Nuntius: Unterscheidungsmerkmale zwischen wahrer und falscher Reform


Apostolischer Nuntius über Vorrang und Schönheit der Liturgie und die Kriterien wahre von falscher Reform zu unterscheiden.(Jakar­ta) Am 15. Okto­ber eröff­ne­te Erz­bi­schof Anto­nio Fili­paz­zi, der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us für Indo­ne­si­en eben­dort eine Tagung zum 50. Jah­res­tag der Pro­mul­ga­ti­on der Kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Bei der Zele­bra­ti­on der Hei­li­gen Mes­se zu Tagungs­be­ginn hielt er eine Pre­digt, die in Aus­zü­gen wie­der­ge­ge­ben wer­den soll. Dar­in sprach er über den Vor­rang und die Schön­heit der Lit­ur­gie und über die Kri­te­ri­en, wah­re und fal­sche Reform unter­schei­den zu können.

Nichts hat Vorrang vor der Liturgie

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Zunächst unter­strich der Nun­ti­us die Bedeu­tung der Hei­li­gen Mes­se. Sie sei weder ein „sekun­dä­rer“ noch ein „rein for­ma­ler“ Akt oder ein­fach nur ein „Bei­werk“ bei Tagun­gen und Kon­fe­ren­zen. Viel­mehr „hat die Zele­bra­ti­on der Lit­ur­gie Vor­rang vor dem Stu­di­um, sie bleibt unend­lich grö­ßer und wich­ti­ger als alle unse­re Über­le­gun­gen über sie“. Die Kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um erin­ne­re dar­an mit den Wor­ten: „Infol­ge­des­sen ist jede lit­ur­gi­sche Fei­er als Werk Chri­sti, des Prie­sters, und sei­nes Lei­bes, der die Kir­che ist, in vor­züg­li­chem Sinn hei­li­ge Hand­lung, deren Wirk­sam­keit kein ande­res Tun der Kir­che an Rang und Maß erreicht“ (SC 7). Nun­ti­us Fili­paz­zi for­der­te dazu auf, die­ses Bewußt­sein zu pfle­gen und zu för­dern. Die hei­li­ge Lit­ur­gie dür­fe des­halb „nie zu einem belie­big mani­pu­lier­ba­ren Objekt redu­ziert wer­den“, wie Papst Bene­dikt XVI. betont habe. „Lei­der wur­de viel­leicht – auch von uns Hir­ten und Exper­ten – die Lit­ur­gie als ein Objekt gese­hen, das es zu refor­mie­ren gilt, und nicht als ein Sub­jekt, das fähig ist, das christ­li­che Leben zu erneu­ern“ (Rede an die Mit­ar­bei­ter des Päpst­li­chen Lit­ur­gi­schen Insti­tuts Sant’Anselmo, 6. Mai 2011).

„Wir müs­sen uns der Lit­ur­gie nähern, sei es wenn wir sie zele­brie­ren, wie auch wenn wir sie stu­die­ren, mit der ehr­fürch­ti­gen Hal­tung des Moses, als er sich dem bren­nen­den Dorn­busch näher­te, Zei­chen der Gegen­wart des leben­di­gen Got­tes“, so der Nuntius.

Genau­so­we­nig dür­fe die Hei­li­ge Mes­se als eine bloß for­ma­le Geste betrach­tet wer­den, die man set­ze, weil es im Rah­men kirch­li­cher Tagun­gen eben so üblich sei. Statt des­sen erin­ne­re die Kon­zils­kon­sti­tu­ti­on dar­an, daß „die Lit­ur­gie der Höhe­punkt, dem das Tun der Kir­che zustrebt, und zugleich die Quel­le, aus der all ihre Kraft strömt“ (SC 10), ist. „Aus die­ser Gna­den­quel­le der von der  Kir­che zele­brier­ten Hei­li­gen Geheim­nis­se kommt auch das Licht und die Kraft, um über die Lit­ur­gie nach­zu­den­ken“, so Erz­bi­schof Fili­puz­zi. „Der aus Glau­ben Gerech­te wird leben“ (Röm 1,17), zitiert der Hei­li­ge Pau­lus im Römer­brief den Pro­phe­ten Haba­kuk und erin­ne­re uns dar­an, daß der Glau­ben das Prin­zip ist, das alles erleuch­ten und unser gan­zes Leben lei­ten muß, denn es gehe um die „Aus­wir­kung der Lit­ur­gie auf die Rea­li­tät, die Gott und das Heil betref­fen“, so der Nun­ti­us. Die Ver­tie­fung des Stu­di­um der Lit­ur­gie kön­ne daher nur durch das „Licht des Glau­bens“ erfolgen.

