Die Seidenschnur aus Freiburg. Erzbischof Zollitsch rät Tebartz van Elst zum Selbstmord


Erzbischof Zollitschs "Empfehlungen" an Bischof Tebartz-van Elstvon Peter Stephan

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In frü­he­ren Zei­ten sand­ten die tür­ki­schen Sul­ta­ne hoch­ge­stell­ten Per­sön­lich­kei­ten, die sie zum Tode ver­ur­teilt hat­ten, eine Sei­den­schnur zu – stil­vol­ler­wei­se meist in einer klei­nen Schmuck­scha­tul­le. Nach Erhalt wur­de der Ver­ur­teil­te von einem Die­ner oder Sol­da­ten erdros­selt. Die­se Metho­de bot den über­aus gro­ßen Vor­teil, daß die Sul­ta­ne zur Siche­rung ihrer Herr­schaft Brü­der und Nef­fen aus dem Weg räu­men konn­ten, ohne deren könig­li­ches Blut zu ver­gie­ßen. Gele­gent­lich hat­te der Ver­ur­teil­te sogar die Mög­lich­keit, sich der Erdros­se­lung durch Sui­zid zu ent­zie­hen. Floss dabei Blut, so geschah dies auf Ver­ant­wor­tung des Betrof­fe­nen selbst.

Die Pra­xis, sich unlieb­sa­mer Per­so­nen durch Mord oder Auf­for­de­rung zum Selbst­mord zu ent­le­di­gen, ist in unse­rer heu­ti­gen Gesell­schaft deut­lich ver­fei­nert wor­den, gera­de auch in der nach­kon­zi­lia­ren ‚Lie­bes­kir­che‘, die mit beson­de­rem Grau­sen auf die schrecken­er­re­gen­den Prak­ti­ken der vor­kon­zi­lia­ren ‚Macht­kir­che‘ zurück­blickt. Mit Hexen­ver­bren­nun­gen, Inqui­si­ti­on und Gift­mor­den à  la Bor­gia will man nichts mehr zu tun haben. Ja, man instru­men­ta­li­siert die­se Grau­sam­kei­ten sogar regel­recht, um die Durch­set­zung eines völ­lig neu­en Kir­chen­bil­des zu begrün­den. Gro­be Fehl­deu­tun­gen und maß­lo­se Über­trei­bung der histo­ri­schen Fak­ten wer­den dabei bil­li­gend in Kauf genom­men. Schließ­lich geht es um einen guten Zweck.

Daß der Zweck alle Mit­tel hei­ligt, gera­de wenn es um das heh­re Ziel der eige­nen Herr­schafts­si­che­rung geht, haben nicht nur zahl­rei­che Bischö­fe, son­dern auch die Mit­ar­bei­ter in den Ordi­na­ria­ten, die Funk­tio­nä­re des ZdK, die Pfarr­ge­mein­de­rä­te und vie­le ande­re „enga­gier­te“ Katho­li­ken begrif­fen. Ihre Opfer sind vor allem glau­bens­treue Prie­ster und Ober­hir­ten, aber auch Anhän­ger des klas­si­schen Meß­ri­tus. Der ‚pro­gres­si­ve‘ Durch­schnitts­ka­tho­lik geht zu die­sen Per­so­nen auf Distanz, weil in der säku­la­ren Gesell­schaft als ver­nünf­tig und auf­ge­klärt gel­ten möch­te und sich daher eines authen­tisch geleb­ten und prak­ti­zier­ten Glau­bens (den er sel­ber man­gels reli­giö­ser Bil­dung meist gar nicht mehr erfasst oder ver­steht) schämt. Die Funk­tio­nä­re und höhe­ren Amts­trä­ger wie­der­um fürch­ten die Kri­tik der Medi­en – und damit auch die Schel­te der medi­en­hö­ri­gen poli­ti­schen Klas­se. Man möch­te wei­ter­hin in der Mit­te der Gesell­schaft ste­hen, sprich: dem gesell­schafts­po­li­ti­schen Estab­lish­ment ange­hö­ren – wie wei­land die Jeru­sa­le­mer Tempelaristokratie.

