(Bagdad) Wie Open Doors meldet, nehmen die Angriffe gegen Christen im gesamten Irak zu, vor allem in der sunnitischen Mitte, neuerdings aber besonders auch im kurdischen Norden. Die Christen sind im Irak eine „vom Aussterben bedrohte Rasse“.
Die Zahl der Christen sinkt kontinuierlich. Nach dem Ersten Irakkrieg (1991) fand ein Exodus der Christen statt, weit mehr noch nach dem Zweiten Irakkrieg (2003). Chaos, Gewalt und das Vordringen der islamistischen Bewegung kennzeichnen die Zeit seit dem Sturz von Saddam Hussein. Viele Christen resignierten und wanderten aus. Andere versuchen auszuharren, unterstützt“ von den christlichen Kirchen, doch es fällt ihnen immer schwerer. „Hier ist doch kein Sein mehr für uns Christen“, sagt eine Christin aus Kirkuk. „Unserer eigenes Land ist uns fremd geworden.“
Der kurdische Norden galt eigentlich als sicherster Ort für die Christen. Im vergangen Monaten haben jedoch auch dort die antichristlichen Übergriffe dramatisch zugenommen. Am 22. September sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor dem Haus des christlichen Politikers Emad Youhanna in Rafidayn in die Luft. 19 Menschen wurden verletzt, darunter auch drei Kinder des Politikers. Politischen Einfluß haben die wenigen verbliebenden Christen ohnehin kaum mehr. Unter Hussein war das noch anders gewesen.
Christen werden 2020 verschwunden sein
Wenn die Entwicklung so weitergeht, „wird es 2020 im gesamten Irak keinen Christen mehr geben“, so Open Doors. Der Rückgang ist dramatisch. Anfang des 20. Jahrhunderts waren noch fast 30 Prozent der Bewohner des heutigen Irak Christen. Vor dem Ersten Irakkrieg lag der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung noch bei etwa zehn Prozent. Vor dem Zweiten Irakkrieg nur mehr fünf Prozent. Seither hat er sich noch einmal halbiert. Ähnlich verlief die Entwicklung des Judentums. Die Juden konzentrierten sich vor allem in Bagdad, wo sie um 1900 ein Viertel der Einwohnerschaft stellten. 1941 machten die Juden 2,6 Prozent der irakischen Bevölkerung aus. Das entspricht in etwa dem heutigen Christenanteil. Die damals noch 150.000 Mitglieder zählende jüdische Gemeinschaft ist heute auf zehn Personen zusammengeschrumpft. WIrd das bald auch das Schicksal der Christen im Irak sein?
Unter den noch im Land verbliebenen Christen herrscht große Beunruhigung. Der Mangel an Sicherheit versetzt sie in eine ständige Spannung. Die Christen sind dabei nicht die einzige Zielscheibe islamischer Säuberungsaktionen. Vergangene Woche sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einem Ort im Norden selbst in die Luft. Der Ort wird vor allem von Schabak bewohnt, einer Glaubensgemeinschaft im Nordirak, die den Alewiten Syriens nahesteht. 15 Menschen wurden getötet.
Rekordgewalt
Der Alarmruf von Open Doors wird vom chaldäischen Patriarchen Louis Raphael I. Sako bestätigt: „Die Lage im Irak hat sich verschlechtert. Es fehlt an Sicherheit. Die Menschen sterben durch Bombenexplosionen, die Häuser werden zerstört. Die Christen haben Angst und fürchten Angriffe. Viele haben das Land verlassen und wer geblieben ist“, wartet auf dem Sprungbrett, das Land auch zu verlassen. Jeden Monat gibt es einen neuen Rekord an Gewalt. Die Eskalation der islamistischen Angriffe auf Christen scheint unaufhaltsam und nähert sich wieder gefährlich der „schrecklich blutige Zeit von 2006/2007“ an , so der Patriarch, als im Durchschnitt jeden Monat tausend Menschen getötet wurden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews
Die chaldäisch-katholische Kirche wird wohl komplett ins Exil gehen müssen. Leider weiß hier im Westen ein Großteil der Menschen nicht einmal, daß Länder wie der Irak, Syrien oder Ägypten urchristlich sind. Mit der islamischen Eroberung ab dem 7. Jahrhundert sind dort die Christen Schritt für Schritt in die Position einer kleinen Minderheit gedrängt worden.