(Rom) Vom „Aufstand gegen den Papst“ schreiben Focus-Korrespondentin Eva Kallinger und Focus-Redakteur Gregor Dolak in der neuen Ausgabe des Wochenmagazins. Während Papst Franziskus die Kirche auf einen „grundlegenden Kurswechsel“ vorbereite, „wächst der Widerstand gegen seine forsche Art“. Und das nicht nur im Vatikan, sondern auch unter Bischöfen und katholischen Gruppen rund um den Erdball. Es sei zudem eine „schleichende Sehnsucht“ nach Benedikt XVI. feststellbar.
Die beiden Journalisten berichten von „schwärmenden Massen“ am Petersplatz und von einem „meßbaren“ Zuwachs bei Gottesdienstbesuchen und Beichten. Eine Angabe, die im vergangenen Frühjahr verschiedentlich behauptet wurde, unmittelbar nach der Wahl, als es empirisch noch kaum meßbar sein konnte. Seither war davon weniger zu hören. Meßbar zugenommen haben die Teilnehmer bei den Mittwochskatechesen. Ob „Francesco“ der neue Modenamen für neugeborene Jungen ist, werden die Statistiken der kommenden Jahre zeigen.
Stimmung im Vatikan „mies“ wegen „forscher Art“ des neuen Papstes
Jedenfalls sei laut Focus im Vatikan „die große Euphorie für den neuen Papst dagegen längst verflogen“. Die Stimmung wird als „mies“ beschrieben. Öffentlich sagen traue sich das aber keiner. Der Grund liegt auf der Hand, denn alle seien verunsichert, „weil niemand weiß, was morgen mit ihm und der Kirche geschieht“.
Jüngster Tiefpunkt sei die Kritik des Papstes an seinen Mitarbeitern im Vatikan via Medien gewesen. Durch das berühmt-berüchtigte Interview von Eugenio Scalfari für die Tageszeitung La Repubblica fühlen sich die Vatikan-Mitarbeiter vor den Kopf gestoßen. Der Papst schwadronierte vor dem begeistert lauschenden Atheisten Scalfari: „Die Führer der Kirche waren oft narzißtisch, von Schmeichlern umgeben und von ihren Höflingen zum Üblen angestachelt. Der Hof ist die Lepra des Papsttums …“.
„Die Kurie – eine Truppe von Aussätzigen?“ fragt Focus. Mehrere Tausend Frauen und Männer, Priester und Ordensleute, die Jahre, oft Jahrzehnte auf stille und treue Weise ihren Dienst für die Kirche und den Papst verrichten. Kaum gemeint wird Papst Franziskus jene Kurialen haben, die Benedikt XVI. mit ihren Intrigen und ihrem Boykott das Leben schwer machten. Sie gehören ja zu den Bejublern des neuen Pontifikats und haben nach Rang und Möglichkeit dessen Zustandekommen begünstigt.
Das Bild vom sanften Papst, der so kollegial handle, wird in Rom nicht bestätigt. „Nicht nur im Vatikan formiert sich Widerstand. Rund um den Globus, so berichten Kritiker in Rom, wächst das Unbehagen“, so Focus.
US-Bischöfe sehen „akute Gefahr von Verlusten ohne Gewinne“
In den USA sei man über die Papst-Interviews verärgert, vor allem über seine „liberalen Sprüche“ über Homosexuelle, Abtreibung und Verhütungsmittel. Die Bischöfe, darunter „offenbar“ auch der „Bergoglio-Wähler, Kardinal Timothy Dolan“, befürchten die Gläubigen an die Evangelikalen zu verlieren. Focus schreibt es nicht, doch unter US-Bischöfen geht die Rede von der „akuten Gefahr von Verlusten ohne Gewinne“.
Das Wochenmagazin nennt dafür Widerstand gegen Papst Franziskus in Lateinamerika. Dort hätten Priester und Laien oft „jahrelang gegen kommunistische und kirchenkritische Populisten“ gekämpft. Sie fühlen sich durch einen gefühlten „Links-Schwung“ von Papst Franziskus überrollt.
Polen: „Wenn das so weiterghet, macht dieser Papst unsere Kirche kaputt“
Focus faßt die Stimmung im polnischen Klerus und Episkopat mit den Worten zusammen: „Wenn das so weitergeht, macht dieser Papst unsere Kirche kaputt“, schildert ein Vatikan-Insider die dortigen Befürchtungen.“
Das Motto der offiziellen Kirche in Deutschland lautet „Jubel“. Soweit haben es auch die Focus-Journalisten wahrgenommen. Sie machen dennoch auch nördlich der Alpen ein Rumoren aus, weil es den „deutschen Bischöfe“, bisher „Speerspitze der Forderung nach Reformen“, zu langsam gehe. Seit dem vergangenen 13. März herrsche hier Genugtuung darüber, die „Bremser“ Johannes Paul II. und Benedikt XVI. endlich los zu sein. Doch nun wolle man Taten sehen. Die Erwartungen seien so hochgeschraubt, erwartet werden nur „Minimallösungen“ zu Zölibat, Priesterinnen und wiederverheiratet Geschiedenen. Und was dann?
Hans Küng und die Rif-Eskimesen und Notker Wolf über päpstliche „Bömbchen“
Focus befragte natürlich auch den offenbar unvermeidlichen Hans Küng, der seine Breitseiten gegen alles austeilen darf, was auch nur den Anschein von katholischer Kirche hat. Seine Worte sagen ungefähr soviel über Katholizität aus, wie wenn ein einsamer Berber im Rif-Gebirge über Sitten und Brauchtum von Eskimos erzählen würde. Sie sollen daher unerwähnt bleiben.
Abtprimas Notker Wolf begeistert sich am Papst und seinen eigenen, schwer entzifferbaren Wortmeldungen: „Der Papst legt genau die Bömbchen, die es in unserer Zeit braucht, und es sind Bömbchen, die aus dem Evangelium kommen, und da gibt es viele.“
„Schleichende Sehnsucht“ nach Benedikt XVI. – Mangel an theologischer Tiefe
Focus berichtet aber auch von einer „schleichenden Sehnsucht“ nach Benedikt XVI. Zitiert wird ein Kurienmitarbeiter: „Der deutsche Heilige Vater spornte uns mit seinen Argumentationen an“. Damit sei es nun vorbei.
Focus berichtet auch von einem Mangel an theologischen Diskussionen, sprich theologischer Tiefe in diesem Pontifikat. Eine Kritik, die vor allem an katholischen Universitäten rund um den Erdball geäußert werde, allerdings „natürlich nur inoffiziell“.
„Neue Bescheidenheit?“ Franziskus belegt „ganze Etage“ in Santa Marta, „groß wie alte Papstwohnung“
Die Focus-Redakteure lassen den Vatikan „brodeln“. „Was heißt hier neue Bescheidenheit“, wird ein Kurienmitarbeiter zitiert. Der Papst, der die päpstliche Wohnung verweigerte, „belege inzwischen eine ganze Etage im Vatikan-Gästehaus Santa Marta“. Zieht man die große Kapelle in der Papstwohnung im Apostolischen Palast ab, ist die neue „nicht viel kleiner als die alte Wohnung“. Vor allem die Hausordnung stößt auf Kritik und Unverständnis. Papst Franziskus erklärte, er wolle sich „nicht einsperren“ lassen, unter Leuten sein, mit allen reden. Die Realität, so Focus, sehe anders aus: „Denn in Santa Marta darf man sich dem Papst nicht nähern und ihn nicht einmal grüßen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La cigüeña de la torre