(Rom) Der Apostolische Kommissar, der Kapuzinerpater Fidenzio Volpi OFM Cap den die Ordenskongregation mit Zustimmung von Papst Franziskus anstelle der abgesetzten Ordensleitung mit alleiniger Entscheidungsvollmacht an die Spitze des Ordens der Franziskaner der Immakulata (FI) stellte, nannte erstmals den eigentlichen Grund des drastischen Eingriffs in das Leben des Ordens.
Der Vatikanist Marco Tosatti hatte vor wenigen Tagen in der Tageszeitung La Stampa den Brief eines Angehörigen des Dritten Ordens der Franziskaner der Immakulata veröffentlicht, in dem die radikale Vorgehensweise des Kommissars kritisiert wurde (siehe eigener Bericht „Uneingeschränkter Krieg“ gegen die Franziskaner der Immakulata? Der unsägliche „Makel“). Die Eingriffe betreffen nicht nur den männlichen Ordenszweig, sondern auch den Dritten Orden, der von Pater Volpi völlig lahmgelegt wurde.
Kommissar bestätigt erstmals, was Beobachter von Anfang an vermuteten
Der Apostolische Kommissar antwortete mit einem Schreiben auf die Veröffentlichung von Tosatti. Darin nennt er erstmals den eigentlichen Grund für das Vorgehen des Vatikans gegen den Orden und seinen Gründer. Den Franziskanern der Immakulata wird vorgeworfen, in eine „krypto-lefebvrianische, jedenfalls traditionalistische“ Richtung „abgedriftet“ zu sein. Tosatti liest aus dem längeren Schreiben neben mehreren Nebensächlichkeiten, daß darin „das konkrete Problem“ liegt.
Der eingesetzte Kommissar bestätigte damit, was für Beobachter sofort klar war und durch das Verbot des überlieferten Ritus im Dekret der Ordenskongregation zum Ausdruck kam. Die harten Maßnahmen sind gegen die Wiederentdeckung des überlieferten Ritus und gegen die Verteidigung der kirchlichen Tradition gerichtet. Kommissar Pater Volpi unterscheidet dabei nicht zwischen „lefebvrianisch“ und „traditionalistisch“, und damit nicht einmal zwischen der kanonisch nicht anerkannten Priesterbruderschaft St. Pius X. und den kanonisch anerkannten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften. Offenkundig ist Traditionsverbundenheit für den Kommissar grundsätzlich ein „Problem“. Eine Richtung, die dem Kapuziner nicht nur mißfällt, sondern bekämpft werden muß. Und das tut er seit vergangenem August mit großem Eifer. Offensichtlich war es diese Abneigung, die ihn für die Aufgabe des Apostolischen Kommissars qualifizierte.
De Matteis „Vorhersage“ bewahrheitete sich
Bereits Ende August schrieb der bekannte Historiker Roberto de Mattei:
In den nächsten Tagen und Wochen werden wir die Pläne des Kommissars, Fidenzio Volpi besser kennen, deren grobe Linien sich jedoch bereits erahnen lassen: den Ordensgründer Pater Manelli isolieren; den ihm treu verbundenen Generalrat des Ordens köpfen; die „traditionalistischen“ Brüder in die Peripherie abschieben; die Ordensleitung den Dissidenten übergeben; die Noviziate Patres anvertrauen, die nicht im Verdacht „traditionalistischer“ Sympathien stehen; Sterilisierung der Publikationen und Schriften der Franziskaner, die innerkirchlich „umstrittene“ Themen behandeln; insbesondere: Vermeidung eines marianischen „Maximalismus“, einer „überzogenen“ Strenge in Morallehre und vor allem jeder Kritik, und sei sie noch so respektvoll, am Zweiten Vatikanischen Konzil; dazu noch Öffnung des Ordens für den „ökumenischen Dialog“ mit den anderen Religionen; Beschränkung des Vetus Ordo auf besondere Ausnahmen; kurzum die Zerstörung der Identität der Franziskaner der Immakulata, was noch schlimmer ist als ihre Aufhebung.