„Die­se Tagung begin­nen wir am Gedenk­tag der Hei­li­gen The­re­sia von Avila, Jung­frau und Kir­chen­leh­re­rin. Das Geden­ken an die Hei­li­gen unter­streicht eine wich­ti­ge Dimen­si­on der Lit­ur­gie, die in jeder Hei­li­gen Mes­se am Ende der Prä­fa­ti­on aus­ge­spro­chen wird: Dar­um prei­sen wir dich mit allen Engeln und Hei­li­gen und sin­gen ver­eint mit ihnen das Lob dei­ner Herr­lich­keit: Hei­lig, hei­lig, hei­lig Gott, Herr aller Mäch­te und Gewal­ten. Erfüllt sind Him­mel und Erde von dei­ner Herr­lich­keit. Hosan­na in der Höhe.“

Irdische Liturgie als Vorwegnahme der himmlischen Liturgie

Die Kon­zils­kon­sti­tu­ti­on bringt die­se Dimen­si­on der Lit­ur­gie fol­gen­der­ma­ßen zum Aus­druck: „In der irdi­schen Lit­ur­gie neh­men wir vor­aus­ko­stend an jener himm­li­schen Lit­ur­gie teil, die in der hei­li­gen Stadt Jeru­sa­lem gefei­ert wird, zu der wir pil­gernd unter­wegs sind, wo Chri­stus sitzt zur Rech­ten Got­tes, der Die­ner des Hei­lig­tums und des wah­ren Zel­tes. In der irdi­schen Lit­ur­gie sin­gen wir dem Herrn mit der gan­zen Schar des himm­li­schen Hee­res den Lob­ge­sang der Herr­lich­keit. In ihr ver­eh­ren wir das Gedächt­nis der Hei­li­gen und erhof­fen Anteil und Gemein­schaft mit ihnen. In ihr erwar­ten wir den Erlö­ser, unse­ren Herrn Jesus Chri­stus, bis er erscheint als unser Leben und wir mit ihm erschei­nen in Herr­lich­keit“ (SC 8).

In der Lit­ur­gie öff­net sich der Him­mel zur Erde hin (vgl. Bene­dikt XVI., Esor. Ap. Sacra­men­tum Cari­ta­tis, 35), Gott zeigt sich uns in sei­ner gan­zen Maje­stät und wir begeg­nen Chri­stus. Die Herr­lich­keit Got­tes zei­ge sich in der Schöp­fung der Welt wie der Hei­li­ge Pau­lus in Erin­ne­rung rufe und es die Kir­che im Gebet sagt. Dar­in lie­ge die Schön­heit der Hei­li­gen Lit­ur­gie, der irdi­schen Lit­ur­gie der Kir­che, „eine Schön­heit, die der Lit­ur­gie inne­wohnt und nicht von unse­ren Anstren­gun­gen abhängt, sie schön sein zu las­sen, etwa durch mensch­li­che Mit­tel, die nicht mit der Lit­ur­gie über­ein­stim­men“, so der Nun­ti­us. Die intrin­si­sche Schön­heit der hei­li­gen Zele­bra­tio­nen wirkt aus sich her­aus, „und nicht durch unse­re Art, wie wir mei­nen die Lit­ur­gie zele­brie­ren zu müs­sen, damit sie die­se gött­li­che Schön­heit ausstrahlt“.

Mentalität ausgebreitet, die meint die Liturgie durch Erfindungsreichtum „interessant“ machen zu müssen

„Lei­der hat sich die Men­ta­li­tät und die dar­aus fol­gen­de Pra­xis ver­brei­tet, laut der die Lit­ur­gie sich stän­dig ver­än­dern müs­se, den ver­schie­de­nen Gemein­schaf­ten anpas­sen und inter­es­sant wer­den müs­se durch unse­ren Erfin­dungs­reich­tum. Zele­bra­tio­nen, die die­sem Den­ken ent­sprin­gen, wer­den aber nicht die wirk­li­che Schön­heit der Kir­che zei­gen! Bereits die Not­wen­dig­keit immer neue Hilfs­mit­tel zu fin­den, um die Lit­ur­gie inter­es­sant zu machen, zeigt bereits wie unbe­stän­dig und flüch­tig eine von uns geschaf­fe­ne Schön­heit ist“, so der Nuntius.

„Der Hei­li­ge Geist erleuch­te die Arbei­ten die­ser Tagung und das lit­ur­gi­sche Leben Indo­ne­si­ens, damit die wah­re Natur der Schön­heit der Lit­ur­gie immer bes­ser erkannt und ver­stan­den wird und alle Prie­ster und Gläu­bi­gen bemüht sind, sie in jeder Zele­bra­ti­on erstrah­len zu las­sen“, so Erz­bi­schof Filipuzzi.