Nichts wäre für das Gros des deut­schen Epi­sko­pats uner­träg­li­cher, als bei einem Emp­fang im Bun­des­kanz­ler­amt auf die Juden­für­bit­te der Alte Mes­se, die Ver­schwen­dungs­sucht eines Amts­bru­ders oder die rück­stän­di­gen Ansich­ten des Pap­stes ange­spro­chen zu wer­den. Da kann die Sekt­lau­ne schnell ver­ge­hen. Und schnell könn­te ein Flä­chen­brand ent­ste­hen. Vor eini­gen Jah­ren, im Fall Mixa, ging es noch um 40.000 Euro, die in einen Pira­ne­si-Stich (fehl-)investiert wor­den waren. In der Cau­sa Tebartz van Elst nimmt man bereits Anstoß an 30 Mil­lio­nen für ein Diö­ze­san­zen­trum mit Zwei­ein­halb­zim­mer­woh­nung, das von den Medi­en erfolg­reich zur bischöf­li­chen Protz­re­si­denz umin­ter­pre­tiert wor­den ist. Was kommt als näch­stes? Die vie­len Mil­lio­nen, die der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof Robert Zol­lit­sch sei­ner­zeit in die völ­lig unsin­ni­ge und selbst­herr­li­che Umge­stal­tung sei­nes Mün­sters gesteckt hat – was die Frei­bur­ger so ver­är­gert hat, daß seit­her die Spen­den für den reno­vie­rungs­be­dürf­ti­gen Mün­ster­turm feh­len? Die fast 20 Mil­lio­nen, die sich Kar­di­nal Marx den Kauf und Umbau sei­ner römi­schen Zweit­re­si­denz hat kosten las­sen? Die 40 Mil­lio­nen, die Geb­hard Fürst für ein Diö­ze­san­zen­trum in Rot­ten­burg aus­ge­ge­ben hat – einen Bau, der im Unter­schied zur archi­tek­to­nisch höchst gelun­ge­nen Lim­bur­ger Vika­rie den Charme einer zu groß gera­te­nen Kreis­spar­kas­se ver­sprüht? Und wie sieht es aus, wenn erst ein­mal die Mil­lio­nen the­ma­ti­siert wer­den, die der deut­sche Gre­mi­en­ka­tho­li­zis­mus für eine völ­lig auf­ge­bläh­te Ver­wal­tung aus­gibt – oder für Insti­tu­tio­nen wie die BdkJ, deren Ziel mitt­ler­wei­le ein­zig dar­in besteht, die Kir­che von innen her aus­zu­höh­len und all das zu zer­stö­ren, was Gene­ra­tio­nen hier­zu­lan­de in andert­halb Jahr­tau­sen­den auf­ge­baut haben? Steht nicht zu befürch­ten, daß man am Ende aus der Hei­me­lig­keit des deut­schen Kir­chen­steu­er­pa­ra­die­ses ver­trie­ben wird? Welch eine grau­en­haf­te Vor­stel­lung, wenn Bischö­fe künf­tig ihre Mahl­zei­ten aus Pil­zen zube­rei­ten müs­sen, die sie sel­ber im Wald gesam­melt haben! Jedoch nicht, um damit wie Bischof Jasch­ke in einer Talk­show demuts­voll zu koket­tie­ren, son­dern um wirk­lich satt zu wer­den? Wenn der deut­sche Kle­rus sei­ne Beschei­den­heit nicht mehr durch die teu­re Umge­stal­tung von Altar­räu­men und die Anschaf­fung neu­er Para­men­te demon­strie­ren kann, son­dern gezwun­gen ist, auf die bestehen­den (Hoch-)Altäre und die alten Mess­ge­wän­der (die meist unend­lich schö­ner sind) zurückzugreifen?

Um die­sem Unge­mach zu ent­ge­hen, haben sich füh­ren­de Ver­tre­ter der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz zu einem wei­te­ren Bau­ern­op­fer ent­schlos­sen. Nach Wal­ter Mixa ist nun Tebartz van Elst an der Rei­he. Wie zu Zei­ten der Sul­ta­ne geht es dar­um, die eige­ne Herr­schaft zu sichern, indem man sich eines lästi­gen Bru­ders ent­le­digt. Natür­lich geschieht dies nicht mehr durch die Über­sen­dung einer Sei­den­schnur. Die nach­kon­z­lia­re Lie­bes­kir­che bevor­zugt den Ruf­mord, den sie nach alt­be­währ­tem Muster im Schul­ter­schluß mit kir­chen­feind­li­chen Medi­en prak­ti­ziert. Daß Tebartz nach allem, was all­mäh­lich zuta­ge tritt, als Bischof nicht mehr trag­bar ist, ist das eine. Das ande­re ist jedoch die Art und Wei­se, wie er syste­ma­tisch dämo­ni­siert und öffent­lich hin­ge­rich­tet wird. Das Aus­maß die­ser mani­pu­la­ti­ven und ver­leum­de­ri­schen Het­ze hat längst das Niveau des ‚Stür­mers‘ oder des ‚Völ­ki­schen Beob­ach­ters‘ erreicht. Hexen­jagd, Inqui­si­ti­on und Bor­gia-Intri­gen fei­ern – in neu­em Gewan­de – fröh­li­che Urständ.