Die öffentliche Antwort von Pater Volpi an Mario Tosatti bestätigt schwarz auf weiß, die sofort geäußerten Befürchtungen de Matteis und anderer. Sie legt auch offen, was die Ordenskongregation unter Präfekt Joà£o Kardinal Braz de Aviz und offenbar auch Papst Franziskus bewogen hat, diesen blühenden Orden frommer Männer zu zerschlagen. Ein Orden, der noch vor wenigen Monaten Zugang zu Papst Benedikt XVI. hatte.
Unterschiedliches Handeln: ein Vergleich
Als Joseph Kardinal Ratzinger 2005 zum Papst gewählt wurde, ging er persönlich und entschieden gegen Marcial Maciel Degollado, den Gründer der Legionäre Christi (LC) vor. Benedikt XVI. sprach über Maciel von einem „sehr schwerwiegenden und objektiv unmoralischen Verhalten, das durch unbestreitbare Zeugenaussagen belegt ist“ und sich „bisweilen in Gestalt von wirklichen Straftaten“ ausdrückte und „ein gewissenloses Leben ohne echte religiöse Gesinnung“ offenbarte. Benedikt XVI. ging aber nicht gegen den Orden vor, der sich auf vielerlei Weise ausgezeichnet hatte. Wegen der Erschütterung des Ordens rund um den Ordensgründer und Generaloberen, und um einen Neubeginn zu ermöglichen, stellte er den Orden unter kommissarische Verwaltung. Dafür ernannte er mit Velasio de Paolis einen Kardinal, der in väterlicher Weise den Orden zum Neuanfang begleitete. Ein Weg, der Anfang 2014 erfolgreich abgeschlossen sein wird.
Als Jorge Mario Bergoglio 2013 zum Papst gewählt wurde, stimmte er einem entschiedenen Vorgehen der Ordenskongregation gegen die Franziskaner der Immakulata (FI) zu. Weder der Orden noch dessen Gründer Pater Stefano Manelli hatten sich in irgendeiner Weise schuldig gemacht. Sie hatten weder Schändliches verbrochen, wie Marcial Maciel noch Irrlehren verbreitet, Verwirrung gestiftet oder auf andere Weise gegen die kirchliche Lehre und Ordnung verstoßen. Es war die Ausrichtung des Ordens, obwohl in der Kirche anerkannt und legitim und bis Februar vom Vorgängerpapst gefördert, die nicht mehr paßte. Eine Richtung, die nun vom zuständigen Kommissar abschätzig als „krypto-lefebvrianisch, jedenfalls traditionalistisch“ bezeichnet wurde. Nicht ein Kardinal, sondern ein einfacher Kapuziner wurde von der Ordenskongregation als Kommissar eingesetzt, nicht ein väterlicher Freund des Ordens, sondern ein erklärter Gegner der Tradition.
Kommissar Volpi möchte auch Hand an die Franziskanerinnen der Immakulata legen
Auch gegen den weiblichen Zweig, die Franziskanerinnen der Immakulata, möchte der Kommissar vorgehen, obwohl das Ernennungsdekret davon nichts sagt. Pater Volpi beschuldigt die Franziskanerinnen der Immakulata noch traditionsverbundener und „renitenter“ als der männliche Zweig zu sein. Zu diesem Schluß kam der Apostolische Kommissar wegen des sofort von den weiblichen Konventen geäußerte Wunsch, am Alten Ritus festzuhalten. Der weibliche Ordenszweig beharrt sei Bekanntwerden des Dekrets gegen den männlichen Zweig auf seine Unabhängigkeit. Pater Volpi warf im vergangene Oktober sogar der Glaubenskongregation, ja selbst Präfekt Kardinal Braz de Aviz vor, nicht entschieden genug gegen die Franziskanerinnen der Immakulata vorzugehen, weil dem Kommissar keine Ausweitung seiner Zuständigkeit gewährt wurde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Libertà e Pensiero