Der Nun­ti­us frag­te dann, wie die Hei­li­gen, etwa heu­te die hei­li­ge The­re­sia von Avila beim Ver­ständ­nis der Lit­ur­gie hel­fen kön­nen. Das Leben und Wir­ken der hei­li­gen The­re­sia von Avila erfolg­te in einer Zeit, die einer­seits von der von Mar­tin Luther begon­ne­nen pro­te­stan­ti­schen Reform geprägt war, ande­rer­seits von der katho­li­schen Reform und damit der Ant­wort der Katho­li­schen Kir­che auf die Not­wen­dig­keit einer kirch­li­chen Erneue­rung, die sich vor allem im Kon­zil von Tri­ent kon­kre­ti­sier­te und im Wir­ken vie­ler Hei­li­ger jenes Jahr­hun­derts. In der Zeit der hei­li­gen Kar­me­li­tin stan­den sich daher zwei For­men von „Reform“ gegen­über: eine Reform, die die sicht­ba­re Ein­heit der Kir­che Chri­sti zer­brach und eine Reform, die hin­ge­gen eine neue Blü­te des christ­li­chen Lebens her­vor­brach­te, deren Wohl­ta­ten bis zu uns herausreichen.

Kirchengeschichte kennt viele Beispiele wahrer und falscher Reformen

„Die Geschich­te zeigt uns, daß sich in fast jeder Epo­che in der Kir­che wah­re und fal­sche Refor­men ent­ge­gen­tre­ten. Viel­mehr kön­nen sich sogar inner­halb eines jeden Pro­zes­ses zur Erneue­rung des kirch­li­chen Lebens, Ele­men­te der wah­ren Reform und ande­re ver­mi­schen, sol­che, die das Ant­litz der Kir­che ver­ar­men las­sen und ver­un­stal­ten. Es gilt daher die Kri­te­ri­en aus­fin­dig zu machen, um zwi­schen der wah­ren und der fal­schen Reform zu unterscheiden.

Die­se Kri­te­ri­en kön­nen nicht sub­jek­tiv sein oder ein­fach prag­ma­tisch, son­dern müs­sen Kri­te­ri­en des Glau­bens sein, weil die Kir­che eine gött­lich-mensch­li­che Rea­li­tät ist, die wirk­lich nur mit dem Licht der gött­li­chen Offen­ba­rung erkannt wer­den kann. Wenn wir die zwei­tau­send­jäh­ri­ge Erfah­rung der Kir­che betrach­ten, kön­nen wir eini­ge Kri­te­ri­en aus­fin­dig machen.

Jede wirk­li­che Erneue­rung der Kir­che muß sich in völ­li­ger Über­ein­stim­mung mit der Leh­re der Kir­che voll­zie­hen, sie muß im Respekt der hier­ar­chi­schen Struk­tur und der Ord­nung der Kir­che erfol­gen, sie muß die Gemein­schaft und Ein­heit der Kir­che för­dern, sie muß das Erbe an Spi­ri­tua­li­tät und Fröm­mig­keit der Ver­gan­gen­heit bewah­ren, sie muß sich dem Drän­gen der gefal­le­nen mensch­li­chen Natur wider­set­zen und eben­so den Ein­flüs­sen der welt­li­chen Men­ta­li­tät, und sie muß mit einer Hal­tung der Geduld und der Demut umge­setzt wer­den“, so der Nuntius.

„Licht und Schatten“ seit dem Konzil – Heilige Theresia von Avila hingegen nur Licht

„Das sind auch die Kri­te­ri­en, die die Umset­zung des­sen lei­ten muß, was das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil vor 50 Jah­ren zur Lit­ur­gie fest­ge­leg­te. Die­ses hal­be Jahr­hun­dert sah Licht und Schat­ten, posi­ti­ve und nega­ti­ve Aspek­te des lit­ur­gi­schen Lebens der Kir­che. Das hängt auch damit zusam­men, daß die Hin­wei­se des Kon­zil nicht immer nach den Grund­sät­zen einer wirk­li­che kirch­li­chen Reform umge­setzt wurden.

Betrach­ten wir aber das Leben und das Wir­ken der hei­li­gen The­re­sia von Jesus erken­nen wir die völ­li­ge Ver­wirk­li­chung der Vor­aus­set­zun­gen für eine wirk­li­che kirch­li­che Erneue­rung. Am Ende ihrees Lebens konn­te sie mit gutem Grund aus­ru­fen: ‚Ich bin eine Toch­ter der Kir­che‘ und des­halb gab sie der Kir­che Impul­se für eine wirk­li­che und dau­er­haf­te Erneue­rung. Wir bit­ten sie um ihre Für­spra­che, damit die Über­le­gun­gen die­ser Tage, vor allem aber das lit­ur­gi­sche Leben der christ­li­chen Gemein­schaft in Indo­ne­si­en immer treu von die­sen Kri­te­ri­en gelei­tet seien.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Can­tua­le Antonianum/​Vatikan

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