Die Spaltung der traditionell-katholischen Welt war ein Meisterstück der Feinde des Missale von 1962 und des Römischen Katechismus. Sie haben es geschafft, Zwietracht zu säen zwischen Freunden und brudermörderischen Haß zu begründen zwischen Priestern, die gemeinsam, Hand in Hand, zu marschieren pflegten. Die erste Gruppierung begann, ihre Brüder als Radikale zu betrachten, die zweite bezeichnete die anderen als Verräter. Die ersteren waren überzeugt, daß jene, die unter Erzbischof Lefebvre verblieben, bald in ein vollständiges Schisma fallen würden, und die letzteren waren sich gewiß, daß ihre vormaligen Brüder sowohl die Messe als auch den Katechismus aufgeben würden.
Was können wir, mehr als ein Vierteljahrhundert später, sagen? Daß diese Urteile – auf beiden Seiten – in hohem Maße Überreaktionen waren.
Auf der einen Seite wurde die Priesterbruderschaft St. Pius X., trotz all ihrer bekannten Probleme, nicht schismatisch oder zu einer „Parallelkirche“. Sie hat stets Kontakt nach Rom gehalten und tat, was sie für notwendig hielt, um ihre Lage mit den einander folgenden Päpsten zu regularisieren – auch wenn, aus Gründen, welche die Oberen für vernünftig halten (und denen wir selbst vernünftigerweise widersprechen können), eine Regularisierung vorläufig nicht erreicht wurde. Auf der anderen Seite haben die Ecclesia Dei-Gemeinschaften niemals die traditionelle Messe oder den traditionellen Katechismus aufgegeben.
Es muß in aller Aufrichtigkeit gesagt werden: Auf der Seite der FSSPX bleibt die Anerkennung des Papstes bestehen, und das Anliegen der Anerkennung ihres Werkes wird immer noch angestrebt gemäß verschiedener Maßnahmen, die sich von Person zu Person unterscheiden. Auf der Seite der Gemeinschaften von Ecclesia Dei bleibt eine Ablehnung der neuen Messe (ungeachtet der Tatsache, daß sie für sowohl gültig als auch rechtmäßig erachtet wird) und der Veränderung der traditionellen Lehre bestehen, was ebenso jeweils von Person zu Person anders ausgedrückt wird. Die Ausnahmen innerhalb dieser Gruppierungen bestätigen die Regel in beiden Gemeinschaften.
Ein Problem bestand darin, daß einige religiöse Autoritäten im Laufe der Jahre, während die Situation von selbst recht verwirrend blieb, Fatwas aussprachen und somit Standpunkte dogmatisierten, die eine gewisse Biegsamkeit und eine Menge Verständnis erforderten. Wir hörten beispielsweise: „Der FSSPX einen Besuch abstatten? Denken Sie nicht einmal daran, oder Sie werden exkommuniziert!“ Oder auch: „In eine Messe bei diesen Verrätern gehen? Sie werden dort Ihren Glauben verlieren!“
In der Dokumentation über das Leben von Erzbischof Lefebvre, die kürzlich in Amerika veröffentlicht wurde, machte ein berühmter Professor und Journalist, Jean Madiran, der sich 1988 von der FSSPX distanziert hatte, nichtsdestotrotz folgende Feststellung hinsichtlich der Bischofsweihen von Lefebvre: „Es fällt mir heute schwer zu sagen, daß er falsch lag.“ Da er 2013 verschied, ist das, zumindest auf bescheidene Weise, sein Testament. Daß der berühmteste französische Laie der traditionalistischen Bemühungen gewillt ist, dies so kurz vor seinem Tod zu versichern, sollte uns nachdenklich stimmen. Viele Gläubige der jungen Generation lehnen jene gegenseite Dämonisierung ab, deren einzige Motivation die Furcht zu sein scheint, einige Schafe auf die benachbarte Weide ausreißen zu sehen.
Nun, sind diese Worte ein Aufruf, alles zu vermischen? Absolut nicht. Möge jeder damit fortfahren, seine eigene Position weiterzuentwickeln. Das Szenario, das in den letzten Jahrzehnten entstanden ist – und verstärkt nach dem Motuproprio Summorum Pontificum von Benedikt XVI. –, ist das Schlimmste, was sich die Progessiven hätten vorstellen können, wenn man sich die sehr düsteren Umstände der Zeit von 1969 bis 1988 vor Augen führt: Eine Priesterbruderschaft St. Pius X., die einigermaßen kräftig bleibt, und die gegenüber Rom weiterhin ihre dogmatischen Bedenken vorlegt. Und Ecclesia Dei-Gemeinschaften, die sich auf die ganze Welt ausgebreitet haben, langsam aber sicher – und mit großer Entschlossenheit –, wobei sie den Bischöfen tagtäglich deutlich machen, was die Kirche immer gewollt hat und wofür sie stand, speziell in liturgischen Fragen. Sind nicht beide in gewisser Hinsicht Erben von Marcel Lefebvre, der unermüdlich darum bat, daß das „Experiment der Tradition“ erlaubt werde?
Also dann, was muß künftig in Angriff genommen werden? Die eindringliche Verkündigung des Glaubens! Und das Wirken cum et sub Petro [mit und unter Petrus] ohne Klagen! Mögen die Anhänger der Gemeinschaften von Ecclesia Dei und Summorum Pontificum sich nicht vor der ersten Antwort fürchten. Und mögen jene der Priesterbruderschaft St. Pius X. nicht vor der zweiten zurückscheuen. In Zeiten aufgewühlter Wasser und unbekannter Hindernisse ist die Einheit aller gleichgesinnten traditionellen Katholiken unerläßlich, bei gegenseitiger Toleranz und Akzeptanz.
Verfasser: „New Catholic“, übernommen vom Blog: Rorate Cà¦li, Übersetzung: M. Benedikt Buerger