewahren in einem prächtigen goldenen Reliquienschrein, den König Ludwig XIII. von Frankreich (1610–1643) gestiftet hatte.
Unverwestes Herz strömt geheimnisvollen Wohlgeruch aus
1658, als der Delegat von Papst Alexander VII. die Reliquie untersuchte, fand er das Herz unversehrt und in ausgezeichnetem Zustand. Es strömte einen süßen, intensiven Duft aus. Genau denselben geheimnisvollen Wohlgeruch strömten auch seine sterblichen Überreste in Annecy, ebenso alle Gegenstände, die dem Heiligen gehörten, wie sein in Wien aufbewahrter Hut oder sein in Nevers verwahrtes Brevier. Das Herz des heiligen Franz von Sales wurde für die Lyoner zu einem der teuersten Gegenstände ihrer Verehrung. Jedes Jahr wurde es Ende Januar für vier Tage öffentlich ausgestellt und von großen Volksmassen aufgesucht.
Revolutionäre Stürme über Frankreich zwingen zur Flucht
Wer hätte Mitte des 18. Jahrhunderts geahnt, daß das „allerchristlichste“ Königreich Frankreich schon bald den Weg der Revolte und einer radikalen Entchristlichung einschlagen würde? Die „älteste Tochter der Kirche“ berief seine Generalstände am 5. Mai 1789 noch in einem sakralen Klima ein, doch nach wenigen Monaten gaben sie der Welt die Aufhebung der religiösen Orden, die Enteignung der Kirchengüter und die Zivilverfassung des Klerus bekannt und gingen damit auf offenen Konfrontationskurs mit Rom. Nach dem 10. August 1792 wurde die revolutionäre, kirchenfeindliche Lage auch für die Lyoner Schwestern der Heimsuchung untragbar. Die Ordensfrauen wurden Verhören und Schikanen aller Art ausgesetzt und schließlich zur Flucht gezwungen. Sie mußten von einem Tag auf den anderen alles aufgeben, doch das kostbarste Gut, die Reliquie ihres Gründers, nahm sie auf ihrer Flucht mit. Sie wurde den Schwestern zum Begleiter auf ihrer erzwungenen „Pilgerschaft“. In den ersten Monaten des Jahres 1793, als König Ludwig XVI. zum Schafott geführt wurde und in der katholischen Vendée der bewaffnete Aufstand losbrach, irrten die Schwestern aufgeteilt auf kleine Gruppen ohne Reisepässe und Schutzbriefe durch Frankreich, dann durch die Schweiz, bis sie schließlich in die österreichische Lombardei gelangten, wo ihnen der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs die Möglichkeit gab, ein Kloster zu eröffnen.
„Pilgerschaft“ durch zweite Vertreibung
Die aus Frankreich vertriebenen Schwestern fanden herzliche Aufnahme, doch ihnen war nur eine kurze Zeit der Ruhe vergönnt. Anfang April 1796 überschritten französische Revolutionstruppen unter dem Kommando von General Bonaparte die Alpen und drangen in die Poebene vor. Die Schwestern, von der französischen Armee bedrängt, wurden zu einer neuen „Pilgerschaft“ gezwungen, wobei sie das Herz des heiligen Franz von Sales immer mitführten. Die Flucht führte sie nach Krumau in Böhmen, damals eine deutsche, heute eine tschechische Stadt, dann nach Wien und endlich 1801 in das kurz zuvor österreichisch gewordene Venedig. Das Herz des heiligen Franz von Sales und seine Schwestern fanden eine neue Heimstatt im Augustinerinnenkloster zum heiligen Joseph im Stadtteil Castello von Venedig, das Napoleon aufgehoben hatte. Sie richteten eine Erziehungsanstalt ein, die bald und von den besten venezianischen Familien genützt wurde. Diesem Adel nach Geblüt und des Geistes enstammten im 19. Jahrhundert führende Oberinnen der Schwestern von der Heimsuchung wie Giulia Gaetana Thiene, Teresa Caterina Michiel und Giuseppina Antonietta Monico.
Freimaurerischer Räuberstaat und der Schutz Pius X.
Nach einem Jahrhundert des segensreichen Wirkens begann auch in der Lagunenstadt der antiklerikale Wind des Liberalismus immer heftiger zu wehen. Die italienische Nationalbewegung hatte nicht nur den italienischen Sprachraum in einem Staat geeint, sondern auch eine kirchenfeindlich-freimaurerische Richtung an die politische Macht gebracht. Der Staat und seine führenden Vertreter verachteten die Kirche und ihre Vertreter und schielten begehrlich auf den Kirchenbesitz, an dem er sich wie ein Räuber vergriff. So wurde 1912 auch das Kloster der Schwestern von der Heimsuchung Mariens in Venedig aufgehoben und als Staatseigentum eingezogen. Pius X., der die Schwestern bereits als Patriarch von Venedig unter seinen Schutz genommen hatte, veranlaßte sie, ein neues Kloster zu bauen und zwar in der Kleinstadt Treviso im Ortsteil Le Corti, nicht weit von Riese, dem Geburts- und Heimatort des heiligen Papstes. In der Katholischen Kirche gilt die Weisheit, daß ein Heiliger Heilige anzieht. Am 2. Juli 1913, dem Titularfest des Ordens, errichtete Msgr. Giacinto Longhin, der Bischof von Treviso das neue Kloster in seiner Stadt. Bis zu seinem Tod 1936 blieb er ein unermüdlicher Förderer und Beschützer des Klosters. Sein Seligsprechungsverfahren wurde eingeleitet.
