von P. Franz Schmidberger (FSSPX)
Kommen wir schließlch zum Ökumenismus, zum ökumenischen Dialog und zum interreligiösen Dialog. In Nr. 246 ist vom Prinzip der Hierarchie der Wahrheiten die Rede. Dieser überaus zweideutige Begriff ist bereits im Ökumenismusdekret Unitatis Redintegratio Nr. 11 des II. Vatikanums verwendet worden. In der Folge wollte man alles von der katholischen Wahrheit beiseite setzen und unterschlagen, was den getrennten Brüdern ein Stein des Anstoßes wäre.
Daraufhin griff die Glaubenskongregation im Jahre 1982 ein und erklärte, Hierarchie der Wahrheiten bedeute nicht, daß eine Wahrheit weniger wichtig sei als die andere, sondern daß es Wahrheiten gäbe, aus denen andere Teilwahrheiten fließen. Für diese Klarstellung konnte man nur dankbar sein. Der katholische Glaube als göttliche Tugend verlangt nämlich die Annahme der gesamten Offenbarung aufgrund der Autoritlt des sich offenbarenden Gottes.
Diese Klarstellung könnte darüber hinaus ein Beispiel sein, wie die Zweideutigkeiten des II. Vatikanums in der Zukunft zu klären sind, abgesehen von jenen Punkten, die in den Texten eindeutig falsch sind. Am Ende dieser nämlichen Nr. 246 werden wir Katholiken eingeladen, bei den Orthodoxen über die Bedeutung der bischöflichen Kollegialitlt und über die Erfahrung der Synodalitlt zu lernen.
In Nr. 247 lesen wir, der Bund des jüdischen Volkes mit Gott sei niemals aufgehoben worden. Aber war dieser Bund nicht von Gott eingerichtet worden zur Vorbereitung seiner erlösenden Menschwerdung in Christus Jesus? War er nicht Schatten und Vorbild, die der Wirklichkeit weichen mußten, umbram fugat veritas?
Ist nicht der neue und ewige Bund im Opfertod Christi auf Kalvaria geschlossen worden, der den alten ersetzt? Ist nicht der Vorhang im Tempel beim Golgothageschehen von oben bis unten zerrissen? Wenn nach der Aussage des hl. Paulus im 11. Kapitel des Römerbriefes am Ende der Zeiten ein großer Teil oder gar die Gesamtheit der Juden sich bekehrt, dann nur dadurch, daß sie Christus als den einzigen Erlöser aller Menschen, jedes einzelnen Menschen, anerkennen, und in seine Kirche, die sich aus bekehrten Heiden und Juden zusammensetzt, eingegliedert werden.
Es gibt keinen Sonderheilsweg für die Juden außerhalb von Jesus Christus. Außerdem hat die Kirche längst die Werte des alttestamentlichen Judentums aufgenommen; denken wir insbesondere an das Psalmengebet und an die Bücher des Alten Testamentes.
Von einer reichen Komplementarität bezüglich des Judentums unserer Tage kann dagegen gar keine Rede sein (siehe Nr. 249).
Die Nummern 250 – 253 sind dem Islam gewidmet, wo es heißt, dieser interreligiöse Dialog sei „eine notwendige Bedingung für den Frieden in der Welt“. In Nr. 252 wird in der Nachfolge von Lumen Gentium Nr. 16 des II. Vatikanums behauptet, daß die Moslems „sich zum Glauben Abrahams bekennen, und mit uns den einen Gott anbeten (nobiscum adorant unicum Deum).“ Verwerfen aber die Moslems nicht ausdrücklich das Geheimnis der allerheiligsten Dreifaltigkeit und werfen uns wegen diesem Dogma Vielgötterei vor? Sie verehren auch Jesus und Maria, sagt der Papst mit den Worten von Nostra Aetate Nr. 3. Aber beten sie Christus auch an als den wesensgleichen Sohn Gottes? Dies scheint fast eine Nebensächlichkeit zu sein.