Und als wäre das nicht genug, hat Robert Zol­lit­sch vor eini­gen Tagen nach­ge­legt. In aller Öffent­lich­keit stell­te er wört­lich fest: „Ich kann mir nicht vor­stel­len, daß ich da wei­ter­le­ben könn­te.“ Selbst­ver­ständ­lich tat er das in einem Unter­ton, der sei­ne Sor­ge um den gestrau­chel­ten Mit­bru­der zum Aus­druck brin­gen soll­te. Doch lohnt es sich, auf den genau­en Sinn der Wor­te zu ach­ten. Zol­lit­sch sag­te nicht: „Ich kann mir nicht vor­stel­len, so wei­ter­zu­le­ben.“ Das Wört­chen „so“ hät­te sich auf die Art und Wei­se der Lebens­füh­rung bezo­gen und die Mög­lich­keit einer Kor­rek­tur zum Aus­druck gebracht. Man kann sich besin­nen, umkeh­ren und auf ande­re Wei­se wei­ter­le­ben. Das Wört­chen „da“ hin­ge­gen meint in die­sem Kon­text einen Zeit­punkt, ab dem eine neue, eine unum­kehr­ba­re Situa­ti­on ent­steht – eine Situa­ti­on, die Tebartz in der Dik­ti­on von Zol­lit­sch ein Wei­ter­le­ben unmög­lich macht. Viel­leicht kennt Zol­lit­sch nicht den Bedeu­tungs­un­ter­schied zwi­schen einem Modal- und einem Tem­po­ral­satz, aber als Vor­sit­zen­der der Bischofs­kon­fe­renz soll­te er sei­ne Wor­te sorg­fäl­ti­ger wäh­len. Mit dem, was er sag­te, hat er sei­nem Bru­der im Amt letzt­lich die Sei­den­schnur zukom­men las­sen, wobei der besorg­te Unter­ton der Schmuck­scha­tul­le gleicht, in der die Schnur ver­bor­gen ist.

Aller­dings soll­ten Zol­lit­sch und die übri­gen Funk­tio­nä­re des Gre­mi­en­ka­tho­li­zis­mus sich vor­se­hen. Das deut­sche Kir­chen­steu­er­sy­stem hängt ins­ge­samt am sei­de­nen Faden. Und anders als die für Erdros­se­lun­gen ver­wen­de­ten Sei­den­schnü­re könn­te die­ser in nicht all­zu fer­ner Zukunft rei­ßen. Das jour­na­li­sti­sche Rudel hat längst Blut geleckt. Die den Wöl­fen abge­schau­te Tak­tik, ein schwa­ches Tier aus der Her­de zu iso­lie­ren, um es dann zu rei­ßen, hat sich bewährt. Lang­fri­stig wird jeder Bischof mit dezi­diert katho­li­schem Pro­fil erlegt wer­den. Die Stra­te­gie der übri­gen Her­den­mit­glie­der, die eige­ne Haut zu ret­ten, indem man den ande­ren den Wöl­fen aus­lie­fert, wird nicht aufgehen.

Und wer weiß! Viel­leicht wird es eines Tages sogar dahin kom­men, daß bei Bischofs­er­nen­nun­gen die Bild­zei­tung als die neue vox popu­li eine Drei­er­li­ste erstellt, aus wel­cher – nach einem Eig­nungs­ge­spräch beim ZdK – der Spie­gel einen Kan­di­da­ten ernennt. Die­ser wird dann von der Bun­des­kanz­le­rin offi­zi­ell ernannt – und kann von ihr not­falls auch wie­der abge­setzt wer­den. Die Zusen­dung von Sei­den­schnü­ren wird dann end­gül­tig der Ver­gan­gen­heit angehören.

Prof. Dr. Peter Ste­phan hat Geschich­te, Kir­chen­ge­schich­te und Kunst­ge­schich­te stu­diert und ist apl. Pro­fes­sor für Kunst­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Frei­burg im Breis­gau. Zugleich lehrt er als Pro­fes­sor für Archi­tek­tur­theo­rie an der Fach­hoch­schu­le Potsdam.

Bild: Wiki­com­mons (Mon­ta­ge Katho​li​sches​.info)

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