„Ich lasse euch meinen Geist und mein Herz“
Nach drei Jahrhunderten einer bewegten Geschichte scheint das umherirrende Herz des heiligen Franz von Sales in der ruhigen Stadt in Venetien seine Ruhestätte gefunden zu haben. Die Erben des Lyoner Klosters leben heute noch immer in Treviso als kontemplativer Orden, in innerer Sammlung, betend und in Stille um das Herz ihres Gründers, der kurz vor seinem Tod seinen Töchtern gesagt hatte: „Ich lasse euch meinen Geist und mein Herz.“ Wer die Tiefe dieses Geistes kennenlernen und daraus schöpfen möchte, der kann direkt zu den Quellen vordringen. Der große geistliche Schriftsteller, der heute der Patron der Journalisten, aber auch der Taubstummen ist, hinterließ bleibende Werke: von den Kontroversschriften bis zu den bezaubernden Briefen an Frau von Chantal und den Geistlichen Gesprächen. Ansprachen und Antworten an Schwestern der Heimsuchung und natürlich seine Hauptwerke Philothea. Anleitung zum frommen Leben und Theotimus. Abhandlung über die Gottesliebe. Der heilige Franz von Sales, bekannt als Heiliger des Gefühls und der Sanftmut, erscheint darin als Mann von unerschütterlicher Standfestigkeit in der Verteidigung des Glaubens und der Hingabe und Liebe zu Gott und dessen Gerechtigkeit. „Ich bin der liebevollste Mensch der Erde und dennoch liebe ich absolut nichts außer Gott und alle Seelen wegen Gott“.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Convento della Visitazione, Treviso
Einige Ztate des hl. Franz v. Sales:
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„Gottes ewige Weisheit hat von Ewigkeit her das Kreuz ersehen, das Er Dir als ein kostbares Geschenk aus Seinem Herzen gibt. Er hat dieses Kreuz, bevor er es Dir schickte, mit Seinen allwissenden Augen betrachtet, es durchdacht mit Seinem göttlichen Verstand, es geprüft mit Seiner weisen Gerechtigkeit, mit liebenden Armen es durchwärmt, es gewogen mit Seinen beiden Händen, ob es nicht einen Millimeter zu groß und ein Milligramm zu schwer sei. Und Er hat es gesegnet in Seinem allerheiligsten Namen, mit Seiner Gnade es durchsalbt und mit Seinem Trost durchduftet. Und dann noch einmal auf Dich und Deinen Mut geblickt – und so kommt es schließlich aus dem Himmel zu Dir als ein Gruß Gottes an Dich, und ständig mitgetragen von der barmherzigen Liebe“
„Dieses Leben ist kurz und ist uns nur gegeben, um das andere Leben zu gewinnen. Das Kreuz ist die königliche Pforte, durch die man in den Tempel der Heiligkeit eintritt; wer sie anderswo sucht, wird niemals auch nur eine Spur davon finden.“
„Die wichtigste Bitte, die wir an Gott richten müssen, ist die um die Einheit unseres Willens mit dem seinen, und das letzte Ziel des Gebetes besteht darin, nichts zu wollen als Gott.“
„Die Sünden sind Staub und Mist, aber in der Buße und Beichte verwandeln sie sich in Rosen und Lilien.“
„Im Sakramente der Buße vereinigen wir uns mit Gott wie Freunde, die sich wieder miteinander versöhnt haben.“
„In der heiligen Eucharistie werden wir eins mit Gott wie die Speise mit dem Körper.“
„Wer regelmäßig kommuniziert, kräftigt seine Gesundheit und das Leben seiner Seele in so hohem Grad, daß es fast unmöglich ist, von irgendeiner bösen Neigung vergiftet zu werden.“
„Durch das Gebet öffnen wir die Augen unserer Seele“
„Das größte Wohlgefallen hat Gott am Gebet, zu dem wir uns zwingen und Gewalt antun müssen. Das ist ein Beten nicht nach Lust und Neigung, sondern rein um Gottes willen.“
„Meine Vergangenheit kümmert mich nicht mehr. Sie gehört dem göttlichen Erbarmen.
Meine Zukunft kümmert mich noch nicht. Sie gehört der göttlichen Vorsehung.
Was mich kümmert, und was mich fordert, ist das Heute, das gehört der Gnade Gottes und der Hingabe meines Herzens, meines guten Willens“
„Aber noch viel trauriger ist der Zustand einer Seele, die, undankbar gegen ihren Heiland, sich immer mehr von ihm abwendet und von der heiligen Liebe Stufe um Stufe durch Lauheit und Untreue hinabsinkt, bis sie endlich sich ganz von ihr entfernt hat, um in der schauerlichen Finsternis der Verlorenheit zu enden.“
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Andrea Giacinto Longhin scheint bereits seliggesprochen worden zu sein:
http://www.vatican.va/news_services/liturgy/saints/ns_lit_doc_20021020_longhin_en.html
„a Capuchin religious of deep spirituality and solid doctrine (…)“
Ach ja, wie schön war es doch früher…