Im folgenden Punkt kommt der Papst zu konkreten Folgerungen: „die Christen müssten die islamischen Einwanderer, die in unsere Länder kommen, mit Zuneigung und Achtung aufnehmen“; auch heißt es völlig illusorisch „so wie wir hoffen und bitten, in den Ländern islamischer Tradition aufgenommen und geachtet zu werden“.
Diese Nummer schließt mit der Ärgernis erregenden Falschaussage „Angesichts der Zwischenfälle eines gewalttuigen Fundamentalismus muß die Zuneigung zu den authentischen Anhängern des Islam uns dazu führen, gehässige Verallgemeinerungen zu vermeiden, denn der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Korans stehen jeder Gewalt entgegen.“ Hat der Heilige Vater jemals den Koran gelesen?
In Nr. 254 wird von den Nichtchristen im Allgemeinen gesprochen, daß ihre Zeichen und Riten „Kanäle sein können, die der Geist selber schafft, um die Nichtchristen vom atheistischen Immanentismus und von rein individuellen religiösen Erfahrungen zu befreien.“ Heißt dies nicht, daß der Heilige Geist durch alle nicht-christlichen Religionen wirkt, daß sie also mithin Heilswege sind?
Natürlich ist der Glaube an einen Gott des Islam – abstrakt gesprochen – höherstehend als die Vielgötterei des Heidentums; aber pädagogisch und psychologisch ist es sehr viel einfacher, einen Heiden zu bekehren als einen Moslem, da dieser in ein ganzes religiös-soziales System integriert ist, dessen Verlassen für ihn lebensbedrohlich ist.
Die nicht-christlichen Religionen sind eben keineswegs neutrale Wege der Gottesverehrung, sondern allzu oft mit dämonischen Elementen durchsetzt, die es dem Menschen verwehren, zur Gnade Christi durchzubrechen, sich taufen zu lassen und so seine Seele zu retten.
Nichts hat dem Schutz und der Weitergabe des Glaubens in den letzten 50 Jahren so sehr geschadet, wie der ausufernde Ökumenismus, der nichts anderes ist als religiöse „Diktatur des Relativismus“ (Kardinal Ratzinger). Dieses Übel hat das Selbstverständnis der Kirche als mystischer Leib Christi, als einzige Braut des geschlachteten Lammes, als einziger Weg zum Heil weitgehend zum Erlöschen gebracht; genau dieser Ökumenismus, der die missionarische Kirche in eine dialogisierende ökumenische Gemeinschaft unter anderen religiösen Gemeinschaften umgewandelt hat. Im Rahmen dieses Ökumenismus die Kirche zur Freude am Evangelium aufzurufen und sie in eine missionarische verwandeln zu wollen, entbehrt nicht der Tragik – Komik: Wie soll sie missionarisch denken und tätig sein, wenn sie nicht an ihre eigene Identitlt und Sendung glaubt?
Das päpstliche Schreiben Evangelii Gaudium mag wie Saatkörner verstreut richtige Gesichtspunkte enthalten. Im Ganzen aber ist es nichts anderes als die Fortentwicklung des Zweiten Vatikanischen Konzils in dessen unannehmbarsten Aussagen. Wir sehen in ihm nicht „Wege für den Lauf der Kirche in den kommenden Jahren“ (Nr. 1), sondern einen weiteren verhängnisvollen Schritt für den Niedergang der Kirche, den Zerfall ihrer Lehre, die Zersetzung ihrer Strukturen und selbst das Erlöschen ihres missionarischen Geistes, der immer wieder beschworen wird. So wird Evangelii Gaudium zum Dolor Fidelium, zum Leid und Schmerz der Gläubigen.
Die mit der Tradition der Kirche verbundenen Katholiken tun gut daran, sich an die Devise und an das Regierungsprogramm des hl. Pius X. zu halten: Instaurare omnia in Christo – alles in Christus erneuern. Dies sehen wir als den einzigen möglichen Weg „für, den Lauf der Kirche in den kommenden Jahren“ an.
Und nehmen wir im täglichen Rosenkranzgebet unsere Zuflucht zu derjenigen, die alle Häresien in der ganzen Welt überwunden hat.
Pater franz Schmidberger ist Regens im Priesterseminar Herz Jesu in Zaitztkofen